Die Handballerinnen des TV Brombach haben den Aufstieg in die 3. Bundesliga trotz einiger Unwägbarkeiten geschafft. Das darf man als kleine Sensation werten. Baumeister dieses Triumphs sind Coach Igor Bojic (36), der das Team im Sommer übernahm und zu einer echten Einheit formte, sowie sein Co- und Torwarttrainer, Presseverantwortlicher und Manager in einem, Andreas Storz (54). Mit dem Duo, das sich auch privat gut versteht, hat sich unser Sportredakteur Mirko Bähr unterhalten. „Schikurama schikuku“, das ist der Schlachtruf der Mannschaft. Was bedeutet das denn eigentlich" STORZ: Diese Wortkombination gibt es nicht. Das ist eine Kreation von Tatjana Weitner, als sie von Basel zu uns kam. Die Mädels wussten nicht, was sie sagen sollen. Dann wurde kurzerhand dieser Schlachtruf erfunden. Sie können auch gerne googeln, da werden Sie nichts finden. Was war die größere Sensation. Der EM-Titel für die deutschen Herren oder der Aufstieg des TVB" BOJIC: Beides war realistisch. Warum hat es denn der TVB geschafft" BOJIC: Weil wir gut sind (…lacht...). Aber jetzt im Ernst. Da kam vieles zusammen. Da gab es viele Puzzleteile, die zusammengeführt werden mussten. Da ist in erster Linie das Team. Aber auch die vielen Helfer im Hintergrund haben ihren Teil dazu beigetragen. Dieser Erfolg wäre ohne die tolle Unterstützung nicht möglich gewesen. Der Verein steht hinter uns und dem Aufstieg. Wie groß ist der Anteil des Trainers" BOJIC: Ich bin nur ein Teil des Ganzen und für das Sportliche zuständig. Andreas und ich mussten die richtige Balance finden. Wir mussten das Training so gestalten, dass der erwünschte Effekt herauskommt. Dass es jetzt in diesem Jahr schon geklappt hat, das haben Sie schon oft gesagt, ist unglaublich... STORZ: Man muss sehen, wo wir hergekommen sind. Vor der Runde kamen etliche Spielerinnen und auch der Trainer neu dazu. Da haben wir unheimliches Glück gehabt. Es hat toll geklappt. Warum hat das geklappt" Weil die Spielerinnen, die schon da waren, offen auf die Neuen zugegangen sind und mit ihnen gleich zusammengearbeitet und voll mitgezogen haben. Da wurde nicht gemosert. Uns in die Karten hat auch die Ausgeglichenheit der Liga gespielt. Auch da hatten wir Glück. In der Vorrunde haben wir mehr Punkte geholt, als wir uns ausgerechnet haben. So konnten wir die Probleme, die uns die Abgänge im Winter von Laura Poudziunaite und Sabrina Gruber bescherten - immerhin fehlten uns 60 bis 70 Prozent des Rückraums - kompensieren. Da sind die Jungen in die Bresche gesprungen. Mit dem absoluten Höhepunkt in Birkenau. Als beim Meister der Aufstieg perfekt gemacht wurde" STORZ: Das war der Gipfel. Da haben alle gezeigt, was sie können. Gerade unsere Eigengewächse. Nun gilt es, dieses Niveau als Standard zu etablieren. Gelingt uns das, dann haben wir es geschafft. Wie schwer war es" In Birkenau muss der Druck ja riesig gewesen sein. Wie haben Sie es geschafft, den Druck in positive Energie umzuwandeln" BOJIC: Ich hatte ein gutes Gefühl. Taktisch war ja alles klar. Wichtig war, dass man eine positive Stimmung verbreitet und den Spielerinnen klar macht, was alles möglich ist. Da ist es wichtig, dass man immer das Gute betont, die eigenen Stärken herausstellt, gerade wenn es gegen einen vermeintlich besseren Gegner geht. Da darf man nie deutlich machen, was nicht so gut ist. Als Beispiel: Unsere Stärke ist die Abwehr. Wir waren in dieser Hinsicht das beste Team der Oberliga. Wir kassierten 26 Tore im Durchschnitt. Das ist meiner Meinung nach zwar noch zu viel, aber das ist ein anderes Thema. Diese Stärke habe ich vor dem Birkenau-Spiel immer wieder hervorgehoben. In der Hinrunde haben wir in der ersten Halbzeit den Birkenauer Stil mitgemacht. Da stand es 16:16. Viele Tore, viele Fehler, viele Angriffe, viele Würfe. Wir starten 57,5 Angriffe durchschnittlich pro Spiel. Im ersten Match gegen Birkenau haben wir aber 63 Angriffe vorgetragen. Das war schlicht nicht unser Stil. Deshalb haben wir verloren. Das war im Rückspiel dann besser" BOJIC: Da haben wir unser Spiel gemacht und nur elf Tore in den ersten 30 Minuten kassiert. Bis zur 40. Minute gab es auch nichts zu meckern. Dann kam der weniger gute Teil. Aber bis dahin