Grenzach-Wyhlen Wo Zukunft entsteht

Die Oberbadische

Sanierung auf der Zielgeraden: Mehr als die Hälfte des Roche-Teils der Keßlergrube ist ausgehoben

Mehr als die Hälfte des kontaminierten Erdreichs aus dem Roche-Teil der Keßlergrube ist mittlerweile ausgehoben und fachgerecht entsorgt worden. In ungefähr zwei Jahren soll diese deutschlandweit einzigartige Sanierungsmaßnahme beendet sein. Der Pharmariese meldet: „Halbzeit!“

Von Tim Nagengast

Grenzach-Wyhlen. Vertreter von Tageszeitungen und Radiosendern von beiderseits des Rheins waren vertreten, als Roche gestern zur Pressekonferenz ins Besucherzentrum der Keßlergrube bat. Mittendrin ein sichtlich gelöster Richard Hürzeler.

Zwar trägt der Gesamtprojektleiter der 238 Millionen Euro teuren Altlastensanierungsmaßnahme weder ein schwarzes Trikot am Leib noch hat er eine Schiedsrichterpfeife um den Hals, dennoch gibt er sich ganz sportlich und gutgelaunt. „Stimmt, so eine Pfeife hätte ich haben sollen“, lacht er.

Man spürt: Die Stimmung ist sehr gut bei allen Beteiligten, allen voran bei Roche als Auftraggeber und bei der Firma Bauer Ressources als Generalunternehmer. Unfälle gab es bisher keine zu beklagen. Und auch keine allzu großen Überraschungen, wie Sprecher Holger Büth, Richard Hürzeler und der technische Projektleiter Markus Ettner auf Nachfrage unisono bekunden.

Wären da nicht die paar historischen Haarwuchsmittel-Fläschchen, die das Erdreich beim Vollaushub im Baufeld „Nord“ freigegeben hat. Hürzeler hat sie sich gesichert. „Nicht, weil ich sie bräuchte“, lacht der Mann mit dem vollen, grauen Haarschopf. Einfach als Andenken an diese auch für ein Unternehmen wie Roche nicht alltägliche Baumaßnahme. „Es war damals bei uns eine feste Entscheidung: Wir machen das so. Komplett. Alles raus. Es ist eine große Aufgabe. Wir schaffen hier Zukunft“, schiebt Hürzeler nach.

Dann geht es rund für die Medienvertreter aus Deutschland und der Schweiz. Ein Blick auf den Sanierungsbereich steht an. Kurze Sicherheitsunterweisung, dann ab in die Gummistiefel, Schutzhelm auf, Visierbrille runter, Warnweste anziehen und den Mitarbeitern folgen.

Im Jahr 2020 ist alles vorbei

Vorbei geht es an mächtigen, erstaunlich wendigen Radladern mit übermannshohen Rädern sowie an gestapelten und havariesicheren Spezialcontainern – pro Stück in gefülltem Zustand jeweils 30 Tonnen schwer. Immer wieder kommt ein Lastwagen, nimmt einen Container auf und bringt diesen hinaus auf den eigens errichteten Schiffsanlager am Rheinufer. Dort rollt ein riesiger Kran heran. Auf Ketten wie ein Panzer. Satte 180 Tonnen wiegt dieses Ungetüm.

Wo man so einen Kran kauft? „Der hier wurde extra für diese Baumaßnahme entsprechend aufgebaut“, sagt Jochen Kaspar, Projektleiter bei Bauer Ressources, während der riesige Greifarm des stählernen Monstrums beherzt zupackt und einen Container punktgenau auf das Binnenschiff (Klasse V) verfrachtet. Dieses steuert später den Auhafen Muttenz oder das Pendant in Weil am Rhein an. Von dort geht’s weiter auf die Bahn und mit dieser zu thermischen Entsorgungsanlagen nach Norddeutschland oder in die Niederlande.

Auffällig: Der Geräuschpegel im ganzen Baustellenbereich ist relativ niedrig. Wie am Flughafen fühlt sich der Besuchertross aber dennoch. Und zwar im Schleusenbereich unter dem großen, luft- und schalldichten Hallendach über dem Sanierungsperimeter. Zwar bleiben Türen und Fenster nicht nur aus Druckgründen hermetisch verriegelt, ein Blick ins „Herz“ erhaschen lässt sich durch das staubige Glas allemal.

Bagger mit luftdichter Fahrerkabine schaufeln hier – im Baufeld „Nord“ – jenes Gemisch aus Erdreich, Gestein und Sünden der Vergangenheit aus der Tiefe hervor, mit denen Roche als „Erbe“ dieses Teils der Keßlergrube ein für allemal abschließen will.

Rund 51 Prozent der etwa 315 000 Tonnen verseuchten Bodens sind bereits herausgeholt. Im Jahr 2020 soll wieder Gras über Perimeter 1 der alten Haus- und Chemiemüllkippe wachsen. Darauf stehen könnte dann ein neues Gebäude von Roche – oder von jemand anderem. Noch hat sich der Pharmariese nämlich nicht entschieden, wie er das Grundstück in naher Zukunft entwickeln will.

Davor müssen erst einmal alle Baufelder ausgehoben und mit Material aus einem Steinbruch bei Minseln und von der Rheinauskiesung (Integriertes Rheinprogramm, „IRP“) aufgefüllt sein. „Dann werden wir sehen“, sagen die Verantwortlichen. Und bitten zu Tisch. Es ist Halbzeitpause.

180 TonnenGewicht des Krans zur Containerverladung

160 000 TonnenMenge des bereits entsorgten Erdreichs

155 000 TonnenMenge des zu entsorgenden Restaushubs

40Anzahl der pro Tag umgeschlagenen Container

30 TonnenGewicht eines gefüllten Containers

6131Anzahl der bisher verladenen Container

56Anzahl der Schifffahrten nach Muttenz und Weil

110 MeterLänge des Transportschiffs

126Anzahl der gefahrenen Züge zu den Entsorgungsanlagen

14 000 QuadratmeterFläche des Roche-Perimeters der Grube

52 000 QuadratmeterGesamtfläche der Keßlergrube

3Anzahl der Baufelder des Roche-Perimeters

4000Anzahl der Besucher des Informationszentrums

238 000 000 EuroGesamtinvestition von Roche

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