Jahresrückblick Schliengen Die Kirche ist im Umbruch

Ralf Otterbach
Die Kirche in Obereggenen ist nur eine von drei Kirchen der Kirchengemeinde Eggenertal/Feldberg. Foto: Alexander Anlicker

Die Gemeinden intensivieren ihre Zusammenarbeit. Ralf Otterbach, evangelischer Pfarrer im Eggenertal, erlebt die Veränderungen in seinem letzten Dienstjahr vor der Pensionierung hautnah. Dies schildert er in einem Gastbeitrag.

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Kaiser Augustus ausging…“ Mit diesen Worten beginnt die Weihnachtsgeschichte in der Bibel. Für die Kirchengemeinden in der Badischen Landeskirche galt in diesem Jahr etwas Ähnliches. Man könnte sagen: „Es begab sich aber im Jahr 2024, dass ein Gebot vom Oberkirchenrat ausging, dass sich jede Gemeinde einschätzen sollte.“ Denn es sollen Pfarrstellen gekürzt und der Gebäudebestand reduziert werden. In einem ersten Schritt im kommenden Jahr, dann noch einmal 2032.

Der Grund dafür ist – keine neue Entwicklung –, dass die Mitgliederzahlen in der Kirche schrumpfen und damit auch das Aufkommen der Kirchensteuer, das Einkommen der Kirche. All das bedeutet in der Konsequenz: Es kann nicht so weitergehen wie bisher.

Kirchengemeinden arbeiten zusammen

Deshalb haben sich Kirchengemeinden zu einem Kooperationsgebiet zusammengeschlossen, wie zum Beispiel die Kirchengemeinden Auggen, Eggenertal-Feldberg, Neuenburg und Schliengen. Sie arbeiten unter dem „wohlklingenden“ Namen „Markgräflerland 4“ zusammen.

Es kann nicht mehr alles überall angeboten werden

In der Gemeindeleitung heißt es: Nicht mehr jeder schafft für sich alleine, sondern es wird abgesprochen, wer was macht. Und das nicht nur in der Gemeinde vor Ort, sondern eben im ganzen Kooperationsgebiet. So findet der gesamte Konfirmationsunterricht für alle Gemeinden in Neuenburg statt. Dafür ist der Pfarrer dort aber weitgehend von den Aufgaben Beerdigungen, Trauungen und Taufen befreit. Das ist ein Modell der Zukunft, weil man sich auf seine Stärken besinnen kann und daran arbeitet, was einem liegt.

Das Modell hat aber auch seine Schwierigkeiten, denn es funktioniert nur dann, wenn Menschen bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen und auch Gemeindegrenzen zu überschreiten. Damit einher geht die Bereitschaft, auch in einem anderen Ort einen Gottesdienst zu besuchen und nicht nur in der Kirche vor Ort. Oder bei einem Gemeindekreis mitzumachen oder zu einer Veranstaltung zu gehen, die eben in der Nachbargemeinde stattfindet. Denn das ist eine Folge der Kooperation: Es kann nicht mehr alles für alle überall angeboten werden. Aber das, was stattfindet, das kann eine ganz neue Qualität haben.

Was kann weiter geleistet werden – und was nicht

In meinem letzten Dienstjahr vor meiner Pensionierung erlebe ich diesen Umbruch und diese Veränderung hautnah. Nach mir wird die Pfarrstelle im Eggenertal/Feldberg noch einmal ausgeschrieben. Allerdings nur als eine halbe Pfarrstelle, das bedeutet eine Kürzung um 50 Prozent.

Ich selbst bin davon nicht mehr betroffen, aber ich überlege mir oft: „Was könnte ein Nachfolger, eine Nachfolgerin, weiterführen?“ Und auch: „Was könnte man aufgeben und was kann einfach nicht mehr gemacht werden?“

Im Eggenertal und in Feldberg finden des Öfteren Gottesdienste in anderer Form statt. Doch dann taucht die Frage auf: Kann das überhaupt so weitergeführt werden? Natürlich wird es vieles weiterhin geben. Natürlich werden auch weiterhin Gottesdienste gefeiert. Vielleicht in noch anderer Form und vielleicht finden sie auch nicht mehr so häufig statt wie bisher – aber es wird sie sicher weiterhin noch geben.

Abschied: Meist schwingt leise Traurigkeit mit

Für mich ist das letzte Jahr in der Gemeindearbeit allerdings so etwas wie eine kleine Abschiedstournee. Vieles mache ich zum letzten Mal in der offiziellen Funktion als Pfarrer. Der letzte Weihnachtsgottesdienst, der letzte Segnungsgottesdienst an Silvester, die letzte Osternacht oder das letzte Kindergottesdienstfest. Da ist selten die Erleichterung, wenn ich etwas in Zukunft nicht mehr machen muss. Meistens schwingt eine leise Traurigkeit mit. Denn fast alles, was ich in der Gemeinde getan habe, habe ich von Herzen gerne getan.

Am Ende bleibt mir jetzt nur eins, nämlich den Boden so vorzubereiten, dass andere darauf weiterarbeiten können. Sodass weiter darauf gesät wird, weiter etwas wächst, manches Blüten treibt und vieles Frucht bringt. Nicht nur in der eigenen Gemeinde, sondern eben auch im Kooperationsgebiet, im Miteinander und Füreinander.

Ohne die Ehrenamtlichen wird es nicht gehen

Alles werden die Hauptamtlichen nicht auffangen können und alles werden sie nicht weiterführen können. Die Zukunft der Kirche liegt ganz entscheidend in der Hand von Ehrenamtlichen. Mit ihrem Einsatz kann es gelingen, dass die Kirche und die Gemeindearbeit weiterhin lebendig, attraktiv und interessant bleiben. Ohne sie wird es nicht gehen. Und ohne Gottes Beistand und Hilfe erst recht nicht.

Der Autor

Ralf Otterbach
 wurde im Jahr 1959 in Dortmund geboren und wuchs in Ennepetal (bei Wuppertal) auf. Mit seinen Eltern zog der gebürtige Westfale schließlich nach Staufen und wurde Teil der Badischen Landeskirche.

Evangelische Theologie
studiert hat Otterbach in Münster und in Tübingen. Im Anschluss war er als Lehr-Vikar in Wehr tätig. Nach einer kurzen Station in Helmsheim (bei Bruchsal) war er von 1988 bis 1999 zunächst Pfarrvikar und Pfarrer in Mudau. Daran schloss sich eine Pfarrstelle in Waghäusel an. Seit 2010
ist Otterbach Pfarrer der Kirchengemeinde Eggenertal/Feldberg. Im kommenden Jahr wird er mit 66 Jahren in den Ruhestand gehen. Otterbach ist verheiratet und hat sechs Kinder.

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