Bürgermeister Oliver Fiedel übergibt einen Korb an Winfried Kretschmann und Robert Habeck (von links) mit Todtnauer Bier, einem Glas und einer Bürste für die Computer-Tastatur. Foto: Verena Wehrle
Robert Habeck und Winfried Kretschmann waren am Freitag in Todtnau zu Besuch. Bei einer Wanderung an den Wasserfällen vorbei – ganz nach dem Geschmack der Grünen-Politiker – wurde auch über lokale Themen gesprochen.
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Da ist er also, der Vizekanzler, Bundeswirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen Robert Habeck. Heute trägt er kein Hemd mit Jackett, sondern einen beigen Strickpullover mit dunkelbraunem Muster. Eine Jacke braucht er nicht. Ganz leger eben. Am Freitagmorgen trifft er beim Kiosk am Wasserfall in Aftersteg ein. Kaum einer weiß davon, nur ein paar Medienvertreter und Landtags- und Bundestagsabgeordnete sind dabei sowie ein kleines Team aus Berlin. Mit einem strahlenden Lächeln und festem Händedruck begrüßt Habeck Ministerpräsident Winfried Kretschmann, mit dem er sich hier verabredet hat: „So schön dich zu sehen.“
Herzliche Begrrüßung zwischen Kretschmann und Habeck Foto: Verena Wehrle
Beide seien sich einig gewesen, dass sie sich mitten in der Natur treffen wollen. Es ist eine der Stationen auf Habecks kleiner Wahlkampftour durch Baden-Württemberg.
Habeck spricht den Schneemangel an
Über diesen hohen Besuch zeigt sich auch Todtnaus Bürgermeister Oliver Fiedel erfreut, bittet darum, ein paar Worte sagen zu dürfen und stellt die Stadt vor. Dabei zeigt er sich stolz auf den Wald, das Biosphärengebiet, den Tourismus und die Bürstenindustrie. Habeck hört interessiert zu, wirkt lässig mit den Händen in den Hosentaschen und blickt immer mal wieder in die Ferne, in die Natur.„Ist das jetzt die Normalsituation?“, fragt er in Bezug auf den Winter mit Blick auf die grünen Hänge von Aftersteg, auf denen nur noch weiter oben Reste von Schnee zu sehen sind. Themen wie Schneemangel, die schwierige Balance zwischen Beschneiung und Naturschutz für die Liftbetreiber werden angesprochen und auch daran erinnert, wie der Winter früher einmal war.
Bürste und Bier als Geschenke aus Todtnau
Dann überreicht Fiedel zwei Körbchen an Habeck und Kretschmann mit dem Todtnauer Bier, für das Stadtjubiläum gebraut aus dem Wasser der Todtnauer Tholusquelle, inklusive Glas und Bierdeckel. „Das trinke ich am Wahlsonntag“, sagt Habeck mit einem Grinsen im Gesicht. Auch über die Todtnauer Bürste für eine Computer-Tastatur freut sich der Vizekanzler. Dann ist es ihm „eine große Ehre und Freude“ sich in das Gästebuch der Stadt einzutragen.
Kretschmann war schon mal am Wasserfall
Nach dem vielen Händeschütteln und Blitzlichtgewitter der Kameras geht die Wanderung los. Bastian Kaiser, Rektor der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenbug, wurde von Kretschmann zum Termin bestellt und gibt dem Vizekanzler Auskünfte über den Wald. Viel bekommt man dann nicht mehr mit von den Gesprächen der Politiker. Habeck gestalte seine Wahlkampftermine immer gerene in Verbindung mit einem Spaziergang, ist später von seinem Pressesprecher zu hören. Erst ist es ruhig und entspannt. Und Habeck ist anzusehen, dass er die Natur genießt. Beim Wasserfall angekommen, geht das Gewusel und Gedränge aber los – jeder will ein Bild der Prominenz vor der schönen Kulisse des rauschenden Wassers im freien Fall.
„Ich war schon einmal hier mit meiner ganzen Familie“, erzählt Kretschmann im Gespräch mit unserer Zeitung. „Nur meine Frau hat sich nicht über die Hängebrücke getraut“, sagt er mit einem Schmunzeln. Dass es ihm hier gefällt, ist ihm anzusehen.
