Hausen im Wiesental „Hebel ist auch ein Lebenshelfer“

Jürgen Scharf

Hebelplakette: Auszeichnung geht an Thomas Schmidt / Literaturmuseum Hebelhaus konzipiert

Hausen  - Mit Thomas Schmidt, dem Leiter der Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg, ist ein ausgewiesener Hebelianer zum Hebelplakettenträger 2020 gekürt worden. Der 56-Jährige hat eine tiefe Verbundenheit zum Literaturmuseum Hebelhaus in Hausen, das er vor zehn Jahren neu und modern konzipierte.

Die Hebelkommission würdigt ihn mit dieser Auszeichnung für die gute Vernetzung und Präsenz des Hebelhauses im literarischen Leben und für sein engagiertes Eintreten für Hebels Werk.

Lieben und schätzen gelernt hat der Literaturkenner den alemannischen Dichterfürsten durch dessen alemannische Gedichte, vor allem „Die Vergänglichkeit“. Das große philosophische Gedicht hat Schmidt absolut in Bann gezogen. Nicht von ungefähr wird daher den von Goethe und Jean Paul gefeierten alemannischen Gedichten im Hebelhaus viel Raum gegeben. Mit seinen Gedichten habe Hebel seinen Herkunftsraum, das Wiesental, „abgetastet“, sagt der in der Nähe von Marbach am Neckar lebende Schmidt. Gebürtig ist er aus Meißen bei Dresden, was man seinem Tonfall anhört, auch wenn der Sachse Hebelverse bestens auf alemannisch rezitieren kann.

Zu Hausen und zu Johann Peter Hebel hat Schmidt eine besondere Beziehung. „Ich bin immer mit Hebel unterwegs, dazu ist mir Hebel einfach wichtig.“ Hebel sei im Badischen ohnehin, aber auch in der deutschen Literatur, einer der wichtigsten Autoren, in der Art, wie er mit Sprache umgegangen sei: „Ein Autor, den man, auch wenn man nicht Schriftsteller ist, aber viel schreibt, sich immer zum Vorbild nehmen kann.“

Hebels kluge Art der Gelassenheit, das zu akzeptieren, was man nicht ändern könne und in gewisser Weise den Abgrund immer zu sehen (es gebe ja von Hebel Geschichten vom Abgrund, so Schmidt), ist für den sächsischen Hebelfreund etwas, was uns in der Corona-Zeit Mut machen könne: „Johann Peter Hebel ist eben auch ein Lebenshelfer.“

2007/2008, anlässlich des großen Hebeljubiläums, als der Literatursommer im Land Hebel gewidmet war, kam in der Gemeinde Hausen der Wunsch auf, das frühere Heimatmuseum anders und innovativ zu gestalten und als Literaturausstellung vielfältig zu vernetzen. Dieser Aufgabe hat sich Thomas Schmidt mit großer Leidenschaft und viel Kenntnis gewidmet: „Hebel ist im Ort verwurzelt und wir machten ein Literaturmuseum, das in den Ort passt.“ Es war seine zweite Museumskonzeption nach dem Schiller-Geburtshaus in Marbach, und daraus hat sich eine bis heute nachwirkende lebendige Hebelvermittlung entwickelt. Eine, in die der „besondere Charme“ und die „symbolische Funktion“, die das Hebelhaus ausmachen, mit einfließen.

„In dem radikalen kulturellen Umbruch, in dem wir leben, ist es ganz wichtig, diese Tradition auf neue Weise zu vermitteln,“ sagt Schmidt, der sich für eine moderne Hebelpflege ausspricht, die die Tradition vor Ort (oder was man früher Brauchtum genannt hat) nicht ausschließen dürfe. Daher plädiert er für eine Hebelvermittlung, die „in die Zukunft weist und die Geschichte mitnimmt“.

Das 2010 gestaltete Literaturmuseum und Hebels Bedeutung für das Land hat Potenzial für pädagogische Modellprojekte und Lernangebote. Folglich ging das von Schmidt angestoßene Projekt „Das Literaturmuseum Hebelhaus als innovativer außerschulischer Lernort“ neue Wege in der Kooperation mit Schulen. Unter dem Stichwort „Lernort Literaturmuseum“ versteht Schmidt die Einbindung des Literaturmuseums in den Schulunterricht. Er erarbeitete ein pädagogisches Programm, um das Hebelhaus fest in die Lehrpläne einzubinden und für die nachwachsenden Generationen zu erschließen.

Auf der von ihm betreuten Webseite „Literaturland Baden-Württemberg“ findet sich die auf 120 Hefte angewachsene bibliophile Reihe „Spuren“, die Schmidt herausgibt. Das Heft Nr. 90 „Johann Peter Hebel und der Belchen“ (2011), das schnell vergriffen war und bereits in zweiter Auflage erschienen ist, thematisiert die beiden für die damalige Zeit ungewöhnlichen Bergwanderungen des Dichters.

Thomas Schmidt hat auch literarische Radwege mit dem schönen Titel „Per Pedal zur Poesie“ konzipiert. Radweg Nr. 6 führt von Lörrach, ausgehend vom dortigen Hebeldenkmal, das Wiesental hoch über Schopfheim nach Hausen und rüber zum Rhein bis in die Scheffel- und Trompeterstadt Bad Säckingen. Diese literarische Fahrradtour hat Thomas Schmidt selber schon acht Mal unternommen.

Dieses Jahr hält den Literaturfachmann indes nicht so sehr Hebel, sondern Hölderlin auf Trab. Schmidt ist Koordinator des Hölderlin-Jubiläumsjahrs zum 250. Geburtstag des Dichters, das im Schatten der Corona-Krise steht und ins nächste Jahr verlängert wird. Zur Zeit arbeitet Schmidt unter anderem an einer Mörike-Ausstellung. Auch bundesweite Projekte tragen seine Handschrift. So hat er das Haus von Hermann Hesse in Gaienhofen gestaltet, das Haus von Ernst Jünger kuratiert und ist beim Goethe-Haus in Weimar beratend tätig, ebenso beim Karl-May-Museum nahe Dresden.

Die Auszeichnung mit der von der Gemeinde Hausen verliehenen Gedenkplakette findet Schmidt „ganz wunderbar“. Zwar bekomme er viel „positives Feedback“ für seine Arbeit im Land, vor Ort und überregional, aber Johann Peter Hebel sei ihm so ein wichtiger Autor, „da bin ich auch mit dem Herzen dabei“.

Als er die Nachricht von Bürgermeister Martin Bühler übermittelt bekam, habe er sich „ungemein gefreut“: „Ich wüsste gar nicht, worüber ich mich mehr freuen könnte als über die Hebelplakette.“ Dass die Arbeit am Hebelhaus anerkannt wird, und nach zehn Jahren noch so nachhaltig wirke, sei sehr schön: „Diese Auszeichnung ist mir sehr viel wert, weil sie zeigt, dass unsere Arbeit Früchte trägt“.

Während die Verleihung des Hebelpreises auf Mai 2021 verschoben ist, soll die Hebelgedenkplakette bei einer gesonderten Veranstaltung im Herbst dieses Jahres überreicht werden – je nach den dann bestehenden Regelungen für Veranstaltungen. Am liebsten würde der Geehrte ein Gespräch mit Literaten und früheren Plakettenträgern wie Markus Manfred Jung machen: „Ich bin zu allem bereit“, sagt Thomas Schmidt, der auch noch andere, persönliche Pläne in Hausen hegt.

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