hatten wir schon einen großen Vorsprung herausgeworfen. Wichtig war, dass wir gleich von Beginn an parat waren. Birkenau stand schon als Meister fest. Dann haben wir ihnen schnell klar gemacht, dass es für sie nicht einfach wird. Ähnlich war es bei uns im letzten Heimspiel. Da gab es vor dem Match gegen Metzingen Blumen, Schokolade, es wurden Fotos geschossen. Der Gegner ist aber gleich volle Power gegangen. Was macht Igor Bojic aus" STORZ: Da fällt mir zuerst seine enorme Akribie ein. In dieser Liga ist es ja möglich, sämtliche Spiele auf Video anzuschauen. Mir wurde schnell klar, dass wir gegenüber den meisten anderen Teams einen wichtigen Vorteil haben. Igor durchleuchtet alles, macht sich eine Fülle von Gedanken, schreibt sich viel auf. Ich denke nicht, dass das jeder Trainer in der Oberliga so gemacht hat. Es hat ein bisschen gedauert, bis die Mädels das richtig angenommen und verstanden haben, was wir von ihnen wollen, wenn wir am Freitag ein Training anboten, das den kommenden Gegner im Fokus hatte. Wir haben uns eine Dreiviertelstunde Zeit genommen, um herauszustellen, wohin in vier von fünf Fällen der Pass gespielt wird. Das hatte Igor immer perfekt herausgearbeitet. Ich habe das ja schon immer gesagt: Sein Level liegt deutlich über dem Oberliga-Level. Das sieht man allein schon an der Entwicklung der Jungen. Ein Hauptgewinn war auch seine Frau Ana. Super waren auch die Leistungen von Mirela-Mirabela Roman oder Ramona Constantinescu, wenn sie im Spiel war. Was mich aber besonders beeindruckt, das ist die Entwicklung unserer Talente. Wenn man sieht, wie Nathalie Herzog oder Svenja Friedlin versuchen, die Vorgaben umzusetzen, Rebecca Dürr ja ebenso oder auch Tamara Trefzer, dann macht das Freude.BOJIC: Tamara hat ihr bestes Spiel in Birkenau gemacht …STORZ: Wichtig war, dass die Mannschaft von Tag zu Tag das konzentrierte Arbeiten immer besser angenommen hat, gesehen hat, dass es nichts bringt, nur 200 Mal auf das Tor zu bolzen. Bojic ein echter Glücksfall" STORZ: Natürlich. Deshalb habe ich mit ihm auch einen 30-Jahres-Vertrag abgeschlossen. Jetzt sind es nur 29. BOJIC: Das geht schnell... STORZ: Das muss man mal sehen. Er hat in diesem Jahr nicht nur viele Stunden für die Mannschaft investiert, sondern auch die Sprache gelernt, sich eingearbeitet im neuen Job, mit der Familie das neue Umfeld kennengelernt und parallel auch noch das neue Jugendkonzept herausgearbeitet. Das ist jetzt der nächste Schritt, den wir machen möchten. Wir wollen in der Jugend etwas aufbauen. Vereine wie Birkenau und Allensbach sind die Vorreiter für mich. Die sind super strukturiert. Der E-Jugend-Trainer weiß genau, was er seinen Schützlingen beibringen muss. Wenn diese in die D-Jugend wechseln, sollten sie dies und das können. Zudem geht Igor an seinem freien Tag in die Schule. Herr Bojic, wie haben Sie sich eingelebt" Fühlen Sie sich schon heimisch hier" BOJIC: Das war nicht schwer. Wir haben uns diesen Schritt ja genau überlegt, ich habe mir das Umfeld hier angeschaut, Spiele begutachtet, mir Notizen gemacht. Ich habe dann alles mit meiner Frau besprochen. Wir wussten so in etwa, was uns erwartet. Wichtig ist, dass man eine realistische Erwartungshaltung hat. Ich kann sagen, für uns ist es besser als erwartet gelaufen. Da gehört auch Glück dazu. Wir haben viele nette Menschen kennengelernt, die uns von der ersten Sekunde an unterstützt haben. Wir sind zehn Monate hier, haben den Pokal gewonnen und jetzt den Aufstieg geschafft. Aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Was macht Ihren Co-Trainer aus" BOJIC: Ich weiß nicht, wie oft wir schon zusammen im Auto gesessen sind und Spiele angeschaut haben. Wir sitzen oft zusammen, reden viel miteinander. Wir grillen gerne mit den Familien. Wir ergänzen uns sehr gut. Er weiß, wie es läuft, kennt die Brombacher Spielerinnen genau. Er erkennt schon viel früher als ich, was passieren könnte. Er kennt die Stärken und Schwächen und das Liga-System. Das alles schätze ich. Kreisen Ihre Gedanken schon um die kommende Runde" BOJIC: Ich befürchte, dass ich nicht ganz normal bin. Ich mache mir immer Gedanken. Ich habe auch schon ein paar Spiele in der 3. Liga gewonnen (…lacht..). Man