Hausen im Wiesental „Wir werden in die Infrastruktur investieren“

Markgräfler Tagblatt

Interview: Bürgermeister Martin Bühler über Bauprojekte, Corona und die Zunahme von Ich-Bezogenheit

Hausen (hp). Kein Jahr wie jedes andere war 2020. Die Corona-Pandemie hat das öffentliche Leben zeitweise zum Erliegen gebracht und manche Pläne zunichte gemacht. Mit Hausens Bürgermeister Martin Bühler sprach unser Redakteur Harald Pflüger über ein Jahr, das manche, salopp gesagt, „zum Knicken“ fanden.

 

Frage: Ein (Corona-)Jahr wie 2020 müssen Sie nicht noch einmal haben, oder?

Nein, das wünscht man sich nicht wirklich.

Frage: Was war 2020 die schwierigste Herausforderung?

2020 haben wir unser Projekt der Kindergartenerweiterung und -sanierung mit einer deutlichen Vergrößerung und Neugestaltung des Außenbereiches bei gleichzeitigem Betrieb des Kindergartens im Bestandsgebäude fast zum Abschluss bringen können, es fehlen aktuell nur noch Kleinigkeiten am Außenbereich.

Räumlich direkt daneben fanden die Arbeiten am Projekt Aufdimensionierung des Abwasserkanals statt, welcher die nördliche Dorfhälfte mit dem Regenüberlaufbecken und dem Verbandssammler des Abwasserverbandes in der Baldersau verbindet. Der Abwasserkanal, der zwischen der Schulstraße und der Baldersau verläuft und dabei quer über den Schulhof, die Schulwiese und entlang des Kindergartens führt, musste von 80 Zentimeter auf 100 Zentimeter Durchmesser vergrößert werden. Auch alle anderen Leitungen, wie Wasserleitung, Nahwärme, Glasfaser-Leerrohre, Straßenbeleuchtung et cetera, wurden im Zuge der Tiefbauarbeiten dabei mit verlegt. Aufgrund der Betroffenheit des Kindergartens, der Grundschule und der Sprachheilschule des Landkreises, wurde die lärmarme Verlegung des Abwasserkanales in Flüssigboden gewählt. Trotzdem gab es natürlich einige Beeinträchtigungen im laufenden Betrieb.

Massiv betroffen waren jedoch auch die Anwohner durch Lärm, Staub, Dreck, gesperrte Straßen mit Einschränkungen des Zugangs zu den eigenen Häusern, parkende Handwerker- und Firmenfahrzeuge und auch deutlich durch den Bring- und Holdienst der Eltern in den Kindergarten. Im Laufe des Baufortschrittes Kindergarten und auch der Baumaßnahmen mussten regelmäßig und mehrfach die Zugänge zum Kindergarten verändert werden, was den Ablauf nicht vereinfachte.

In der Hebelstraße gab es auch deutliche Erschwernisse durch die Schulkleinbusse der Sprachheilschule, welche die Schüler aus dem ganzen Landkreis bringen und holen.

Die Baumaßnahmen werden uns die nächsten ein bis zwei Jahre noch weiter in diesen Innenbereich begleiten und einschränken.

Frage: Wie schwer lastet die Verantwortung in einer Pandemie wie dieser auf einem Bürgermeister?

Die Verantwortung ist schwierig und physisch und psychisch belastend. Ein immens hoher Zeitaufwand ist gefordert, eigentlich 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche verfügbar zu sein, um die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen, welche in der Regel samstags oder sonntags kurz vor Mitternacht mit Wirkung auf den nächsten Tag erlassen wurden. Da diese Regelungen in der Regel pressemäßig durch das Ministerium schon ein bis zwei Tage vorher bekannt wurden, war die Anspruchshaltung der Betroffenen schon bis ins Detail vorhanden und wurden an die Verwaltung, Kindergarten und Schule gerichtet. Handreichungen und Erläuterungen seitens des Ministeriums standen den Kommunen allerdings immer erst ein oder zwei Tage später zur Verfügung.

In der Gemeinde unterstützte mich die Corona- Arbeitsgruppe, die wir eingesetzt hatten. In der Verwaltung federführend geleitet durch Hauptamtsleiterin Andrea Kiefer und dem Mitarbeiter im Ordnungsamt, Michael Malcher, weiter besetzt mit den Leitungen von Kindergarten, Schule und Bauhof sowie dem Gemeindehausmeister. In dieser Konstellation schafften wir es, dass wir die meisten Anforderungen sehr zeitnah lösen und umsetzen konnten, damit der Betrieb vor allem im Kindergarten, aber auch in Schule und in der Verwaltung weiter möglich war.

An dieser Stelle möchte ich hierfür meinen Dank an die Arbeitsgruppe, aber auch an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussprechen. Sie haben eine ausgezeichnete Leistung erbracht und dafür unzählige Überstunden geleistet, denn der laufende Betrieb in allen Bereichen musste ja weiterhin gewährleistet werden.

Frage: Was ist derzeit die größte Sorge der Bürgermeister im Landkreis Lörrach?

Die Unwägbarkeit der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die nächsten Jahre.

Frage: Hat die Bevölkerung noch Verständnis für die Corona-Schutzmaßnahmen?

Ich gehe davon aus, dass große Teile der Bevölkerung ein hohes Maß an Verständnis dafür aufbringen und für sich auch die Regeln einhalten und damit sich und auch andere schützen. Die Notwendigkeit ist eigentlich für alle ersichtlich, insbesondere an den Zahlen der Erkrankten, die in den Krankenhäusern behandelt werden müssen und auch an den weiter steigenden Todesfällen.

Wenn ich allerdings das Freizeitverhalten über die Weihnachtsfeiertage im Schwarzwald betrachte, frage ich mich, ob dieses Verständnis nicht deutlich geschrumpft ist.

