Inzlingen. Grenzen und was sich an diesen abzuspielen vermag, sind derzeit ein großes Thema. Und eine höchst außergewöhnliche Grenze steht auch im Zentrum des Erstlingsromans von Armin Zwerger aus Inzlingen. Dieser ist kürzlich unter dem Titel „Über die Eiserne Hand hinüber“ im Schweizer Orte Verlag erschienen. Ob es sich dabei um einen typischen Regio-Krimi handelt, wollten wir unter anderem, vom Autor Armin Zwerger wissen. Sie leben in Inzlingen. Was hat Sie zu diesem Buch inspiriert" Ein Spaziergang über die Hügel" Wir sind vor acht Jahren nach Inzlingen gezogen. Mir ist sofort aufgefallen, wie ungewöhnlich der Grenzverlauf hier ist. Das hat mich fasziniert. Auch die vielen, zum Teil sehr alten Grenzsteine, auf die man überall stößt. Mir wurde schnell klar: Wenn die Grenze so ungewöhnlich verläuft, muss das in der Zeit des Faschismus besondere Vorfälle provoziert haben. Die Schweiz reicht an der Eisernen Hand ja weit nach Deutschland herein. Die Kontakte zwischen den Inzlingern und Riehenern müssen also sehr eng gewesen sein. Wie hat sich das dann wohl in der Nazi-Zeit ausgewirkt" Sie haben weiter recherchiert" Ja, aufschlussreich waren Besuche im Lörracher Dreiländermuseum, im Riehener Heimatmuseum aber auch alte Zeitungsartikel, Informationen aus dem Internet über den Grenzverlauf... zunächst war das nur Interesse. Je mehr ich mich aber eingelesen habe, desto interessierter wurde ich. Und dann kamen zwei Zufälle zusammen: Zum einen, dass tatsächlich – wie im Roman beschrieben – regelmäßig Kindersocken vor einem Haus in unserer Straße lagen. Ich habe mich gefragt: Wer macht so was" Gleichzeitig habe ich mit einigen alten Inzlingern gesprochen. Die haben mir erklärt, wie genau die Grenze und der massive Grenzzaun damals verlief. Irgendwann ist mir die Idee gekommen, dass man diese beiden Zeitebenen doch miteinander zu einer Geschichte verweben könnte. Sind Sie auch als Historiker an der Sache interessiert" Eigentlich bin ich Politologe und Germanist und arbeite als Lehrer in Lörrach. Bis zur Zwischenprüfung habe ich aber auch Geschichte studiert. Also das Interesse an historischen Zusammenhängen ist da. Und mir fällt bei der Beschäftigung mit der NS-Zeit immer wieder auf, dass viele Menschen die Geschehnisse von damals lange lieber verdrängt haben als sich damit auseinanderzusetzen. So langsam kommt das aber. Um was geht es in Ihrem Erstlingsroman" 1942 wird die Grenze zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz nördlich von Basel hermetisch abgeriegelt. Nur ein fingerartiges Landstück bleibt ohne Absperrung: die Eiserne Hand. Hier lebt die Familie Heimer, deren Sohn an der Grenze ums Leben kommt. Der Vater, ein durchaus zwielichtiger Doppelagent muss schließlich erkennen, dass die Nazis für dessen Tod verantwortlich sind. Er entschließt sich auf seine Art, mit dem Mörder fertig zu werden... Viele Jahre später findet ein Inzlinger immer wieder Kindersocken vor seinem Haus und nimmt sich vor, der Sache auf den Grund zu gehen... mehr möchte ich jetzt nicht verraten. Im übrigen: Der Roman ist natürlich Fiktion, die Hintergründe sind aber real. Und diese waren ja wahrlich schrecklich. Ja. Es ging mir daher auch darum zu zeigen, wie extrem schwierig das Leben unter den damaligen Bedingungen war. Im Grunde könnte man das Buch als Spionage-Thriller bezeichnen mit einem Doppelagenten, der auffliegt und die Konsequenzen zu tragen hat. Zunächst zwar nicht er selbst, sondern seine Familie, denn es gab Sippenhaft bei den Nazis. Wie würden Sie Ihren Roman charakterisieren" Ich habe aber darauf geachtet, dass das Buch nicht zum Pamphlet wird. Die Dinge geschehen einfach. Es bleibt auch Vieles in der Schwebe. Man weiß selten genau, wer ist wofür exakt verantwortlich. Das ist ja bis heute so! Wer war wirklich schuldig" Bei mir gibt es kein Schwarz-Weiß, keine Helden. Nicht der Junge, der als Racheakt ermordet wird, und nicht der junge Schweizer, der einer jüdischen Familie zur Flucht verhilft. Keiner von denen ist wirklich gut, keiner wirklich böse. Wie lange haben Sie recherchiert" Systematisch habe ich das nicht gemacht. Aber, wenn Sie anfangen zu suchen, stoßen Sie auf eine Fülle an Dokumenten. Zum Beispiel ein Pamphlet aus der Zeit des Faschismus, aus dem klar wird, wie die Menschen damals dachten, was ihnen wichtig war, welcher Ideologie sie nachhingen. Es gibt mittlerweile in jeder Buchhandlung eine Ecke mit Regio-Krimis. Würden Sie Ihren Roman dazu rechnen" Mein Roman ist kein klassischer Krimi. Da gibt es keinen Privatdetektiv, keinen Kommissar. Es ist vielmehr ein historischer Kriminalfall. Zu lösen ist dieser nur mit dem Kopf, nicht durch Zeugenbefragung. Es geht nicht um die Frage, wer ist der Mörder. Das ist ja bekannt. Das Spannende ist der Blick darauf, wie sich das Ganze entwickelt. Frei nach Brecht. Das Buch endet wie eine Kurzgeschichte, völlig offen. Absolut nicht typisch. Was allerdings den Regio-Krimis gleicht, ist die Detailtreue und das lokale Flair. Stichwort Grenze: Das Thema ist ja derzeit sehr aktuell. Zufall" Viele wollen ja jetzt am liebsten einen Zaun um die ganze EU ziehen. Ich weiß nicht, wie das möglich sein soll. Ob das einen Sinn macht und was das bringen soll. Was ich aber weiß ist, dass der 18 Kilometer lange Zaun hier, drei Meter hoch und auf sechs Metern Breite, Hundestaffeln, Bewaffnete – viele Menschen nicht daran gehindert hat, in die Schweiz zu kommen. Menschen, die allen Grund hatten, aus Nazideutschland zu fliehen. Allerdings habe ich schon 2007 mit dem Roman begonnen. Dass das Thema da jetzt so gut reinpasst, hat sich einfach so ergeben. So sind mir einige Zufälle passiert: In meinem Buch stammt der Bösewicht aus Steinen. Reiner Zufall. Hinterher habe ich gelesen, dass dort tatsächlich eine Nazihochburg war. Gibt es schon Resonanz auf das Buch" Bisher noch wenig. Es ist ja erst vor zwei Monaten erschienen. Ich bin gespannt. Armin Zwerger: „Über die Eiserne Hand hinüber, orte Verlag, 26 Euro, 196 Seiten, ISBN 978-3-85830-186-4 Die Fragen stellte Gabriele Hauger