Grenzach-Wyhlen Nutzen, was bisher einfach verpufft

Die Oberbadische

Vertragsunterzeichnung: Startschuss zum Bau der Nahwärmenetze in Grenzach und Wyhlen ist gefallen

Die Planungen zum Bau zweier Nahwärmenetze in Grenzach und Wyhlen nähern sich der Zielgeraden. Mit der Unterzeichnung des sogenannten Gestattungsvertrages haben die Gemeinde Grenzach-Wyhlen und die Firma Energiedienst (ED) gestern den Weg dafür freigemacht.

Von Tim Nagengast

Grenzach-Wyhlen. Nicht nur Schlagworte wie Energiewende, Klimaschutz, CO 2-Reduzierung, Sektorenkopplung und Nachhaltigkeit allein sind die Väter des Gedankens. Zwar spielt die aktuelle gesellschaftspolitische Großwetterlage den Projektbeteiligten grundsätzlich in die Hände, doch geht es diesen auch darum, sich mit Blick auf die Zukunft breiter aufzustellen, sprich: neue Standbeine zu schaffen.

Im Falle von DSM und Energiedienst ist dies in Grenzach-Wyhlen recht einfach. Beide Unternehmen erzeugen nämlich jede Menge Abwärme, die gegenwärtig verpufft. Dabei könnte man allein mit der bei DSM anfallenden Abwärme theoretisch nahezu den ganzen Ortsteil Grenzach versorgen, wie bei der gestrigen Vertragsunterzeichnung zu hören war.

Die Grundvoraussetzungen für die beiden Nahwärmenetze, welche die Firma Energiedienst aufbauen und betreiben wird, sind allerdings recht unterschiedlich.

Nahwärmenetz Grenzach:

Um das Netz in Grenzach (Versorgungsbereich ungefähr zwischen Scheffel- und Uhlandstraße, Bäumleweg und Schlossweg, Kindergarten „Löwenzahn“ und Römervilla) zu speisen, wird ED die bei DSM anfallende Abwärme „kaufen“. Entsprechende Vertragsverhandlungen bezüglich Redundanz und Auskopplung würden bereits geführt, berichtete ED-Projektleiter Stefan Schlachter. Die Wärme kommt vom DSM-eigenen Kondensatbehälter, in dem ständig 250 Kubikmeter Wasser mit einer Temperatur von 95 Grad vorhanden sind. Eine Unmenge an Wärme, die derzeit einfach verpufft. Sie soll – vereinfacht gesagt – aufbereitet und künftig in ein Rohrnetz von ED eingespeist werden. Daran angeschlossen werden unter anderem kommunale Einrichtungen im Bereich der Neuen Mitte von Grenzach: Bärenfelsschule, Haus der Begegnung, Hallenbad, Zielmattenhalle und geplanter Kindergarten „Neue Mitte“. Hinzu kommt, dass die Kommune den Investoren, welche auf und um das ehemalige Schlosser-Areal tätig werden wollen, den Anschluss an das neue Nahwärmenetz vorschreibt (was sie rechtlich dürfe, wie Bürgermeister Tobias Benz klarstellte).

Für Versorgungsspitzen oder Lieferengpässe aus der Industrie will ED Wärme voraussichtlich mit Biomasse selbst erzeugen. Hierzu wird eine Technikzentrale an der Güterstraße errichtet.

Ganz groß baut man nun auf die Anschlussbereitschaft von Bürgern beziehungsweise Hauseigentümern. Entsprechende Signale gibt es laut Benz bereits zuhauf.

Übrigens: Das kleine, bestehende Nahwärmenetz, mit dem beispielsweise das Hallenbad mit heißem Dampf von DSM beheizt wird, wird als Folge des Netz-Neubaus nicht mehr benötigt und daher weichen.

Nahwärmenetz Wyhlen:

In Wyhlen hat ED es deutlich einfacher. Für den Bau des dortigen Nahwärmenetzes will der Energieerzeuger die Abwärme seiner eigenen Anlagen verwenden. Diese verpufft bisher ebenfalls ungenutzt und stammt beispielsweise von den Generatoren des Wasserkraftwerks und der zugehörigen Wasserstoff-Elektrolyseanlage („Power-to-Gas“, „P2G“). Während die Abwärme bei ersteren bei lediglich 25 Grad liegt, werden bei der P2G-Anlage immerhin 55 Grad erreicht.

Um damit ein Wärmenetz zu betreiben, muss ED allerdings ein wenig nachhelfen. So soll das Temperaturniveau mithilfe einer Großwärmepumpe auf 70 Grad angehoben werden. Wie Schlachter darlegte, kann der für das Wyhlener Netz errechnete Wärmebedarf zumindest zu 87 Prozent aus eigener Abwärme gedeckt werden. Die restlichen 13 Prozent will man mit Biomasse erzeugen – wo eine mögliche Erweiterung der P2G-Anlage hier weiteres Potenzial biete.

Im Vergleich zu Grenzach, wo man in weiten Teilen in ein bestehendes Quartier hineingehen will, wird es in Wyhlen aber auch netzausbautechnisch deutlich einfacher für ED. So wird nicht nur das kleine – und noch ein wenig wachsende – Wohngebiet am Wasserkraftwerk angebunden, sondern in erster Linie das Neubaugebiet „Kapellenbach-Ost“. Der Erschließungsbeginn des ersten dortigen Bauabschnitts ist noch für diesen Herbst vorgesehen. In diesem Zuge werden gleich die Leitungen für die Versorgung mit Abwärme mitverlegt.

Keine leeren Worte

Was heißt das nun für den Nutzer, der seine Liegenschaft anschließen lässt? „Es gibt keine Emissionen, Sie brauchen keinen Kamin, Sie haben keine große Heizanlage, und billiger ist es obendrein“, sagt Jörg Reichert, Vorsitzender der ED-Geschäftsleitung. Bürgermeister Benz wertet das Ganze als ein großes Signal, dass in der Kommune Ernst gemacht wird bei der Energiewende. „Diese ist in Grenzach-Wyhlen live erlebbar“, bringt Reichert es auf den Punkt.

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