Grenzach-Wyhlen Untergehen im Pointen-Hagel

Die Oberbadische
„Immer ich!“: Ingo Börchers befasste sich einen Abend lang mit allen Facetten des menschlichen Egos. Foto: Manfred Herbertz Foto: Die Oberbadische

Kabarett: Ingo Börchers bombardiert das Publikum im Wyhlener TIZ

Grenzach-Wyhlen (mh). „Halt ein, lass mich mal Luft holen“, möchte man dem immerhin 1,72 Meter hoch gewachsenen Mann auf der Bühne zurufen. Doch Ingo Börchers kennt keine Gnade. In einem irrwitzigen Tempo bombardiert er sein Publikum zwei Stunden lang mit tiefsinnig Hintersinnigem, mit wohldurchdachten Kalauern und konfrontiert die Menschen im vollbesetzten Theater im Zehnthaus (TIZ) am Sonntagabend mit jeder Menge „Ich“.

Zurücklehnen und durchschnaufen? Fehlanzeige! Börchers lässt einem dazu keine Chance. Es ist ein Wortakrobat, der dort oben steht, scheinbar beiläufig und mit einer Unschuldsmiene, als könne ihn kein Wässerchen trüben, sinniert er über die Egomanie, die in die Welt gekommen ist. „Hier sitzen 50 Iche, oder sind es 49 Dus oder Sies und nur ein Ich?“, fragt der Daniel Düsentrieb des deutschen Kabaretts in die Runde. Schnell noch ein Selfie geschossen, dann aber ab ins Fitnessstudio zur Selbstoptimierung, denn der Selfiestick hat die Walkingstöcke als Instrument der Selbstverwirklichung abgelöst.

Authentisch sein – das ist der Imperativ dieser Tage; erfolgreich an der Marke des eigenen „Ich“ arbeiten, sich selbst in die Mitte rücken. Börchers entlarvt den Selfiewahn als Selbstdarstellungswahn, dessen Credo lautet: „Immer ich!“.

Börchers hastet durch die Un-Tiefen der Gesellschaft, macht sich so seine Gedanken über Verbindlichkeiten im Smartphone-Zeitalter. Das Handy hat das Gerüst der Verbindlichkeit durchbrochen, und an die Stelle der Verbindlichkeit ist die Erreichbarkeit getreten. Das Tempo, in dem wir leben, ist dem 42-Jährigen fast zu schnell. Abkürzungen auf dem Handy sind ihm fremd, und zwerchfellerschütternd postuliert er, was die Teenies so durch die Gegend posten. Er klärt auf, dass „BseMöKuBibaBu“ „Bin so einsam, möchte kuscheln, bis bald Bussi“, bedeutet.

Oder was ist Deutschland? Deutschland ist das Land der begrenzten und unbegrenzten Unmöglichkeiten, das ist Frankfurter grüne und Dresdner braune Soße. Minutenlang stellt der Kabarettist das gegenüber, was landläufig unser Land ausmacht. Zeit zum Luftholen? Fehlanzeige. Kaum, dass sich eine Pointe im Hirn festgesetzt hat, wird sie schon von der nächsten wieder überrollt.

Börchers schlägt den Bogen von Freud, dem Couch-Potato der Psychoanalyse, Erfinder der Trieblehre und dem Förderer der Polsterindustrie, über Frisch und Fromm bis hin zu Sartre und setzt sich mit Es – Ich und dem Überich auseinander.

Zum Ende seines Programms klingen bei aller Satire ernsthafte Töne an, verpackt in Banalitäten wie die Political Correctness, in der aus dem Zigeuner- ein Balkanschnitzel wird und aus einem Armen Ritter ein Wehrdienstleistender aus prekären Verhältnissen.

Ingo Börchers beeindruckt mit Sprach-, Wortwitz und Tempo, die Pointen lassen sich gar nicht zählen. Sie prasseln auf den Zuschauer nieder, und wenn auch nicht jede im Gedächtnis hängenbleibt, bleibt der Eindruck eines höchst intelligenten und unterhaltsamen Kabarettabends. Man möchte Ingo Börchers hinterherrufen: „Junge, komm bald wieder!“

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