Hebelpreisträger Pierre Kretz zieht seine Zuhörer in den Bann

Jürgen Scharf
Hebelpreisträger Pierre Kretz Foto: Jürgen Scharf

Hebelpreisträger Pierre Kretz, bringt die Zuhörer im Hebelhaus bei seiner Lesung aus „Ich ben a beesi Frau“ zum Schmunzeln und Nachdenken.

„Ich ben a beesi Frau“ – Böse sein auf elsässisch: Das kann Pierre Kretz unvergleichlich. Allein schon dieser furiose Monolog-Einakter, den der diesjährige Hebelpreisträger am Vorabend der Verleihung im Hebelhaus lesend inszenierte, wäre preiswürdig.

Tragische Lebensgeschichte

Die Geschichte von der „bösen Frau“ hat Kretz 2015 herausgebracht und vor Jahren schon einmal in Schopfheim daraus vorgelesen. Es ist die tragische Lebensgeschichte einer verbitterten und unterdrückten Frau, „de Ulmer Thérèse“, die im Dorf als „Schadenfreud-Theres“ verschrien ist. Sagt sie doch einmal, Schadenfreude sei ein wunderbares Wort: „Eine schönere Freude als die Schadenfreude gibt es ja gar nicht.“

Ihr Mann, der Emil, ein reicher, aber versoffener Bauer, drangsaliert sie zeitlebens. Eines Nachts, es ist stockfinster, wartet sie auf ihren Mann, der im Suff heimkommt, an der rutschigen Kellertreppe und schubst ihn hinunter, nein, tippt ihn nur „a de Schultere“ an, dass er zu Tode stürzt. Sie hat sich Claire Zachanassian, die „Alte Dame“ aus Dürrenmatts gleichnamiger Tragikomödie, zum Vorbild genommen. Eine Rolle, die sie, die im Dorftheater immer die Gänschen geben musste, nur zu gern einmal im Leben gespielt hätte. „Ich ziehe immer die Notbremse“, diesen Satz der Milliardärin hat sie verinnerlicht und zieht selbst die Notbremse, um ihren Peiniger loszuwerden und aus ihrem lieblosen Leben herauszukommen. Sprachlich und thematisch geschickt, wie Pierre Kretz diese Geschichte der „bösen Frau“ mit „d Visite vo dr alt Madame“ verknüpft, wie er bei der Theres Bosheit mit Bildung herausarbeitet, sodass die Zuhörer nicht nur Verständnis für ihre Handlung, sondern sogar Sympathie für diese Figur empfinden.

Fast wie ein Schauspiel

Und wie der elsässische Autor im vollen Hebelhüsli diese im Kern traurige Geschichte vorträgt, das ist ein zusätzliches Erlebnis: Wunderbar, wie Kretz die Sprachmelodik, die in diesem elsässischen Text steckt, betont. Er liest mit knitzem, subtilem Humor, der aus seinen Augen blitzt, fast halbszenisch, zumindest dialogisch, und es wird ein richtiges Drama, aber mit unterschwelligem Witz geschildert, fast wie ein Schauspiel.

Prominente Zuhörer

Das hat den Gästen dieses Hebelabends gut gefallen und es waren auch einige prominente Besucher anwesend. Zuvorderst der Hebelpreisträger von 2010, Arnold Stadler, der eigens vom Bodensee nach Hausen gekommen war und der schon 2019 bei der Überreichung des Hebeldanks an Kretz gesprochen hat. Aber auch Hebelforscher Franz Littmann war da, Mitglied der Hebelpreisjury und Hebel-Gedenkplakettenträger.

In bewährter Weise stellte Volker Habermaier, Präsident des Lörracher Hebelbundes, Person und Werk des Geehrten vor. Kretz habe schon lange zu den Anwärtern auf diesen Preis gehört. Und es freute Habermaier sehr, dass das Land Baden-Württemberg erstmals seit vielen Jahren wieder ausdrücklich einen Autor, der in Mundart schreibt, im Namen Hebels auszeichne. Vor allem ging er auf Kretz’ zweiten Roman „Der Seelenhüter“ von 2009 ein, der auf eine beeindruckende Weise von der Elsässer Geschichte handle und über den Arnold Stadler gesagt habe, es sei „Welt-Beschreibung“ und nicht „irgendeine Heimatliteratur“.

„Sie haben den Hebelpreis wahrlich verdient“, zeigte sich Bürgermeister Philipp Lotter nach der Lesung beeindruckt.

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