„Der ökonomische Druck auf Landwirte ist enorm“
Oben in Todtnauberg angekommen, stellt Christoph Huber, der ehemalige stellvertretende Geschäftsführer des Biosphärengebiets Schwarzwald, das Prinzip des Schutzgebiets vor mit dem Alleinstellungsmerkmal der Allmendweiden.
Christoph Huber berichtet über das Biosphärengebiet. Foto: Vernea Wehrle
Auch erzählt er über die Förderprojekte wie etwa eines für die Wasserversorgung der Landwirte. „Der ökonomische Druck für die Landwirte ist enorm“, sagt Habeck, er wisse dies als ehemaliger Landwirtschaftsminister. Ohne Mittel für den Naturschutz würde hier wohl so mancher Landwirt seinen Hof abgeben, so seine Einschätzung.
Habeck wirbt für autonomen Bus in Todtnau
Im Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Sarah Hagmann, der Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Lörrach-Müllheim, Jasmin Ateia, und der Bundestagsabgeordneten für den Wahlkreis Freiburg, Chantal Kopf, macht Bürgermeister Fiedel klar, dass er sich diesen Termin – trotz Kritik aus dem Rathaus – keinesfalls entgehen lassen wollte. „Das ist nicht nur Wahlkampf, ich sehe es auch als Chance, Themen anzusprechen“, so Fiedel. Und so tauscht sich der Bürgermeister mit dem Vizekanzler über die Verkehrssituation an der Hängebrücke aus und über seine Idee eines autonomen Busses, der mehrere Attraktionen in der Umgebung anfahren könnte. Das Thema kommt gut an – Habeck möchte Fiedel nun Kontakte weitergeben. „So etwas lohnt sich hier richtig und ist politisch gesehen für den ländlichen Raum super, bietet eine Mobilitätsgarantie“, so der Kanzlerkandidat zum autonomen Fahren. Auch Ortsvorsteherin Franziska Brünner kommt später dazu und sagt, dies sei auch für die älteren Bürger wichtig. „Ich kann nur versprechen, dafür in der Bundesregierung zu werben“, sichert Habeck zu.
Auch über das Besucherzentrum des Biosphärengebiets spricht Fiedel mit den Politikern. Das 15-Millionen-Projekt wird vom Land finanziert und sollte schon seit Jahren realisiert werden. „Dies muss unbedingt in den Doppelhaushalt 27/28 aufgenommen werden“, betont der Bürgermeister. Auch Hagmann habe sich immer wieder in den Ministerien dafür eingesetzt, wie sie sagt: „Das wäre ein toller Magnet für den Tourismus.“
Gruppenbild mit der Bergwacht. Foto: Verena Wehrle
Habeck tauscht sich auch mit Vertretern der Bergwacht Todtnauberg aus, die „wunderfitzig“ auf ihn gewartet hatten. „Ihr könnt mich ja vor dem Ministerpräsidenten retten“, scherzt er mit ihnen. Ein Scherz dort, ein Augenzwinkern dort und immer für ein Lächeln zu haben – der Vizekanzler gibt sich sehr nahbar. Wie der Robert von nebenan.
„Es war mehr gesprächsintensiv als konditionsintensiv“, blickt Habeck auf die Wanderung zurück. Tatsächlich aber bleiben die großen politischen Themen aus dem Wahlkampf außen vor.
Die „grüne“ Speisekarte: Fisch oder Kohlrabi
Beim anschließenden Essen im Gasthaus „Grüner Baum“, gibt es nach dem Selfie mit Inhaber Sebastian Albiez die Auswahl zwischen Fisch und Kohlrabifilet. Eben eine „grüne“ Speisenauswahl. Auch wenn Bürgermeister Oliver Fiedel sich lieber ein Steak vom heimischen Weiderind unter dem Kohlrabi gewünscht hätte, wie er scherzt, bleibt für ihn doch die Erinnerung an einen besonderen Tag mit einem wichtigen Austausch.
In seiner Tour durchs Land geht es für Robert Habeck am Abend weiter nach Freiburg, wo auf einer Parteiveranstaltung in der Messehalle die großen Reden geschwungen werden. Am Samstag steht Wahlkampf in Stuttgart an.
Mal zwei, mal vier Kanzlerkandidaten, mal Spitzenkandidaten der kleinen Parteien. Vom Duell bis zum Quadrell im TV, vor Bürgern, vor Kindern: Beeinflussen die vor der Bundestagswahl gezeigten TV-Duelle ihre Wahlentscheidung?