Kandern Ärzte machen sich große Sorgen

Saskia Scherer
Die Ärzteversorgung treibt die Menschen in Kandern um. Foto: sba/Patrick Seeger

Versorgung: SPD-Themenabend: Mediziner schildern ihre Sicht der Dinge. Nachfolge und Raumnot.

Kandern - Den Themenabend „Gesundheit und Pflege“ der Kanderner SPD nutzten Ärzte und auch Vertreter aus den Bereichen Pflegedienst und Physiotherapie, um einmal ihre Sicht der Dinge zu schildern. Und alle waren sich einig: Die Zeit drängt.

„Die Situation bei uns ist zwar noch vertretbar, aber nicht besser geworden“, erklärte die SPD-Vorsitzende Elisabeth Kurtenbach-Sepp eingangs. Es gebe etwa keinen Kinderarzt mehr in Kandern, andere Ärzte hätten bereits den Ruhestand im Blick. „Und die demografische Entwicklung lässt den Bedarf steigen“, war Kurtenbach-Sepp überzeugt.

Ihre Fraktionskollegin Gabriele Weber hatte bei ihren „aktivierenden Hausbesuchen“ die Erfahrung gemacht, dass sich die Menschen zwar prinzipiell noch gut versorgt fühlen, ihnen aber die Frage nach der fachärztlichen Versorgung unter den Nägeln brenne.

Komplizierte Bürokratie

„Meine Frau und ich waren vor fünf Jahren die letzten Zahnärzte, die nach Kandern gekommen sind“, nahm Cyrus Abazari den Faden auf. Die gute Arbeit ihrer Vorgängerin habe sie motiviert, in die Töpferstadt zu kommen. Die Praxisräume seien eigentlich als Übergangslösung gedacht gewesen. „Mittlerweile herrscht aber Ernüchterung“, gab der Zahnarzt zu. Gespräche mit der Stadt beschrieb er als „wenig zielführend“.

„Die Situation wird in einigen Jahren katastrophal sein, wenn nichts passiert“, gab sich Hausarzt Joachim Gieringer pessimistisch, der eine Praxis mit seiner Frau betreibt. „Es ist ein sehr schöner Beruf, aber die große Politik vermiest ihn uns.“ Die Ärzte würden „mit Bürokratie bombardiert“.

Im Landkreis Lörrach liege das Durchschnittsalter der Hausärzte bei 57 Jahren. „Und der Anteil an Einzelpraxen ist noch hoch.“ Dabei seien gerade diese schwierig abzugeben. Die Allgemeinmediziner würden deshalb früher aufhören als sie eigentlich wollen und bisher üblich war, wusste Gieringer zu berichten. Laut einer Prognose werde nach 2030 jede zweite Praxis keinen Nachfolger mehr finden, was er als realistisch empfindet. Der Kreis sei aber „erfreulich aktiv“ und bezahle zum Beispiel eine Weiterbildungsstelle. „Wir haben einen Weiterbildungsassistent, der keine Angst vor der Pampa hat“, so Gieringer. Aber ob dieser langfristig bleibt, vermochte er auch nicht zu sagen.

Die älteren Patienten benötigen zunehmend Fahrdienste zum Arzt, berichtete Jutta Quasnowitz, Pflegedienstleiterin in der Kanderner Sozialstation. Diese bietet diesen Service seit zwei Jahren über die Nachbarschaftshilfe an. „Aber allzu viele Kapazitäten haben wir auch nicht.“

Als Grundproblem sah Allgemeinarzt Peter Reimold aus Malsburg-Marzell die „Eindampfung der Studienplätze“. Gleichzeitig gelte es, Millionen von Menschen mehr zu versorgen als noch in den 90er-Jahren. Auch er maß dem Raumproblem große Bedeutung zu. „Eine Stadt wie Kandern muss sich im Klaren sein, dass sie Anreize bieten muss.“

Dort befinden sich viele Praxen in eigenen Räumen. „Das ist nicht motivierend für junge Leute“, meinte Weber. Ihrer Meinung nach bedarf es langfristiger Überlegungen. Mit Blick auf die Entwicklungsflächen in Kandern rechnete sie mit insgesamt 600 zusätzlichen Wohneinheiten, die „in der Pipeline“ stehen würden. Physiotherapeut Thomas Krauss erkundigte sich, ob die Stadt künftigen Bauträgern nicht vorschreiben könne, auch Raum für Ärzte zu bieten.

Kommt ein Ärztehaus?

Im Stadtentwicklungskonzept 2035 für Kandern ist als Leitprojekt auch ein Ärztehaus aufgeführt. Wo genau ein solches entstehen könnte, stehe jedoch noch in den Sternen, wie bei dem Themenabend deutlich wurde. Joachim Gieringer hakte nach, ob das Tonwerke-Areal dafür endgültig ausscheide. Weber verneinte, betonte aber auch, dass dort nicht die Stadt die Preise setze. Sie sah als einzige Chance, dass die Verwaltung den Flächennutzungsplan prüfe und Flächen im Besitz der Stadt sichte.

„Mit all dem darf man nicht zu lange warten“, betonte Krauss. Ins gleiche Horn stieß auch Gieringer: „Kandern ist sehr spät dran.“

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