Der Generalmusikdirektor ist verantwortlich für alle Fragen, die das Orchester betrifft, der Intendant für die Gesamtstrategie des Hauses. In anderen Kernbereichen arbeitet man mit weiteren Führungskräften zusammen, wie etwa der Operndirektorin, die für Auswahl und Einsatz der Solist zuständig ist. Die Verbindung zu und der beständige inhaltliche Austausch mit allen Abteilungen sind essenziell. Im Zweifelsfall hat der Intendant aber das letzte Wort. (lacht)
Frage: Emanuel Schickaneder kennt man heute vor allem noch als Librettist von Mozarts Zauberflöte. Aber natürlich gab es für ihn als Theaterleiter auch jede Menge administrative Arbeiten zu erledigen. Wie ist das Verhältnis zwischen künstlerischer und administrativer Arbeit für einen Intendanten in heutiger Zeit?
Das ist von Institution zu Institution sehr unterschiedlich. In meiner aktuellen Position in Göttingen verhält es sich 50:50, da ich dort beispielsweise auch für das Fundraising zuständig bin. Für die Oper Leipzig kann ich das derzeit noch nicht beurteilen, weil ich mit den Strukturen innerhalb des Hauses noch nicht vertraut bin. In den anstehenden Gesprächen in den nächsten Monaten und Jahren wird sich ein Verhältnis herauskristallisieren. In jedem Fall hat man in dieser leitenden Funktion erhebliche organisatorische, personaltechnische, strategische und kulturpolitische Aufgaben. Man wird also leider nicht den ganzen Tag nur über Kunst nachdenken können.
Frage: Auch für ein Opernhaus kann es förderlich sein, wenn der Intendant Abläufe nicht nur elegant technokratisch verwaltet, sondern auch künstlerische Impulse setzt. Wie verhält sich das bei ihnen? Sind sie auch künstlerisch gestaltend, etwa als Autor, noch aktiv?
In anderen Häusern sind Dirigenten oder Regisseure Intendanten. Selbst würde ich mich als Dramaturgen und Kulturmanager bezeichnen. Die Spielplangestaltung verstehe ich selbstverständlich als einen künstlerischen Akt, mit der ich eine eigene Handschrift zeige. Zwar habe ich auch Bratsche studiert, würde jedoch nicht mehr öffentlich damit auftreten, allenfalls als Amateur mit meinem Trio. Entscheidend für einen Intendanten ist immer das künstlerische Verständnis, dass ich unter anderem auch aus früheren Instrumentalzeiten gewonnen habe, und das in Entscheidungsprozesse wesentlich miteinfließt. Das Wissen um die Sorgen und Nöte eines Sängers, um die Funktion eines Orchesters oder die Produktionsabläufe in den technischen Abteilungen sind unverzichtbar, um sachgerechte Entscheidungen zu treffen.
Frage: Was sind ihre Pläne für die Leipziger Oper?
Innerhalb des Bewerbungsverfahrens habe ich mich mit einem „Dreiklang“ vorgestellt. Das sind Qualität, Nähe und Nachhaltigkeit. Leipzig als Musikstadt mit internationalem Renommee steht im Fokus und ist allein schon deshalb einem hohen Qualitätsanspruch verpflichtet.
Der Faktor Nähe ist mir besonders wichtig, weil ich einen großen Schwerpunkt im Bereich Musikvermittlung habe und viele Vermittlungsprojekte mit Jugendlichen, zum Teil auch mit Demenzkranken und Flüchtlingen, betreut habe.
In manchen Häusern läuft der Kontakt zu Menschen außerhalb des Hauses als Kundenkontakt ab, den man rein marketingtechnisch sieht. Manche geben sich als Oberlehrer, der dem Publikum erklärt, wie Oper funktioniert, andere überlassen das Publikum sich selbst. In allen Fällen entsteht Distanz. Ich möchte eine Begegnung auf Augenhöhe. Hier spielen nicht nur Fragen nach dem entsprechenden Aufbau des Foyers, von Printmedien oder der Website eine Rolle. Ziel ist es eine größtmögliche Nähe zum Publikum zu schaffen. Und zu den Förderern, die sich auch begeistern können sollen für das, was sie fördern. Ich möchte einfach die Opernfamilie vergrößern.
Beim Faktor Nachhaltigkeit gibt es an vielen Häusern einen großen Nachholbedarf. Vorbildfunktion haben dabei das Arcola Theatre in London oder die Oper in Göteborg, die derzeit einen umweltfreundlichen Ringzyklus von Wagner auf die Bühne bringt. Repertoiretechnisch wünsche ich mir eine Erweiterung des Fokus Leipzig. Außer Wagner und Bach gibt es hier zwischen dem 17. und 21. Jahrhundert eine Reihe weiterer interessanter Namen und Werke zu entdecken.
Frage: Nachhaltigkeit ist auch ein gutes Stichwort im Hinblick auf Geschichtsschreibung. Die Generationen nach uns werden uns kaum fragen, wie wir es mit der Tradition gehalten haben, sondern wollen vielmehr wissen, was unsere Generation Neues geschaffen hat. Wie sehen sie im traditionsreichen Leipziger Haus die Chance, Operngeschichte mittels Kompositionsaufträgen zu schreiben?
Es ist essenziell, dass ein Opernhaus Kompositionsaufträge vergibt. Fast noch wichtiger finde ich Wiederaufführungen neuer Werke, damit diese Chance bekommen, sich im Repertoire zu etablieren. Hier kann man ich mir einen Austausch mit anderen Häusern vorstellen. Um ein Grundinteresse beim Publikum zu erzeugen, kann man im Sinne reduzierter Ressourcen auch erst einmal Projekte im Bereich Kammeroper entwickeln.
Frage: Ähnlich wie Udo Zimmermann, einer ihrer Vorgänger?
Als Dramaturg finde ich seine Programme, die er in den 90er Jahren entwickelt hat, fantastisch. Da gab es z.T. bei fünf Neuproduktionen drei Uraufführungen. Das Haus war allerdings danach wie leergefegt. Als Intendant muss man zwischen betriebswirtschaftlichen Grenzen und der notwendigen Weiterentwicklung des Repertoires fein abwägen. Da ist zwischen allen beteiligten Akteuren viel Vertrauen notwendig, dann lässt sich auch ein Publikum eher mal auf Neues und Experimentelles von noch lebenden Komponisten ein. In diesem Punkt verstehe ich mich gern als Brückenbauer.