Inzlingen Der Stimmenkönig geht

Die Oberbadische
Bürgermeister Marco Muchenberger (rechts) verabschiedete Rats-Urgestein Kurt Sonntag und hieß Christine Ullrich-Halder als Nachrückerin im Gremium willkommen. Foto: Tim Nagengast Foto: Die Oberbadische

Zäsur: Kurt Sonntag legt Mandat nach 34 Jahren im Gemeinderat Inzlingen nieder

Am Tisch des Inzlinger Gemeinderates hat es am Dienstagabend eine Zäsur gegeben: Kurt Sonntag (früher SPD, zuletzt fraktionslos) ist nach 34 Jahren Ratstätigkeit in den kommunalpolitischen Ruhestand getreten. Für ihn rückte Christine Ullrich-Halder nach.

Von Tim Nagengast

Inzlingen. Keine Frage: Kurt Sonntag wird fehlen. Mit seinem Ausscheiden verliert der Inzlinger Gemeinderat nicht nur ein streitbares, meinungsstarkes Mitglied und echten Aktivposten, sondern auch dessen großen Erfahrungsschatz. Denn keiner gehörte dem Gremium länger an als der 80-Jährige. Im Jahr 1984 erstmals gewählt, holte Sonntag fünfmal in Folge auf der SPD-Liste die meisten Wählerstimmen, zuletzt 2014.

Immer das Ohr am Volk

Im Juli 2015 sorgte der altgediente Sozialdemokrat für Aufhorchen, als er nicht nur der SPD-Fraktion im Gemeinderat den Rücken kehrte und fortan als Fraktionsloser im Gremium saß, sondern obendrein sein rotes Parteibuch zurückgab. Über die Gründe hüllte sich der in der Bützmatt lebende Ratsherr bis zuletzt in Schweigen; seiner Liebe zur Kommunalpolitik und auch seiner großen Popularität im Dorf tat dies jedoch keinen Abbruch.

So war es weiterhin Sonntag, der sein Ohr nah am Bürger hatte, sich auch um Kleinigkeiten kümmerte und sich vor der Abstimmung über Baugesuche gerne direkt ein Bild vor Ort machte, um zu sehen, worüber er entscheiden soll und wie die örtliche Situation ist. So begannen Sonntags Stellungnahmen zu Bauanträgen zumeist mit den Worten: „Also, i bi emol dört gsi un ha mr das agluegt.“ Auch zum Ende nahezu jeder Ratssitzung im Wasserschloss konnte man sich fest darauf verlassen, dass beim Punkt „Verschiedenes“ Sonntags Finger in die Höhe schnellten. Seine Ausführungen begannen dann stets mit folgender Einleitung: „Mir isch gsait worde, dass...“

Überraschender Rücktritt

Dass Sonntag das Gemeindeparlament verlassen hat, überrascht. So hatte er am Ende der vorvergangenen Sitzung an Bürgermeister Marco Muchenberger ein Schreiben übergeben, in dem er – vor allem aus Altersgründen – um die Entbindung von seinen Ratspflichten bat (wir berichteten).

Dies kam für alle völlig unerwartet – auch für den Rathauschef selbst. Denn Sonntag ist eigentlich fit wie ein Turnschuh. Trotz seiner 80 Lenze steht er kerzengerade, ist hellwach, hat noch immer einen Händedruck wie ein Schraubstock („I bi halt Handwerker“), ist im Dorf sehr präsent, wandert viel und gerne und erfreut sich guter Gesundheit. „Trotzdem: Ich bin jetzt 80. Und ich habe mir gesagt: Mit 80 reicht’s.“ Diesem Anliegen kam das Gremium am Dienstag im Nepomuksaal nach.

Sonntag hatte sich für seine letzte Sitzung extra ein wenig in Schale geworfen. Wer ins Publikum blickte, entdeckte dort neben Altbürgermeister Erich Hildebrand noch weitere alte Kämpen aus gemeinsamen Gemeinderatstagen.

Ein Mann klarer Worte

Mit den Worten „Jetz isch’s so wit, dass i Abschied nimm“ leitete Sonntag seine Schlussrede ein. Er habe in seinen 34 Gemeinderatsjahren mit drei Bürgermeistern sowie – wie er nachgezählt hatte – 35 Ratskollegen zusammengearbeitet „und meistens ein einvernehmliches Verhältnis gehabt“. Obgleich er seine Meinung „meist voll vertreten“ habe, räumte Sonntag ein. Seine Arbeit für die Bürger und für das Dorf habe er stets gerne gemacht. Er sprach allen Wählern nochmals seinen Dank für das in ihn gesetzte Vertrauen aus.

Alle zollen ihm Respekt

Zuvor hatte Muchenberger zahlreiche Worte des Lobes und Dankes für Sonntag gewählt. Dabei sprach der Rathauschef von einer „schier unglaublich langen Zeit“, die Sonntag im Rat und damit ehrenamtlich sowie zum Wohle der Allgemeinheit mitgewirkt habe. Muchenberger zollte dem „Sprachrohr für die großen und kleinen Anliegen der Bürger“ seinen großen Respekt. Des Weiteren präsentierte der Rathauschef eine lange Liste an kommunalen Projekten, an denen Sonntag mitgewirkt hat.

Mit Geschenken bedacht

Zum Abschied überreichte Muchenberger dem verdienten Ratsmitglied eine Ehrengabe und für dessen Ehefrau einen Strauß Blumen. Geschenke und Worte des Dankes gab es auch von Thilo Glatzel namens der SPD- Fraktion und von Bernhard Neth-Schell für die Christdemokraten. Diese bauen offenbar darauf, Sonntag weiter im Rat begrüßen zu dürfen – dann als Zuhörer. Neth-Schell: „Kurt, für dich steht immer ein Stuhl bereit.“

Ullrich-Halder verpflichtet

Mit dem Ausscheiden von Kurt Sonntag und der Verpflichtung von Christine Ullrich-Halder ist im Gemeinderat die Parität zwischen CDU und SPD wiederhergestellt worden. Muchenberger ließ die Nachrückerin die Verpflichtungsformel sprechen, überreichte ihr ein Exemplar der Gemeindeordnung und bat sie, am Ratstisch Platz zu nehmen.

Bernhard Neth-Schell händigte seinem neuen Gegenüber im Gremium ein essbares, dem Vernehmen nach recht kalorienreiches Begrüßungsgeschenk aus.

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