Hausen im Wiesental Hebel ist große Poesie

Markgräfler Tagblatt
Hebel-Fan Florian SeiberlichFoto: zVg Foto: Markgräfler Tagblatt

Interview: Der Hausener Florian Seiberlich hat Hebel-Gedichte auf CD vertont

Regio. Am Sonntag wäre das große Hebel-Fest in Hausen. Abgesagt – wegen Corona. Gerade jetzt wollte der in Schopfheim geborene und in Hausen aufgewachsene Textilingenieur und Musiker Florian Seiberlich seine neue CD „Es gfallt mer nummen eini“ vorstellen, die Ende 2019 erschienen ist und bereits im SWR Studio in Tübingen live vorgestellt und besprochen wurde. Darauf sind elf von ihm vertonte, arrangierte und gesungene Hebel-Gedichte. Über Hebel, seine Modernität und die Art der musikalischen Annäherung unterhielt sich Gabriele Hauger mit Florian Seiberlich.

Frage: Eine Hebel-CD mit alemannischen Liedern. Wie passt das ins Jahr 2020?

Hebel passt in jede Zeit. Seine Botschaften sind zeitlos. Sein Menschenbild tut jeder Zeit gut. Hebel ist keinesfalls altertümlich, sondern das Gegenteil. Für mich ist es immer eine Wohltat, mich mit seinen Kalendergeschichten zu beschäftigen. Seine Gedichte haben ihre eigene Melodie. Sie sind an kein Jahr, an keine Zeit geknüpft. Hebel passt immer, vielleicht auch ganz besonders in das Jahr 2020, angesichts der derzeitigen Corona-Krise. Er hilft uns, den Blick auf das Wesentliche wiederzufinden.

Frage: Hebel hat Sie durch Ihre Kindheit und Jugend begleitet. Ist das typisch für einen Hausener, Jahrgang 1965?

In Hausen gibt es ja – normalerweise – alljährlich das Hebelfest. Das startet um sechs Uhr morgens mit Böllerschüssen, da wird das ganze Dorf geweckt. Alle Kinder sind mit der Hebelmusik unterwegs, ein Riesenspaß. Parallel dazu war Hebel immer ein Thema: im Kindergarten, in der Schule, bei kleinen Aufführungen, zumindest zu meiner Zeit. Ich denke, das ist weitgehend unverändert bis heute so, dass Hebel hier in der Regio eine enorme Präsenz hat und gepflegt wird.

Frage: Als Erwachsener verließen Sie Hausen, leben jetzt in Tübingen. Wann drängte sich Ihnen als Musiker Hebel wieder auf?

Beruflich bin ich viel unterwegs. Die Kalendergeschichten – klein und praktisch – hatte und habe ich immer in meinem Reisegepäck. Hebel ist ein Meister dieses kleinen Formats. Vor ein paar Jahren hatte ich seine Gedichte vor der Nase und eine Gitarre in der Hand. Da ist plötzlich und aus dem Bauch heraus ganz viel passiert. Ich merkte schnell, dass in den Gedichten viel Melodie drinsteckt. Aus Neugier habe ich mich intensiver mit den Texten beschäftigt. Das alles hat sich so selbstverständlich angefühlt. Irgendwie war die Zeit reif für diese Lieder.

Frage: Existieren bereits Vertonungen zu Hebel?

Ja, die gibt es. Das weiß ich von meinen Eltern, die im Chor auch schon Hebel gesungen haben. Ich habe diesbezüglich recherchiert, allerdings nicht viel gefunden. Bei meinen musikalischen Interpretationen habe ich mich auf mein Gefühl verlassen.

Frage: Sie wollen Hebels Gedichte zum Klingen bringen. Welche haben Sie ausgewählt und nach welchen Kriterien?

Mir ging es darum, Lieder zu schreiben, die auch tatsächlich gesungen werden können. Deshalb habe ich schon allein von der Länge her eine Auswahl treffen müssen. Außerdem war das Versmaß entscheidend. Und ob es Gedichte sind, die mich ansprechen, bei denen mir eine Melodie quasi entgegen springt. Einige Gedichte habe ich gekürzt und verändert, damit sie als Lied funktionieren können.

