Historiker zeigt in Weil Hintergründe auf Warum die NSDAP auch beim SC Freiburg eine Rolle spielte

Dorothee Philipp
Referent Robert Neisen (l.) und Uwe Kühl, Vorsitzender des Vereins für Heimatgeschichte Foto: Dorothee Philipp

Wie war das beim SC Freiburg in der Zeit des Nationalsozialismus? „Opponiert oder mitgemacht?“ hieß die Titelfrage eines Vortrags.

Referent war der Freiburger Historiker Robert Neisen. Eingeladen hatte die VHS zusammen mit dem Verein für Heimatgeschichte. Der frei schaffende Historiker leitet in Freiburg seit 2006 das Büro für Unternehmens- und Stadtgeschichte. Zusammen mit seinem Kollegen Andreas Lehmann hat er im Auftrag des SC Freiburg nach zweijähriger Forschungsarbeit ein Buch herausgegeben mit dem Titel „Spielball der Ideologie? – Der SC Freiburg in der Zeit des Nationalsozialismus“. Ein wichtiges Fazit der Studie ist die Widerlegung des bisher gepflegten Klischees, der SC Freiburg habe als Verein der Arbeiter und kleinen Leute gegen das Hitler-Regime opponiert. Vielmehr gab es hier, vor allem in der Vereinsführung, zahlreiche Personen, die die NS-Ideologie in den Verein hineintrugen.

Quellen analysiert

Neisen zeigte diese Entwicklung unter anderem anhand von Artikeln in der vereinseigenen Zeitschrift „Rundschau Sportclub Freiburg“. Die „Erziehung zur Wehrhaftigkeit“ als Reaktion auf die drastische Verkleinerung der Armee nach 1918, Fußball als Beitrag zur „Volksgesundheit“, Fußball als Beitrag zur Festigung einer „Volksgemeinschaft“ und gegen den „unerquicklichen Parteienhader“ der Weimarer Republik waren nur einige Anhaltspunkte dafür, wie die braune Ideologie ins Vereinsleben eindrang.

Aber das genaue Quellenstudium der Autoren brachte auch anderes zutage, was ein vorschnelles Pauschalurteil nicht zulässt. So zeigte Neisen am Beispiel der Neuwahlen im Vorstand im Mai 1933, wie behutsam man mit der alten Führungsriege umgegangen ist, die so ihr Gesicht wahren konnte. Allerdings stellte sich auch der SC Freiburg immer wieder in den Dienst der NS-Propaganda, etwa mit dem Aufruf, bei der nachträglichen Volksabstimmung zum Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund mit Ja zu stimmen und so zur „restlosen Pflichterfüllung“ beizutragen.

Funktionäre bei der NSDAP

Das Studium der Entnazifizierungsakten zeigte nach Neisen, dass mehr als 64 Prozent der SC-Vereinsfunktionäre Mitglied in der NSDAP waren. Für die einfachen Mitglieder fehlen die Zahlen. Im Vergleich mit anderen Fußballvereinen liegt Freiburg weit über den „Arbeitervereinen“ wie Borussia Dortmund mit einer Quote von etwa zehn Prozent. Im Gesamtvergleich der Fußballvereine sei der SC hier etwa im Mittelfeld anzusiedeln, erklärte er.

Laut Neisen gab es Gründe, in die NSDAP einzutreten. Opportunismus etwa, wie er am Beispiel des Vorstandsmitglieds Willy Jäger zeigte, der eine Bürgschaft für den Neubau des Winterer-Stadions übernommen hatte. Aber auch aus Gründen der Selbstbehauptung, wie im Fall des von den Nazis wegen seiner früheren Mitgliedschaft mit Misstrauen beäugten Hermann Messmer, der der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung, einem Vorläufer der Zeugen Jehovas, angehört hatte. Auch materielle Motive konnten den Eintritt in die Partei befördern: Nach dem Einzug des Vereinsvermögens konnten bei der Umverteilung der Gelder die Vereine mit dem Erlass von Pachtzinsen für ihre „Linientreue“ belohnt werden.

Im Vortrag wurde die große Bedeutung der personellen Netzwerke und Beziehungsgeflechte deutlich, auch über das Ende der Naziherrschaft hinaus, wie Neisen am Beispiel von Hans Baumgart zeigte. Dieser war als Stürmer des SC hoch gefeiert, später als Leiter des Nebenlagers Karlshagen des KZ Ravensbrück wegen Kriegsverbrechen unter anderem wegen Mordes an zwei Häftlingen verurteilt und 1955 freigelassen worden. „Er wurde vom SC wie ein verlorener Sohn empfangen“, sagte Neisen.

Insgesamt stellte Neisen fest, dass gerade Vereine ein lohnender Gegenstand für die Forschung seien. Dabei entstünden keine makellosen Bilder, wenn die Forschung „jeden Stein umdreht“. Aber nur penibles Studium und Auswertung der Originalquellen würden ein sauberes Ergebnis jenseits von meinungsgefärbter Interpretation der Nachwelt liefern.

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