Grenzach-Wyhlen Scharfe Kritik an Gesetzesreform

Tim Nagengast
Mit Neubauten und der Campus-Umgestaltung hat Roche ein klares Standortbekenntnis abgegeben. Foto:  

Hagen Pfundner, Vorstand von Roche Pharma, geht mit dem reformierten Gesetz zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen hart ins Gericht.

Das zu Jahresbeginn in Kraft getretene reformierte Gesetz zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) „ist ein Frontalangriff auf die Pharmaindustrie“. Mit ungewohnt scharfen Worten reagiert Roche-Pharma-Vorstand Hagen Pfundner auf die jüngsten Reformen aus Berlin.

Einseitiger Fokus auf Kosteneinsparungen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach habe den Fokus völlig einseitig auf die Frage nach schnellen Kosteneinsparungen gerichtet, um das 17-Milliarden-Euro-Loch der GKV zu stopfen. Der Pharmabranche würden nun unnötig Knüppel zwischen die Beine geworfen. „Und das trifft uns nun in der Dynamik der Entwicklung“, wie Pfundner am Dienstag im Gespräch mit unserer Zeitung beklagte. Alleine durch diese Gesetzesreform gehe Roche ein Umsatz von über 100 Millionen Euro „flöten“. Gelder, die das Unternehmen für Innovationen und Entwicklungen benötige. „Man entzieht uns Liquidität und bremst damit die Investitionsmöglichkeiten.“ Pfundners Fazit: „Die Leidtragenden sind am Schluss die Patienten.“

„Schleichende Deindustrialisierung“

Der Horizont verfinstere sich zusehends, erkennt der Roche-Pharma-Chef den Trend zur „weiteren schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands“. Wer hierzulande keine geeigneten Rahmenbedingungen für Innovation mehr vorfinde, der werde irgendwann damit anfangen, über die Landesgrenzen zu blicken und bessere Rahmenbedingungen zu suchen, sagt Pfundner. „So verlieren wir in immer mehr Bereichen sukzessive die Technologieführerschaft.“ Im Übrigen habe es mit Gesundheitsminister Lauterbach im Vorfeld der Gesetzesreform keinen Dialog gegeben. „Herr Lauterbach hat das Prinzip des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgsetzes AMNOG auf den Kopf gestellt.“

Innovationsfreude wird ausgebremst

Aus Pfundners Sicht gäbe es dabei durchaus Einsparmöglichkeiten, um die GKV wieder auf finanziell stabilere Füße zu stellen. Er verweist hier beispielsweise auf den Sektor der versicherungsfremden Leistungen, den Bereich ALG II und auf die im internationalen Vergleich unübliche Tatsache, dass die Krankenversicherungen die Mehrwertsteuer auf Medikamente in Höhe von 19 Prozent schultern müssen.

Alles in allem sei das Investitions- und Innovationsumfeld in Deutschland schon einmal deutlich besser gewesen, resümiert der Roche-Pharma-Vorstand. Insofern werde das Unternehmen vorsichtiger agieren müssen, was sich indirekt auch auf den Standort Grenzach auswirke. Mit einer Aufstockung der Mitarbeiterzahl von derzeit 1284 ist Pfundner zufolge wohl eher nicht zu rechnen. Erst vor zwei Jahren hatte der Pharmariese in Grenzach mehr als zehn Prozent seiner Belegschaft abgebaut. Dies jedoch sozial verträglich, wie Hagen Pfundner betont.

Großinvestitionen sind abgeschlossen

Mit der Errichtung des rund 60 Millionen Euro teuren Zentralgebäudes „Fritz“ und weiterer Bauten, der Schaffung neuer Arbeitswelten im Inneren sowie der Umgestaltung des Grenzacher Werkareals (Teich, „Piazza“, neue Wegebeziehungen) hat der Pharmakonzern in den vergangenen drei, vier Jahren aber ein mehr als klares Standortbekenntnis abgegeben. Weitere größere strukturelle Investitionen seien daher derzeit weder nötig noch geplant, wie Pfundner auf Nachfrage erklärt.

Werkszaun wird in Kürze nach hinten versetzt

In Sichtweite ist jedoch die im Zuge der Neugestaltung in Aussicht gestellte Öffnung des Firmengelände. Pfundner zufolge hat Roche sich mit den Nachbarn DSM und GP (Bayer) dahingehend geeinigt, dass der Werksgeländezaun nach innen versetzt werden kann. Diese Maßnahme koste etwa 1,5 Millionen Euro und soll noch in diesem Frühjahr erfolgen. Das „Fritz“ und auch der Teich können daher bald frei erreicht und auch umgangen werden.

B 34-Zufahrt von Roche ist „auf dem Weg“

Sehr zuversichtlich ist der Vorstand von Roche Pharma hinsichtlich der künftigen Zufahrt von der geplanten Umgehungsstraße aufs Grenzacher Firmengelände. „Wir führen extrem konstruktive Gespräche mit dem Regierungspräsidium“, sagt Pfundner, der erst im Januar bei der Freiburger Behörde zu Gast war.

Keßlergrube: Roche plant eigene Nachnutzung

Im Jahr 2024 kommt dann die Renaturierung und Umgestaltung des Rheinufers in Höhe der Keßlergrube an die Reihe. Tendenziell trägt Roche sich mit dem Gedanken, das nun saubere Gelände selbst zu nutzen. „Aber auch ein Gebietstausch wäre denkbar – je nach dem, was sich dort im Umfeld einmal entwickelt“, sagt Pfundner mit Blick auf die Roche-Exklave am Rhein.

Gesamt-Umsatz von Roche geht zurück

Die Firma Roche blickt mit einem Gesamtumsatz von 8,1 Milliarden Euro auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2022 in Deutschland zurück. Der Beitrag von Roche während der Pandemie zur Diagnose und Behandlung von Covid 19-Patienten hat in den Jahren 2020 und 2021 zu Sondereffekten in der Geschäftsentwicklung geführt. Betrachtet man das Geschäftsjahr 2022 ohne diese Sondereffekte, so verzeichnen die Pharma-Sparte ein Wachstum von 6,6 Prozent und die Diagnostik-Sparte ein Wachstum von 7,9 Prozent im Kerngeschäft.  

Pharma-Sparte macht 2022 Rekordumsatz

Die Pharma-Sparte von Roche hat im vergangenen Geschäftsjahr nach Unternehmensangaben einen Rekordumsatz von zwei Milliarden Euro gemacht. Dies bedeutet ein Umsatzwachstum von 6,6 Prozent im Kerngeschäft. Roche sieht in diesem Ergebnis die erfolgreiche Portfoliotransformation und die starke Nachfrage nach neuen, innovativen Medikamenten bestätigt. Mit der Neueinführung von Vabysmo (Faricimab) habe Roche den Grundstein für das Geschäft in der Augenheilkunde und nachhaltiges Wachstum gelegt.

Investitionsvolumen ist gestiegen

Blickt man auf das Jahr 2022 zurück, sind bei Roche die Investitionen in Produktionsanlagen, Technologien, Infrastruktur und die Standortentwicklung in Mannheim, Penzberg, Ludwigsburg und Grenzach-Wyhlen um rund 13 Prozent gestiegen. Sie beliefen sich nach Angaben des Unternehmens auf rund 675 Millionen Euro (2021: 599 Millionen). Aus den deutschen Roche-Laboren stammen unter anderem biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe „made in Germany” für Medikamente zur Behandlung von Krebs und Augenleiden sowie zahlreiche diagnostische Tests zum Nachweis von Infektionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Krebs.

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