Hausen im Wiesental „Buchstaben sind wie Lebenslinien“

Petra Martin

Hausen: Die österreichische Besteller-Autorin Monika Helfer bekam am Hebeltag den Johann-Peter-Hebel-Preis verliehen

Hebelwetter – und das an Hausens höchstem Feiertag: Bürgermeister Martin Bühler, Einwohnern und Gästen war die Freude, an diesem sonnigen 10. Mai das Hebelfest zu feiern, ins Gesicht geschrieben.

Von Petra Martin

Hausen- Nach langer Corona-Pause liefen am Dienstag wieder die Vreneli und Hanseli, die Alten Mannen und Frauen durch den Ort – und Preisträgerin Monika Helfer sorgte mit der Wucht ihrer Rede – eine stets präsente Erinnerung an die Verstorbenen – für einen grandiosen Schlusspunkt des Hebelfests.

Kanonenschüsse kündigten das Eintreffen der Festgäste an, die von den Umzugsteilnehmern, allen voran Bürgermeister Martin Bühler, am Bahnhof abgeholt wurden.

Farbenfroher Umzug zur Festhalle

Claudia Rose, Ministerialdirigentin im Stuttgarter Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, erinnerte nach dem farbenfrohen Umzug zur Festhalle an die Ideale der Aufklärung, Toleranz und des friedvollen Zusammenlebens, für die Johann Peter Hebel eingetreten sei.

Diese Prinzipien würden bedauerlicherweise in einigen Ländern Europas, auch in Deutschland und in Frankreich, seit einiger Zeit in Frage gestellt werden, und der Angriffskrieg gegen die Ukraine lasse die Menschen fassungslos zurück.

Hebels Lebensweg von Armut und Schicksalsschlägen geprägt

Die Werke der Schriftsteller spiegelten die Themen wider, die die Gesellschaft bewegten. So sei es beim heimatverbundenen Hebel gewesen, dessen Lebensweg von Armut und Schicksalsschlägen geprägt gewesen sei, und so sei es bei der österreichischen Schriftstellerin Monika Helfer, die ungewöhnliche Schicksale von Außenseitern schildere und dabei Vorarlberg bekannt gemacht habe, wo sie in schwierigen Familienverhältnissen aufwuchs. Monika Helfer werfe in ihren Büchern „einen unverfälschten Blick auf die Alltagswelt einfacher Leute“ – „eine bereichernde Lektüre“.

Schmerzhafte Erinnerungen, Familie, Herkunft – das ist Lebenserfahrung, aus der Literatur wird: Der österreichische Literaturwissenschaftler Sigurd Scheichl zeichnete in seiner Laudatio das Bild einer Schriftstellerin, die in ihren drei autobiografischen Romanen („Die Bagage“, „Vati“ und „Löwenherz“) das Thema Kindheit in den Mittelpunkt stellt, das Leiden an den Eltern. Erzählt aus dem Blickwinkel des Kindes, eröffnet sich ein Entdeckungspfad, ein Zugang zur Außenseiterwelt. „Kindheitsperspektive ist die Perspektive der Erinnerung“, so Scheichl.

„Chronistin des Jahrhunderts“

Preisträgerin Monika Helfer vom Bregenzerwald gilt als „Chronistin des Jahrhunderts“. „Ich kenne in der Literatur kaum andere Versuche, individuelle Geschichte, Familiengeschichte und Gesellschaftsgeschichte so miteinander zu verflechten, wie es in diesen drei Büchern gelungen ist“, unterstrich Professor Scheichl.

Dass Außenseitertum auch etwas Fruchtbares sei, zeige das Beispiel Monika Helfers, denn es führe zu außergewöhnlichen Leistungen. Wenn man die Werke Monika Helfers lese, spüre man eine „unbändige Freude am Erzählen“ – hier lasse sich wieder eine Brücke zu Hebel schlagen. Abgesehen davon, dass bei ihr das Alemannische immer präsent sei – und sei es, weil man „Apfelküchlein“ esse.

Unbändige Freude am Erzählen

Und dann trat Monika Helfer auf die Bühne und hielt ihre Dankesrede – ein Einpersonenstück, wie es fesselnder nicht sein könnte. Sie, die gerade dabei war, eine weiße Kamelie umzutopfen, als sie von ihrer Auszeichnung erfuhr, eine Pflanze, so empfindlich wie ein Künstler. Die fast das ganze Leben geschrieben hat, die sich ständig alles aufschreibt, die hinter einem Gesicht eine eigene Geschichte sieht und dann mit Einbildungskraft („das ist ein besseres Wort als Fantasie“) Literatur hervorbringt. Denn: „Buchstaben sind wie Lebenslinien.“

Sie, die mit Hebel gemein hat, zur kleinen Form des Erzählens zu neigen, die sich der Erinnerung nicht entziehen kann in ihrem Leben, in dem den Toten nachgespürt wird und in dem die Toten immer präsent sind: der Bruder, der sich mit 30 Jahren umbrachte („Löwenherz“, ihr neuestes Buch), die Mutter, die sie verlor, als sie elf Jahre alt war und deren schneeweiße Schürze sie niemals vergisst, und ihre Tochter, die bei einem Bergunfall starb – und ihr heute noch zuwinkt.

Zahlreiche Festgäste

Alle waren gekommen: Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer, Landrätin Marion Dammann, Vertreter von Ministerien, der Partnergemeinden aus der Schweiz und aus Thüringen, des Hebelbundes, des Bundes Heimat und Volksleben, des Schwarzwaldvereins und der Muetersproch-Gsellschaft, vom Hanser-Verlag, in dem Monika Helfers Bücher erscheinen, der Jury und Hebelkommission, von Politik und Kirche und weiteren Bereichen des öffentlichen Lebens sowie etliche Hebel-Plakettenträger hatten sich in der Festhalle zusammengefunden, in der Sebastian Mattmüller, Präsident der Basler Hebelstiftung, die Hebelbüchlein sowie die Braut- und Lehrlingsgaben übergab (wir berichten noch).

Die Hebelmusik und ein Gesangsensemble der Musikschule Mittleres Wiesental umrahmten den Festakt, bei dem auch Helfers Ehemann Michael Köhlmeier mit von der Partie war – er hatte den Hebelpreis 1988 verliehen bekommen.

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