muss realistisch sein, die Spiele dieser Liga nun genauer unter die Lupe nehmen, um zu wissen, wie groß der Unterschied ist. Die Sprachprobleme nehmen auch ab. Ihr Deutsch wird immer besser. BOJIC: Das wird vielleicht etwas einfacher. Aber das gilt auch für Ana, Mirabela, Romana oder Ivona. Manchmal ist es schon sehr schwer mit der Verständigung. Da geht es um Sekunden, es ist laut in der Halle, dann wird ein Spielzug angezeigt. Noch dazu spielt das Team nicht lange zusammen. Die Abläufe werden mit der Zeit immer besser, auch das Gefühl untereinander. Da muss man dann nichts mehr sagen. Es reicht eine Geste. Ich habe viele Jahre mit einem Rückraumspieler zusammengespielt, und ich wusste, dass, wenn er sich über den Bart streicht, der Ball zu mir kommt. Deshalb ist es wichtig, dass das Team vollzählig trainiert. Ich habe oft Konter mit geschlossenen Augen trainieren lassen. Die Mitspieler müssen wissen, wer einen großen Schritt macht, wer eher kleine. Dieses Gefühl kommt mit der Zeit. Wie schaut es mit Neuzugängen aus" STORZ: Wir haben zwei Neuzugänge fix gemacht. Das sind zwei wichtige Spielerinnen für uns. Chanel Mbiakop ist eine positiv Verrückte, steckt die anderen damit an. Sie kann fast auf allen Positionen spielen. Von Alizee Huntziger halte ich ebenfalls viel. Sie ist sehr jung, sehr engagiert und motiviert, läuferisch stark und auch in der Abwehr richtig gut. Beide sind sehr vielseitig und helfen uns weiter. Leider hat es aber auch schon zwei Absagen gegeben. Das ist schade, beide hätte ich sehr gerne gehabt. Gut sieht es bei einer Torhüterin aus. Es fehlen noch Dokumente und Papiere. Ich möchte mit drei Torhütern in die Saison gehen. BOJIC: Chanel hat schon um die 15 Einheiten mitgemacht, weiß also, was sie erwartet. Und aus der Zweiten kommt Maria Winzer" STORZ: Mit ihr sind wir im Gespräch, aber auch mit dem Trainer, Christian Weber. Beide Teams sollen sich annähern. Der Übergang soll fließend sein, beide Teams sich gegenseitig unterstützen. Beispielsweise soll eine Spielerin, die verletzungsbedingt pausieren musste, in der Zweiten Spielpraxis sammeln, um dann topfit der Ersten zu helfen. Mein Wunsch ist ein 16er-Kader, auch wegen der Flexibilität. Das wäre auch wichtig, weil ja auch die Reserve einige altersbedingte Abgänge verkraften muss. Insgesamt wollen wir es gemeinsam besser lösen. Es wird also weitere Neuzugänge geben" STORZ: Das geht jetzt, nachdem der Aufstieg feststeht, erst richtig los. Es bieten sich Spielerinnen von sich aus an. Abgänge gibt es keine" STORZ: Nach dem jetzigen Stand nicht. Schauen müssen wir, wie es mit Simona Laurito weitergeht nach ihrer schweren Schulterverletzung. Mo war sehr engagiert, sie hat uns sehr geholfen mit ihrer professionellen Einstellung. Ihr hat es auch richtig Spaß gemacht. Der Trainingsbesuch hat gestimmt, alle haben an einem Strang gezogen. Sie ist ja jetzt 24 + Jahre alt (...lacht...). Aber wenn alles gut läuft und sie wieder schmerzfrei ist, dann glaube ich, dass sie noch eine Saison dran hängt. Der Trainer hat auch keine Angst vor Liga drei" BOJIC: Ich habe nie Angst... STORZ: Also Angst wäre ja eh das Falscheste. Wir haben Respekt. Wir wissen ja auch, dass es mindestens ein Jahr zu früh ist nach dem Umbruch. Unsere Jungen sind jetzt erst in der Oberliga angekommen. Jetzt geht es aber gleich in die 3. Liga. Jetzt müssen sie eben zehn Prozent mehr herauskitzeln, im Trainer mehr machen, einen Zahn zulegen. So weit sind die Teams auch wieder nicht weg. Sie haben zwei, drei Spieler mehr, die überdurchschnittlich gut sind. Wir müssen uns schnell akklimatisieren. Wenn wir einen Start mit 0:12-Punkten hinlegen, fängt es zu rumoren an. Dann lässt die eine oder andere den Kopf hängen. Aber so akribisch, wie Igor vorgeht, habe ich keine Bedenken. BOJIC: Es ist ein Schritt nach vorne. Ich kann aber noch nicht sagen, wie groß der Unterschied ist. Wichtig wird das Umschaltspiel sein. Wir werden ein Konzept erarbeiten. Jede Spielerin muss wissen, was sie in den verschiedenen Situationen für eine Aufgabe hat. Da darf es keine Überraschung geben. Und wir müssen einen Plan B in der Tasche haben. Dafür benötigen wir Zeit, die hatten wir in dieser Runde nicht.