Inklusive Kunst in Lörrach Im Glashaus hängen Bilder von Künstlern mit Handicap

Gabriele Hauger
„Eyecatcher“ der neuen Ausstellung im Glashaus Foto: Gabriele Hauger

Im Restaurant-Café am Chesterplatz wird Inklusion jeden Tag gelebt. Unter den Angestellten sind Mitarbeiter mit Handicap.

Dies ist ein ganz besonderes Projekt – unterstützt von Künstlern von Weltrang.

„Ich freu’ mich so sehr auf die Vernissage!“ – Adrian Eichin arbeitet seit zehn Jahren im „Glashaus“ am Chesterplatz. Er ist einer von mehreren inklusiven Mitarbeitern des Café-Bistros. Der ausnehmend höfliche und sympathische junge Mann findet Kunst in seinem Arbeitsumfeld toll. Bei einem der gehängten Werke ist er sich ziemlich sicher: „Des könnt’ ä Fahne si.“

40 Arbeiten

Rund 40 Arbeiten sind unter dem Titel „En-tfal-tet“ ausgestellt. Am heutigen Donnerstag ist um 18.30 Uhr Vernissage.

Kunstwerk mit viel Ausdruck Foto: Gabriele Hauger

Die Ausstellung ist eine besondere: Hier werden Einblicke in künstlerische Positionen aus vier Jahrzehnten gezeigt, alle entstanden im Haus der Diakonie in Wehr-Öflingen, das eng unter anderem mit der Lörracher Lebenshilfe zusammenarbeitet. Darum auch wurde Lörrach als Ausstellungsort gewählt.

Zum Haus der Diakonie

Das Haus der Diakonie in ländlicher Idylle ist ein ganz besonderer Ort, erzählt dessen Geschäftsführer Jörg Markowski. Vor gut einem Jahr kam er aus Berlin ins Dreiländereck. Bereits 1985 konnte das Haus der Diakonie eröffnen. Doch was bietet die mit Hilfe von Künstlern von Weltrang entstandene Wohn-Einrichtung eigentlich? „Wir sind eine inklusive Enklave“, fasst es Markowski zusammen. Maßgeblich initiiert vom Theologen Paul Gräb und seiner Frau Hanna und durch Spenden von Künstlern kam damals genügend Geld zusammen, um die Wohnanlage für 80 Menschen mit Einschränkung im idyllischen Öflingen zu bauen. Förderin, die für das Haus der Diakonie in ihrer alten Heimat immer wieder Benefizkonzerte gibt, ist die Geigerin Ann-Sophie Mutter.

Werke von Künstlern mit Inklusion im Glashaus. Foto: Gabriele Hauger

In den Räumen und Fluren hingen von Anfang an Bilder von Künstler-Stars, die die Gründung des Hauses der Diakonie unterstützten wie Horst Antes, Otmar Alt, Jürgen Brodwolf, Otto Dix, Günther Förg, Erich Heckel, HAP Grieshaber, Heinz Mack, Otto Pine, Arnulf Rainer, Rosemarie Trockel oder Günther Uecker. Werke, die die Bewohner – die meisten mit kognitiven Einschränkungen oder psychischen Erkrankungen – ungemein inspirierten. Bald wurden daher Kunstkurse angeboten. Und in den vier Jahrzehnten entstanden so Hunderte von Arbeiten, die auch immer wieder im Haus oder in der Stadthalle Wehr ausgestellt wurden und werden.

Geschäftsführer im Haus der Diakonie, Jörg Markowski Foto: Gabriele Hauger

Kunstangebote

Mittlerweile sind für die Bewohner des Haus der Diakonie viele weitere Kunstangebote von Musik bis Tanz hinzugekommen. Das Besondere: Vielfach arbeiten Profis mit Laien und mit Menschen mit Handicap gemeinsam. Das Haus der Diakonie ist seit Langem bundesweit bekannt als „Öflinger Modell“, seine Gründer erhielten das Bundesverdienstkreuz. Es war Vorreiter darin, Kunst und soziales Handeln miteinander zu verbinden.

Alles auf Augenhöhe

Das alles auf Augenhöhe, wie Jörg Markowski im Vorfeld der Ausstellung betont. Er hat gemeinsam mit der Kunstkursleiterin Johanna Müller die Mappen mit Werken ehemaliger und jetziger Bewohner studiert und 40 möglichst heterogene Arbeiten ausgewählt. Diese hängen nun im ganzen Bistro verteilt, in unterschiedlichen Formaten und Stilen. Auch die ausgedrückten Stimmungslagen sind sehr verschieden: Da ist mit Schrift unterstrichen „Grenzenlose Wut“. Da ist aber auch Freude an den Farben der Natur, es gibt von Rothko inspirierte Farbflächen, eine an Hundertwasser erinnernde Farbexplosion, comicartige Figuren, eine gestrichelte Stadtlandschaft oder expressive Kopffüßler.

Die Kunstausstellungen im Glashaus zeigten stets Wirkung, erzählt Mitarbeiterin Sabine Bayer, die auch ehrenamtlich bei der Offenen Hilfe von Leben + Wohnen mitwirkt, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Die Gäste sind neugierig, stellen Fragen, fotografieren, Gespräche entwickeln sich. Es ist eine tolle Atmosphäre. Viele Gäste mit Handicap, Freunde und Familie sowie Mitarbeiter kommen hier zusammen.“

So dürfte auch die aktuelle Ausstellung für viel Gesprächsstoff sorgen. Anschließend wandert sie voraussichtlich ins benachbarte Huningue.

Auf einen Blick

Vernissage
der Ausstellung „En-tfal-tet“ ist am Donnerstag, 15. Mai, 18.30 Uhr, im Glashaus am Chesterplatz 9, musikalisch begleitet vom Straßenchor aus dem Haus der Diakonie.

Die Ausstellung
zeigt rund 40 Werke aus 40 Jahren Kunst im Haus der Diakonie in Wehr-Öflingen.

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