Inzlingen Das Experiment scheint zu glücken

Die Oberbadische

„Landmarkt“: Integrativ geführter Lebensmittelmarkt in Inzlingen hat Fuß gefasst und etabliert sich

Von Tim Nagengast

Exakt drei Monate war es gestern her, dass der Inzlinger „Landmarkt“ erstmals seine Türen für die Kundschaft öffnete. Zeit für eine erste Bilanz, fand unsere Zeitung und hat das vom Kolping-Bildungswerk Freiburg betriebene Lebensmittelgeschäft an der Dorfstraße besucht.

Inzlingen. Bernhard Neth-Schell wartet schon, als der Autor dieser Zeilen im „Lädeli“ eintrifft. Gerade ist ein Lieferant da und bringt Kühlwaren. Eine ältere Dame bugsiert ihren Einkaufswagen durch die Gänge des „Landmarktes“. Zwei Liter Milch, etwas Wurst, eine Zeitschrift, Nudeln und Gemüse hat sie im Wagen liegen. Eiliger hat es da ein Handwerker. Er schnappt sich eine Flasche „O-Saft“ und ordert an der von der Bäckerei Kunzelmann bestückten Backwarentheke ein paar „Weckli“. Eine junge Frau packt gerade ein paar Karotten ein und grüßt freundlich beim Vorbeigehen.

„Es ist eigentlich immer etwas los, immer jemand da“, bringt Bernhard Neth-Schell die Situation auf den Punkt. Der Geschäftsführer des Kolping-Bildungswerkes und zugleich Inzlinger Bürger hat das Gefühl, das „Experiment Landmarkt“ könnte glücken im Waieland. „Ob es aber wirklich glückt, können wir dann am Jahresende sagen, wenn wir über die Bücher gegangen sind. Unser Ziel ist auf jeden Fall eine schwarze Null. Und diesbezüglich bin ich eigentlich recht zuversichtlich“, sagt er mit Blick zur Ladenkasse, wo gerade drei Kunden anstehen.

Gibt es denn schon Stammkunden, Herr Neth-Schell? „Ja, natürlich. Und beileibe nicht nur die Älteren. Auch junge Menschen haben den Laden entdeckt“, freut er sich. „Wir haben ja sortimentstechnisch auch an sie gedacht“, sagt Neth-Schell augenzwinkernd und deutet auf die gut bestückten Regale mit Chips und Knabberkram sowie in die Getränkeecke, wo sich die Jugend auch ihre heiß geliebte Energydrink-Dosen für die Abendparty besorgen kann.

Ja, es sieht so aus an diesem Freitagvormittag, als hätte sich der „Landmarkt“ ein Stück weit zu dem entwickelt, was er sein will: ein Mittelpunkt im Dorf, ein Ort zum Einkaufen, zum Sich-Treffen, zum Sachen-Erledigen. Dazu soll in wenigen Tagen auch die Post beitragen, die im Laden gerade eingerichtet wird. Der Schalter steht bereits. Pardon, die „X-Theke“, wie Markus Leipprecht den Zeitungsmann belehrt. Leipprecht richtet gerade die ganze Hardware ein und spielt die Software und das Post-Programm „Zora“ auf den Rechner. „Am 4. oder 5. Oktober muss das dann alles laufen“, sagt der Mitarbeiter eines externen Unternehmens, das im Auftrag der Deutschen Post eine gelbe Ecke im „Landmarkt“ einrichtet.

Zwei Ladenmitarbeiterinnen haben bei dem Gelben Riesen einen Kurs absolviert, damit sie die Postkunden mit allen Basisdienstleistungen versorgen können – vom Paketversand bis zum Einschreibebrief. „Die ersten Tage nach Eröffnung ist dann noch jemand von der Post-Gebietsleitung dabei, guckt zu und hilft, wenn nötig“, weiß Neth-Schell.

Wer zurück geht in den Eingangsbereich des 200 Quadratmeter großen Ladens entdeckt ein Gemüseregal neben dem Gemüseregal. Ein genauer Blick verrät: Hier gibt es neu eine ganze Palette an Demeterprodukten der Gärtnerei Berg aus Binzen neben vielen Produkten von der Insel Reichenau.

„Das war ja auch unser Ziel, nämlich neben unserem Hauptlieferanten Okle auch mit regionalen Anbietern zusammenarbeiten und vom Einstiegssortiment bis zum hochwertigen Demeterprodukt alles bieten zu können“, sagt Neth-Schell und deutet hinüber zu den Getränkekisten: „Da! Lasser, Waldhaus, Rothaus – diese Biersorten sind die Menschen hier gewohnt, die müssen wir natürlich auch anbieten.“

Das Sortiment des Dorfladens ist nämlich sukzessive an die Kundenwünsche angepasst worden. „Wir hatten da einige Rückmeldungen“, verrät Neth-Schell.

Was ganz besonders vermisst wurde nach der Ladeneröffnung? Der gelernte Theologe muss grinsen. „Das da!“, sagt er und hält dem Autor dieses Artikels eine Flasche „Erdinger Weizen alkoholfrei“ vor die Nase. „Das wurde bereits am Eröffnungstag vermisst. Aber wissen Sie, wie erstaunt die Kunden dann erst waren, als wir dieses Getränk dann bereits am nächsten Tag im Sortiment hatten?“, lacht er.

„Routinen entwickeln“ nennt es Neth-Schell, dass sich viele Abläufe innerhalb des siebenköpfigen „Landmarkt“- Teams (4,2 Vollzeitstellen) nun eingespielt haben. Immer wieder spricht er von diesen „Routinen“, als er mit dem Schreiber dieses Artikels am Tisch in der Kaffee-Ecke des Ladens steht. Demnächst kommt noch Toto-Lotto dazu, „denn die Leute fragen uns danach“, sagt Neth-Schell und begrüßt eine Kundin, die gerade hereinkommt. „Sie sehen: Es ist immer jemand da“, wiederholt er gutgelaunt. „Wir wollen einen Laden betreiben, wo man nicht nur ein bisschen was einkaufen kann. Wir können zwar nicht alles abdecken, aber für den Tagesbedarf bekommen die Menschen hier alles. Und einfach mal stehenbleiben und sich unterhalten kann man auch“, sagt Neth-Schell.

Er hofft, dass die Rechnung am Schluss aufgeht, schließlich ist der „Landmarkt“ in der Wasserschlossgemeinde für das Kolping-Bildungswerk auch eine Art Testballon. Denn hier arbeiten auch Menschen mit Behinderungen mit, auch wenn man das als Kunde eigentlich gar nicht bemerkt. „Auf diesen Laden wird geschaut“, weiß Bernhard Neth-Schell. So gebe es Anfragen aus dem Rebland und aus dem Wiesental, wie das mit dem kleinen, integrativ geführten Vollsortimenter im Waieland so laufe.

„Wissen Sie, was eine Kundin mal zu mir gesagt hat? Seit es euch gibt, sind wieder mehr Menschen hier auf der Straße“, sagt Neth-Schell zum Abschied. Und damit hat er unübersehbar recht.

Umfrage

Bargeld

Die FDP fordert Änderungen beim Bürgergeld. Unter anderem verlangt sie schärfere Sanktionen. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading