Grenzach-Wyhlen War das Konstrukt legal?

Die Oberbadische
Der Zoll schaut auf Baustellen regelmäßig genauer hin. Foto: Archiv Foto: Die Oberbadische

Gericht: Ex-Geschäftsführer einer Baufirma könnte Verbotsirrtum unterliegen

Zur Hauptverhandlung gegen den 61 Jahre alten ehemaligen Geschäftsführer einer inzwischen liquidierten Baufirma aus Grenzach-Wyhlen ist am zweiten Verhandlungstag einer der rumänischen Bauarbeiter als Zeuge erschienen. Der Vorwurf gegen den 61-jährigen Geschäftsführer lautet auf Beschäftigung von Scheinselbstständigen (wir berichteten).

Grenzach-Wyhlen (dr). Für Rumänen galt bis Ende 2013 keine Arbeitnehmerfreizügigkeit. Darum hatte der angeklagte Ex-Geschäftsführer jeden einzelnen Mitarbeiter als selbstständigen Gesellschafter in seine Firma aufgenommen und für jeden obendrein einen Gewerbeschein beantragt. Der rumänische Zeuge konnte vor Gericht anhand von Rechnungen belegen, dass er in der fraglichen Zeit 2013/14 auch für andere Auftraggeber als den Angeklagten tätig gewesen war. Für diesen Mann traf also der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit nicht zu.

Fiktive Steuern und Beiträge berechnet

Ein Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung berichtete, wie er mithilfe der Akten die Höhe der mutmaßlich hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge ermittelt habe. Er habe die Unterlagen, die der Zoll sichergestellt hatte, erst Ende 2016 übernommen, nachdem sein Vorgänger in Rente gegangen sei. Grundlage für die Berechnungen seien die an die angeblichen „Gesellschafter“ (gemeint sind die rund 40 rumänischen Mitarbeiter, welche alle einen eigenen Gewerbeschein in der Tasche hatten) ausgezahlten Beträge gewesen. Diese habe man dem Nettolohn eines gewerblichen Arbeitnehmers gleichgesetzt. Diesem Nettolohn habe man die fiktive Lohnsteuer nach Steuerklasse 6 und die fiktiven Beiträge für Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung hinzugerechnet. Von dem so ermittelten „Brutto“ habe man die gesamten Sozialversicherungsbeiträge – Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil – berechnet. So sei man auf die Summe von 508 128 Euro gekommen. Nach Angaben des Angeklagten betrugen alle Auszahlungen an die Gesellschafter nur 656 000 Euro.

Im Vorfeld der Firmengründung im Januar 2013 hatte der 61-Jährige Erkundigungen eingeholt, ob sein Geschäftsmodell mit rumänischen „Ein-Mann-Firmen“ zu beanstanden sei. Unter anderem fragte er bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Schopfheim nach. Diese verwies ihn damals an eine Rechtsanwältin innerhalb der IHK Konstanz. Als Zeugin konnte sich die Juristin, die für die Bereiche Recht und Steuern zuständig ist, an den konkreten Fall aber nicht erinnern. Auch das Gesicht des Angeklagten kam ihr nach sieben Jahren nicht bekannt vor.

Weitere Zeugenanhörung

Am Ende des Verhandlungstages gab der Verteidiger zu bedenken, ob sein Mandant nicht einem sogenannten Verbotsirrtum erlegen sei. Wenn er den Irrtum nicht erkennen konnte, so bliebe er straffrei. Hätte er den Irrtum vermeiden können, so fiele zumindest die Strafe deutlich geringer aus.

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Dietrich Bezzel will vor einer Beurteilung des im Raum stehenden Verbotsirrtums zunächst noch zwei Zeugen hören.

Weitere Informationen: Die Verhandlung wird am Montag fortgesetzt. Wir berichten weiter.

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