Grenzach-Wyhlen Sinnvoll oder das Papier nicht wert?

Tim Nagengast
Möglichst viele der das Gebiet „Kapellenbach-Ost“ prägenden älteren Bäume sollen in das Neubaugebiet integriert werden. Foto: Tim Nagengast

An der Gestaltungsfibel für das Gebiet „Kapellenbach-Ost“ scheiden sich die Geister / Verbindlichkeit nur für Käufer kommunaler Grundstücke / Erschließung soll Ende des Jahres beginnen

Grenzach-Wyhlen - Der Gemeinderat von Grenzach-Wyhlen hat am Dienstagabend den Bebauungsplanentwurf für das Neubaugebiet „Kapellenbach-Ost“ einmütig gebilligt und dessen Auslegung beschlossen. Breiten Raum nahm zuvor jedoch die im Gremium vorgestellte Gestaltungsfibel ein. Diese enthält etliche Vorgaben und Empfehlungen für die künftigen Häuslebauer.

„Architektur ist (...) nicht nur Privatangelegenheit, sondern hat immer auch eine öffentliche Seite und somit eine Verpflichtung“, heißt es im Vorwort des 71 Seiten starken Druckwerks, das die Räte am Dienstagabend intensiv und kontrovers diskutierten.

Klar ist: Die Gestaltungsfibel respektive die in ihr enthaltenen Vorgaben werden nur für jene Bauherren verbindlich, die über die LBBW Immobilien Kommunalentwicklung (KE) ein Grundstück aus Kommunalbesitz erwerben. Nur diesen kann die Gemeinde Grenzach- Wyhlen derartige Vorschriften machen. Private Grundstücksbesitzer, die ihre Parzellen im „Kapellenbach- Ost“ behalten haben, um sie selbst zu bebauen, sollen die Fibel aber zumindest als „Anregung“ erhalten. Sie müssten sich ansonsten nur an die Vorgaben des Bebauungsplans halten, wie es von Verwaltungsseite hieß.

Im Gemeinderat zeigte man sich dem Papier gegenüber durchaus gespalten. Zwar wird die Existenz der Fibel begrüßt und auch die Intention, ein Wohngebiet aus einem Guss zu schaffen. Die eine oder andere kritische Wortmeldung gab es aber dann doch quer durch alle Fraktionen. Mal ging es um aus Kritikersicht zu enge Vorgaben etwa bei der Farb- oder Fassadengestaltung, dann stand auch mal die Sinnfrage selbst im Raum. Denn Regeln, die man weder kontrolliert noch durchsetzt, werden – so lernt das Auge beim Gang durch quasi jedes Baugebiet – früher oder später aufgeweicht, ignoriert oder „vergessen“. „Wir wollen mit dieser Fibel niemanden gängeln, sondern ein harmonisches Quartier entwickeln“, fasste Bürgermeister Tobias Benz zusammen.

In Richtung von BUND-Sprecherin Irene Blaha sagte Stadtplaner Knut Maier (Büro Baldauf, Stuttgart), dass man zwar nicht alle alten Bäume im derzeit überwiegend landwirtschaftlich genutzten „Kapellenbach-Ost“ werde erhalten können. Mit Verweis auf die geplanten drei Grünzüge im Wohngebiet „machen wir aber keineswegs Tabula rasa“. Vielmehr gebe es für die Bauherren via Gestaltungsfibel sogar einige „Pflanzzwänge“.

Maier zufolge ruht der Fokus der Gestaltungsfibel „auf einem gemeinsamen Nenner“, um im Neubaugebiet „ein buntes Sammelsurium aus Fertighäusern“ zu verhindern. Wo stehen Einfamilienhäuser, wo Reihen- und wo Kettenhäuser? Wohin kommen die Wohnblöcke, das Seniorenzentrum und die „Mitte“? All dies ist für den „Kapellenbach-Ost“ – das derzeit größte projektierte Baugebiet im Landkreis Lörrach – bereits genau festgelegt. „Und da wollen wir eben keinen Wildwuchs, sondern eine harmonische Gestaltung drumherum“, erläuterte Maier im Gemeinderat.

Bepflanzung mit standortgerechtem Grün, hier Sattel-, dort Flachdächer, möglichst einheitlich gestaltete Fassaden nach fixen Vorgaben: Auf 71 Seiten findet sich vieles, was die Bauherren (auf bisher kommunalen Grundstücken) dereinst werden beachten müssen. „Und trotzdem glaube ich, dass davon in zwei, drei Jahren wieder einiges Makulatur ist. Dann ist vielleicht mal der nach Vorschrift gepflanzte Baum oder Strauch kaputt, und dann kommt halt doch ein Kirschlorbeer hin. Wozu macht man dann mit viel Aufwand eine Gestaltungsfibel?“, warf Grünen-Fraktionssprecherin Annette Grether nachdenklich ein. Woraufhin Bürgermeister Benz einräumte: „Ja, eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.“

Deutlich entschlossener äußerte sich dazu Heinz Intveen. Zu Grether gewandt sagte der Sozialdemokrat: „Es ist gut, dass es diese Vorgaben gibt. Ich halte es für wichtig, dass wir damit einige Akzente setzen und später dann auch dafür sorgen können, dass sie eingehalten werden.“

In Beton gegossen sind die Details der Gestaltungsfibel für das Neubaugebiet jedoch noch nicht. Die Gemeindeverwaltung will nun Rückmeldungen aus den Fraktionen sammeln und sie dann in den Gremien behandeln.

Erschließung ab Ende Jahr

Wie es mit der Realisierung des in Abschnitte aufgeteilten Baugebietes zwischen Serrnussweg und „Am Wasserkraftwerk“ weitergeht, nimmt derweil konkretere Formen an. In einem Schreiben der KE an potenzielle Grundstücksinteressenten, welches unserer Zeitung vorliegt, heißt es unter anderem: „Ziel ist es, Ende dieses Jahres mit den Erschließungsarbeiten des ersten Bauabschnittes zu beginnen. Nach derzeitigem Stand wird voraussichtlich Ende 2022 mit der Bebauung der Grundstücke begonnen werden können. Mit den Hochbaumaßnahmen im Bauabschnitt 2 ist ein Beginn etwa 2025, im Bauabschnitt 3 voraussichtlich 2027/28 möglich.“

Sozialen Kriterien

Für die Grundstücke, welche die KE im Auftrag der Gemeinde von den ursprünglichen Eigentümern erworben hat, wird „ein transparentes Vergabeverfahren“ angekündigt. Insbesondere bei den Einzel-, Doppel- und Reihenhausgrundstücken solle die Grundstücksvergabe nach sozialen Kriterien erfolgen, um beispielsweise junge Familie beim Eigentumserwerb zu unterstützen, schreibt die KE. Dieses Vermarktungs- und Vergabekonzept werde derzeit ausgearbeitet und solle bis Ende des Jahres im Gemeinderat beschlossen werden, heißt es weiter. Die Vergabe der Grundstücke für den ersten Bauabschnitt solle im zweiten Halbjahr 2021 erfolgen.

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