Hausen im Wiesental In Hausen steckt natürlich das Haus

Markgräfler Tagblatt
Konrad Kunze wurde am Donnerstagabend im Hebelhaus von Heidi Zöllner, der Vorsitzenden der Muettersproch-Gesllschaft, Gruppe Wiesental, willkommen geheißen. Foto: Ingmar Lorenz Foto: Markgräfler Tagblatt

Hebelhaus: Konrad Kunze spricht bei der Muettersproch-Gsellschaft über Ortsnamen

Von Ingmar Lorenz

Durch die Geschichte des Schwarzwalds führte Konrad Kunze die Gäste der Muettersproch-Gsellschaft am Donnerstagabend im Hebelhaus. Die historischen Entwicklungen schilderte er nicht anhand von Fundstücken oder Urkunden, sondern allein durch die Analyse der Ortsnamen.

Hausen. Nach einer kurzen Begrüßung durch Heidi Zöllner, Leiterin der Muettersproch-Gsellschaft, Gruppe Wiesental, die den Vortrag organisiert hatte, tritt der emeritierte Professor vor das Publikum und steigt gleich in die Thematik ein.

Konrad Kunze sitzt nicht am Tisch, schaut kaum auf seine Aufschriebe. Er läuft vor den Stuhlreihen auf und ab, seine Hände gestikulieren wild und unterstreichen seinen leidenschaftlichen Vortrag. Bereits nach der ersten Minute ist klar: Kunze spricht nicht nur über ein wissenschaftliches Thema, sondern über seine Passion. Er versteht es, seine Zuhörer in den Bann zu ziehen, und die Gäste im prall gefüllten Hebelhaus hängen sofort an den Lippen des Sprachforschers.

Kunze lockert seinen Vortrag immer wieder durch humoristische Anekdoten oder Witze auf. „Sie müssen sich vor Augen halten, dass es wahnsinnig viele Ortsnamen im Schwarzwald gibt“, so Kunze. „Würde ich über jeden Ortsnamen nur eine Minute sprechen, würde mein Vortrag etwa viereinhalb Jahre dauern“, erklärt er dem amüsierten Auditorium. Stattdessen spricht der Sprachforscher rund 90 Minuten, aber auch in dieser Zeit gelingt es ihm, beeindruckend viele Ortsnamen zu enträtseln.

Bevor die Zeitreise durch den Schwarzwald beginnt, legt Kunze zunächst dar, was es mit den Ortsnamen in der unmittelbaren Umgebung auf sich hat. „In Hausen steckt natürlich das Haus“, so der Sprachforscher. Es handle sich bei dem Ortsnamen des Hebeldorfs um eine alte Form von „bei den Häusern“. „Sie können davon ausgehen, dass Hausen uralt ist“, folgert Kunze. Die Bezeichnung Schopfheim habe nichts mit dem Schopf zu tun, sondern rühre von dem alten Wort „Skof“ her, was so viel bedeutet wie „einsame Gegend“. „Schopfheim bedeutet Wohnstätte in der einsamen Gegend“, führt Kunze augenzwinkernd aus. Spätesten jetzt hat er auch den letzten Zuhörer am Haken.

Um die Bedeutung solcher Ortsnamen richtig zu deuten, sei es nötig, drei Regeln einzuhalten, führt der emeritierte Professor weiter aus. Erstens müsse man die Aussprache der Ortsnamen im jeweiligen Dialekt in seine Überlegungen mit einbeziehen. Der Schönberg bei Freiburg trage seinen Namen nicht, weil er besonders schön sei, so Kunze. „Die Einheimischen sagen Schiiberg.“ Darin stecke die alte Bezeichnung „Schien“, also Barren. „Der Schönberg ist nichts anderes als der barrenförmige Berg.“ Für den Sprachforscher sei zudem entscheidend, in alten Urkunden nachzulesen, wie die Ortsnamen früher geschrieben wurden. Namen wie Todtnau oder Schlechtnau verlieren dadurch ihre Schrecken, denn Todtnau verweise schlicht auf einen Mann namens Totto, dem das Gebiet einst gehörte. Schlechtnau bedeute nicht, dass der Ort schlecht sei, sondern dass es dort einst viele Schlehen gegeben habe, legt Kunze dar. Seine Ausführungen werden immer wieder von einem anerkennenden Raunen des Publikums begleitet.