Frage: Wie haben Sie sich musikalisch an Hebels Poesie angenähert?

Ich komme von der Gitarre und habe da schon zahlreiche Stationen hinter mir: von der Schopfheimer Schülerband „No name“ über verschiedene musikalische Projekte, welche sich immer mehr weg von der E-Gitarre und hin zur Akustikgitarre entwickelt haben. Am meisten geprägt hat mich hierbei sicherlich der amerikanische Songpoet James Taylor. Alle Lieder, die ich bisher geschrieben habe, auch vor der Hebel-CD, kommen über die Gitarre. Mitgewirkt hat zudem mein Freund und Kontra-Bassist Guido Jäger, der unter anderem mit Giora Feidmann spielt und der mich schon bei meiner Kinderlieder-CD „Traumvogel“ unterstützt hat. Er spielt eine wichtige musikalische Rolle und untermalt meine Arrangements grandios. Gitarre, Gesang und Bass sind das Rückgrat der Lieder. Ergänzt durch die Percussion von meinem peruanischen Freund Jorge Olivos-Blomberg mit Conga, Djembe und Cajon.

In dieser Besetzung können alle Instrumente atmen, sie zeigen Charakter und Körperlichkeit, so wie es die Hebel-Gedichte einfordern. Der Stil ergibt sich aus den Gedichten selbst, aus deren Inhalten. In Bezug auf „Musik“ Ich bin grundsätzlich sehr offen und höre mir eigentlich alles an, sofern es gut ist. Bei meinem Hebel-Projekt waren für mich alle Melodien und auch die Arrangements in den Gedichten ganz deutlich zu spüren. Eigentlich musste ich nur ganz genau „hinhören“.

Frage: Die CD-Vorstellung in der Heimat hätte jetzt Fahrt aufnehmen sollen. Welche Auswirkungen hat Corona auf Sie als Mensch und als Musiker?

Wir haben die CD noch vor Corona bei SWR 4 vorgestellt. Ein schöner, stimmungsvoller Abend mit vielen Zuhörern, die eigentlich gar keinen Bezug zu Hebel und zum Alemannischen haben, die aber ganz und gar ergriffen waren. Ich denke, die Botschaft ist angekommen. Ich hätte am 2. Mai beim Hebelabend gespielt, weitere Termine waren geplant. Das ist jetzt erstmal alles verschoben. Zum Glück lebe ich ja nicht von der Musik. Corona bedeutet für mich wie für viele andere Home Office. Die Musik und das Selberspielen ist da eine enorme Bereicherung, gerade in dieser Zeit. Angedacht ist, dass ich vielleicht im Herbst in Hausen auftreten kann. Denn Live-Konzerte sind eben doch immer ein ganz besonderes Erlebnis.

Frage: Welches ist Ihr Lieblingsgedicht von Hebel und warum?

Auf ihre Art und Weise finde ich alle schön. „Das Liedlein vom Kirschbaum“ ist einfach wunderbar: Wie Hebel einen hier durch das ganze Jahr führt, mit welcher Anschaulichkeit, dabei aber jenseits jeglicher Klischees, immer mit dem Bezug zum Thema Vergänglichkeit, aber ganz ohne Bedrohlichkeit. Ich finde es auch genial, wie Hebel in „Auf den Tod eines Zechers“ einen gutmütigen und respektvollen Blick auf diesen Trinker wirft. Da steckt ganz viel vom Hebel’schen Menschenbild drin. Das Gefühl, unglücklich verliebt zu sein wie in „Das Hexlein“ beschrieben, ist wunderbar getroffen. Ganz schön ist auch „Hans und Verene“, auf dessen Schilderungen die Hausener Tracht basiert. Hebel-Klassiker wie „Die Vergänglichkeit“ oder „Die Wiese“ sind von mir indes aufgrund ihrer Länge und ihrer Komplexität nicht vertonbar. Das sind ganz große Gedichte; da steckt alles drin, was der Mensch braucht. Hebel ist einfach große Poesie. Im SWR4 wird am Sonntag, 10. Mai, 21 Uhr, im Rahmen der Sendereihe „Mundart & Musik“ die Sendung zur CD-Vorstellung im SWR Studio vom Dezember 2019 ausgestrahlt.

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