Jubilare Ingeburg Rother feiert 95. Geburtstag

Gottfried Driesch
Ingeburg Rother Foto: Driesch

„Ich bin zufrieden“: Mit diesen Worten begrüßte Ingeburg Rother unsere Zeitung zum Gespräch. Noch immer kann die Seniorin eigenständig leben.

„Ich bin zufrieden“: Mit diesen Worten begrüßte Ingeburg Rother unsere Zeitung zum Gespräch. Noch immer kann die Seniorin eigenständig leben. Unterstützung erhält sie von ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn, die gleich in einer Wohnung nebenan wohnen.

Viel hat die Jubilarin in ihrem langen Leben erlebt. Sie wurde am 30. September 1929 in Koschen/Niederlausitz als Ingeburg Keba geboren. Mit vier Geschwistern wuchs sie auf. Das Elternhaus sei den Nationalsozialisten gegenüber kritisch eingestellt gewesen. Mitte der 1930er Jahre baute die Familie in Lauta/Erzgebirge ein kleines Haus. Der Vater arbeitete im größte Aluminiumwerk Europas in Lauta. Öfters habe er sich für Kollegen und Zwangsarbeiter eingesetzt, erzählt sie. Die Quittung seien mehrere Verhaftungen durch die Gestapo gewesen. Kurz vor Kriegsende wurde er zum so genannten „Volkssturm“ eingezogen und fiel.

Die Berichte vom Krieg in der Ukraine bringen bei der Jubilarin alte Erinnerungen zum Vorschein, die sie als Jugendliche erleben musste. Die Aluminiumwerke und der Ort Lauta seien mehrfach bombardiert worden. Die ganze Familie sei darum mit allen Kleidern zum Schlafen ins Bett gegangen. „Wenn der Alarm kam hatte man nicht genug Zeit, sich erst noch anzuziehen“, erinnerte sich Ingeburg Rother.

Das übliche Pflichtjahr gleich nach der Schulzeit führte sie weiter nach Osten auf einen Gutshof. Zusammen mit der Gutsfamilie machte sich die gerade 15-jährige in Januar 1945 auf die abenteuerliche Flucht vor der Roten Armee. Nach aufregenden Wochen schlug sie sich nach Berlin zu einer Tante durch.

Nach dem Kriegsende ging die Jubilarin zunächst wieder nach Lauta zur Mutter. Anfänglich wurde sie zur Demontage das Aluminiumwerks zwangsverpflichtet.

1949 wurde in Sosa im Erzgebirge eine Talsperre errichtet. Die Jubilarin arbeitete bei einem Bauingenieur im Büro. Unter den Bauarbeitern war auch Ralph Rother, mit dem sie sich anfreundete. 1950 wurde geheiratet. Zwei Töchter gingen aus der Ehe hervor. Heute machen eine Enkelin und ein Urenkel die Familie komplett.

Mitte der 1950er Jahren war die Grenze zur Bundesrepublik noch nicht hermetisch abgeriegelt. Darum dachte die Familie daran, in den Westen zu gehen. Bei dem Versuch wurde Ralph Rother von der Stasi festgenommen. Danach unterblieben weitere Versuche der Flucht.

Nach dem Mauerfall ging die Familie Rother in die alten Länder der Bundesrepublik. Zunächst nach Bayreuth, 1993 nach Lörrach. 2009 verstarb Ehemann Ralph.

In ihrer Jugend hat die Jubilarin viel Sport getrieben. Besonders das Geräteturnen war ihr Hobby. Sie wäre gerne Sportlehrerin geworden, aber in den Nachkriegsjahren sei dies unmöglich gewesen.

Heute verbringt Ingeburg Rother gerne Zeit mit dem Pflegen von Bekanntschaften. Ihre körperlichen Fähigkeiten hätten zwar abgenommen, aber das Gedächtnis, so betont sie, sei so gut wie früher.

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