„So schön solche Deutungen sind, müssen wir manchmal aber auch einfach sagen, dass wir nicht wissen, was der Name bedeutet“, sagt Kunze, und ist damit bei der dritten Regel angelangt, die sich jeder Sprachforscher zu Herzen nehmen sollte.

Nachdem er das Handwerkszeug der Forschung erklärt hat, beginnt die Reise in die Geschichte des Schwarzwalds. „Die ältesten Namen sind immer die Flussnamen“, so Kunze. Diese seine so alt, dass eine genaue Datierung nicht möglich sei. Die Bedeutung sei aber häufig klar. Der Name Rhein bedeute schlicht „Fluss“, genau wie die Bezeichnung „Don“ in vielen Flussnamen. Zudem enthielten die Namen häufig Eigenschaften der Gewässer wie im Fall der Wiese, deren Name „schäumender Fluss“ bedeutet.

Die ältesten Städte und Dörfer seien jene, deren Namen einen keltischen Ursprung haben, führt Kunze weiter aus. Diese seien lang vor Christi Geburt gegründet worden. Mit der Eroberung des Gebietes durch die Römer hielten dann die gallo-romanischen Namen Einzug. Zunächst um den Schwarzwald herum, denn die Römer hätten sich nicht in dem furchterregenden Wald niedergelassen. Der Name Schwarzwald verweise nämlich nicht auf die Farbe, sondern bedeute „schreckliches Gebirge“. Als die Römer das Gebiet um 260 militärisch aufgaben, seien die verbliebenen Gallo-Romanen von den Alemannen in den Schwarzwald gedrängt worden. „Das können Sie heute noch sehen. Die Menschen im Schwarzwald sind kleiner und haben oft schwarze Haare“, so Kunze. „Das sind Nachkommen dieser Gallo-Romanen.“

Die Alemannen selbst hätten ihre Städte häufig nach ihren Fürsten benannt und dann die Silbe „ingen“ angehängt, wie Kunze am Beispiel der Stadt Gundelfingen erklärte, die wohl nach einem alemannischen Fürsten namens Gundolf benannt wurde. Im Mittelalter sei der Schwarzwald dann vor allem durch die Klöster zunehmend bewohnbar gemacht worden. Dabei habe die Rodung der Wälder eine wichtige Rolle gespielt. Auch das lässt sich in den Ortsnamen erkennen. So verweise der Name des Ortes Schwand – ebenso wie Elbenschwand oder Geschwend – auf das Roden mit Feuer, das sogenannte Schwenden. Auch der Schweinekopf bei Präg trage diese Tätigkeit in seinem Namen. „Wenn es um das Tier gehen würde, müsste es entsprechend der ersten Regel nämlich Saukopf heißen“, sagt Kunze Erheiterung der Zuhörer.

Auch das Köhlerhandwerk und die Glasmacherein fänden sich in vielen Ortsbezeichnungen. Wichtig sei zudem der Bergbau gewesen. Bezeichnungen wie „Der tote Mann“ erklären sich daher. „Mann war eine Fachbezeichnung für einen Stollen.“ Habe dieser nichts mehr abgeworfen, habe man vom „toten Mann“ gesprochen. „Der wilde Mann“ verweise dementsprechend auf einen unerlaubt angelegten Stollen.

Nachdem Konrad Kunze mehrere Tausend Jahre Geschichte des Schwarzwalds anhand der Ortsnamen dargelegt und im Zuge dessen auch so manche Legende widerlegt hat, schließt er seinen mitreißenden Vortrag, den die Zuhörer mit langem Applaus honorieren. Die „Bei den Häusern“ lässt Kunze mit vielen neuen Einsichten zurück.

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