Kein Verständnis habe ich persönlich für diejenigen Menschen, die ganz bewusst ihre eigenen Freiheiten über den Schutz der anderen stellen und sich bewusst nicht an die Regeln halten.

Frage: Sprechen wir vom kommunalpolitischen Geschehen. Was ist in Ihrer Gemeinde 2020 positiv gelaufen?

2020 konnten wir ein aufwendiges Ausschreibungsverfahren zur Vergabe eines Nahwärmenetzes für die öffentlichen Gebäude im Bereich des Bürgerzentrums rund um Schule, Halle und Kindergarten durchführen und vergeben. Es ist vorgesehen, auch das Pflegeheim, das im neuen Jahr gebaut wird, anzuschließen.

Die Firma EWS hat angekündigt, das ganze Dorf über ein Nahwärmenetz auf Hackschnitzelbasis in der Zukunft Versorgung zu wollen. Entsprechende Förderanträge für die Planung sind bereits gestellt. Im Frühjahr hoffen wir auf entsprechende weitere Informationen und Planungen. Zusammen mit der Nahwärme wird auch das Glasfaserbreitband-Netz im ganzen Dorf verlegt werden können.

Ein Verkehrskonzept wird erstellt, die Bürgerbeteiligung konnte noch stattfinden. Verkehrliche Handlungs– und Umsetzungsempfehlungen für die Zukunft werden in der nächsten Zeit erwartet. Verbesserungen für den Rad- und Fußverkehr sowie eine Verkehrsberuhigung rund um die Schulen werden angestrebt. Ebenfalls wird es einen Vorschlag für ein Beschilderungssystem im Dorf geben. Dies ist seit langem ein Bestreben von mir, wurde in der Vergangenheit aber regelmäßig aus finanziellen Gründen nicht in die Haushaltspläne aufgenommen. Daneben finden auch die Arbeiten an der Fortschreibung des Lärmaktionsplans statt, das beauftragte Planungsbüro ist hier intensiv an der Arbeit. Angestrebt wird eine deutliche Verbesserung des Lärmschutzes der Anwohner gegenüber der B 317.

Zum Jahresende hin konnten wir die Gemeinderäte noch mit Tablets ausstatten. Ab dem neuen Jahr wird dann die digitale Ratsarbeit auch im Gemeinderat möglich sein. Sehr positiv bewerte ich auch die Zusammenarbeit mit den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten. Viele Themen und Themenkomplexe konnten schon besprochen und bearbeitet werden.

Frage: Wie sah es in den Bereichen Wirtschaft, Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung aus?

Im Bereich des Handwerks gab es positive Entwicklungen, hier hat die Corona-Pandemie kaum Einfluss auf die Auftragslage gehabt. Der Handel ist natürlich produktabhängig unterschiedlich betroffen. Stark betroffen sind die größeren Betriebe, welche mit deutlichen Einschränkungen – die sich auch über die Gewerbesteuer auf die Finanzen der Gemeinde auswirken – konfrontiert sind.

Wohnungsbau fand 2020 in Hausen kaum statt. Leider gibt es zu wenige zur Verfügung stehende Bauflächen.

Frei verfügbare Gewerbeflächen für Gewerbeansiedlungen sind ebenfalls nicht vorhanden; die Firma Brennet AG versucht allerdings weiter, ihre Objekte und Flächen zu verpachten.

Frage: Was war die schwierigste Herausforderung?

Die Bewältigung der vorgenannten Fragestellungen mit den Möglichkeiten einer kleinen Gemeindeverwaltung und knappen Ressourcen, insbesondere finanzieller Möglichkeiten.

Frage: Und was hat eher nicht so gut geklappt?

Bei einigen Themen sind wir einfach nicht so weit gekommen, wie wir es im Haushalt und in der Jahresplanung vorgesehen hatten. Das hatten wir allerdings mit unserem Gemeinderat auch immer so kommuniziert, und das ist so mitgetragen.

Frage: Was hat Sie persönlich berührt, sowohl im Negativen als auch im Positiven?

Persönlich berührt hat mich, dass in diesen Zeiten der Pandemie gesellschaftlich auch gravierende Einschränkungen eintraten, die auch die Kultur und unsere Vereine trafen. Veranstaltungen und ein Vereinsleben konnten nicht mehr stattfinden, und trotzdem war es beeindruckend, wie viele Versuche es gab im Kleinen und Kleinsten etwas für die Mitmenschen zu tun.

Erschreckend ist für mich zu sehen, dass der Egoismus und die Ich-Bezogenheit deutlich mehr geworden sind und die Bereitschaft, sich in der Gesellschaft zu engagieren, deutlich zurückgegangen ist.

Besonders gefreut habe ich mich, dass ich vor einem Vierteljahr Großvater eines Enkelkindes wurde und es sich gesund und prächtig entwickelt.

Frage: Was gilt es in den nächsten Jahren zu bewältigen?

Die Aufgaben in der Gemeinde für die kommenden Jahre sind ja schon aus der mittelfristigen Finanzplanung bekannt. Die Ergebnisse der bekannten Planungen sind zu berücksichtigen und umzusetzen. Wir werden weiter in unsere Infrastruktur investieren. Insbesondere die Verbesserung der Barrierefreiheit im Straßen- und Gehwegsbereich ist uns wichtig.

Allerdings ist alles zu betrachten unter den allgemeinen finanziellen Bedingungen, die uns zur Verfügung stehen werden.

Mit dem Gemeinderat werde ich jährlich festlegen, wo die Schwerpunkte gesetzt werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir Hausen im Wiesental zusammen auch weiter gut in die Zukunft entwickeln können.

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