Inzlingen Europas Vorherrschaft geht zu Ende

Die Oberbadische
China-Kenner Frank Sieren (recht) hielt einen informativen Vortrag über die aufstrebende Wirtschaftsmacht China. Erich Hildebrand, Vorsitzender des Wasserschlossvereins, bedankte sich. Foto: Manfred Herbertz Foto: Die Oberbadische

Vortrag: China-Experte Frank Sieren zeichnet in Inzlingen ein zwiespältiges Bild der aufstrebenden Nation

„Wir stehen vor einer epochalen Entwicklung, die es wohl nur alle 500 Jahre gibt“, sagte am Dienstag Frank Sieren. Der bekannte China-Experte, Korrespondent und Autor weilte für einen Vortrag in der Wasserschlossgemeinde, in der er aufgewachsen ist. Der Bürgersaal war vollbesetzt.

Inzlingen (mh). Sierens Vortrag trug den Titel „Zukunft? China!“. Fazit des Experten: „Es gehen 500 Jahre europäische Vorherrschaft zu Ende.“ Sieren ist ein ausgewiesener China-Kenner, er lebt seit 25 Jahren in Peking. Die „Zeit“ bezeichnete ihn als „einen der führenden deutschen China-Spezialisten“. Unter anderem hat er mehrere Bestseller über das Land geschrieben.

Sieren sprach über China als die aufstrebende Wirtschaftsmacht, welche sich anschickt, die Spielregeln der Weltwirtschaft neu zu diktieren. Er sprach über die Motivation, die dieses Riesenreich vorantreibt und warf dazu einen Blick weit zurück in die Geschichte des von Europäern oft unverstandenen Landes.

In Inzlingen hatte der China-Kenner gleichsam ein Heimspiel. Denn seine Eltern Inge und Rudolf wohnen in der Wasserschlossgemeinde. So kommt Sieren einige Male pro Jahr zu Besuch und pflegt obendrein viele Kontakte ins Waieland. Gerne hatte er die Einladung des Wasserschlossvereins angenommen. Erich Hildebrand freute sich, dass der Referent in seinem Vortrag die Gäste mit auf eine spannende Reise nach China nahm.

China hat aus Fehlern der Vergangenheit gelernt

In seinen Vortrag machte Sieren deutlich, auf welchem Weg sich China inzwischen befindet. Bislang, sagte er, wurden die Spielregeln der Welt von einer Minderheit bestimmt. Dies aber werde sich ändern.

Sieren richtete seinen Blick aus der Innenansicht auf China. Er beleuchtet die Anstrengungen, die das Land unternimmt, um wirtschaftlich an die Weltspitze zu kommen. Dabei blendete der Referent den Umgang mit Menschenrechten in China jedoch weitgehend aus.

Das Land, resümierte er, sei in der Vergangenheit mehrfach gescheitert. Er verwies auf Fehler, aus denen China gelernt habe, etwa die gescheiterte Kulturevolution von Mao Tse-tung. Denn Mao habe den großen Fehler begangen, zu glauben, China könne aus eigener Kraft zu neuer Größe gelangen. Deng Xiaoping habe mit der Öffnung Chinas vor 40 Jahren dann den richtigen Weg beschritten, bilanzierte Sieren.

China wurde zur Fabrik der Welt. Es habe gelernt, immer schneller und besser zu produzieren. Vor zehn Jahren fingen die Chinesen dann an, richtig innovativ zu werden. „Und jetzt ist das Land dabei, die wirtschaftlichen Spielregeln der Welt neu festzulegen.“

„Während wir das Gefühl haben, die alte Welt fällt auseinander, entsteht in Asien ein Zusammenwirken“, sagte Sieren – und in Richtung USA: „Amerika unter Donald Trump manövriert sich mit seiner kurzsichtigen Politik ins Abseits.“ Shenzhen sei dabei, das neue Silicon Valley zu werden, sagte der China-Kenner.

China könnte der Alten Welt den Rang ablaufen

Die Chinesen seien Innovationen gegenüber sehr offen. Bargeld etwa spiele keine große Rolle mehr, Transaktionen gingen über das Handy oder gar über Gesichtserkennung. Dabei seien die Chinesen durchaus pragmatisch, denn sie sähen den Nutzen, welchen sie aus Neuerungen wie diesen ziehen könnten, warb Sieren.

China gehe aktiv in die Welt. Das könne man daran erkennen, mit welcher Energie die neue Seidenstraße errichtet wird. Dabei ließ Sieren anklingen, dass China wohl kaum anstrebe, mit militärischen Absichten die Weltordnung neu zu gestalten. Mit seiner Wirtschaftskraft sei China schon jetzt auf dem besten Weg dorthin.

Sieren zeichnete ein vielfältiges, teils zwiespältiges Bild einer Nation, die sich anschickt, die globale Wirtschaftsmacht Nummer eins zu werden. Seine mahnende Bilanz: Wenn Europa nicht aufpasse, könnte der Kontinent möglicherweise zum Freizeitpark werden. Denn China sei dabei, der Alten Welt in allen Belangen den Rang abzulaufen.

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