Kandern Einst ein Festtag mit Tanzgenehmigung

Bernhard Winterhalter

Brauchtum: Gastautor Bernhard Winterhalter blickt auf die bewegte Geschichte des Kanderner Spätjahrmarkts zurück

Wenn die Ernte eingefahren und das Lohnsäckel voll war, dienten sie früher als fröhlicher Abschlusshöhepunkt: Jahrmärkte. Ein Spätjahrmarkt mit einer besonders langen Tradition findet in Kandern am Dienstag, 22. November, endlich wieder statt. Und feiert seinen 450. Geburtstag.

Von Bernhard Winterhalter

Kandern . Schon im Mittelalter und in der Zeit danach hatten die Märkte, die im Freien auf den Straßen und Plätzen der Städte und größeren Gemeinden abgehalten wurden, einen weitaus höheren Stellenwert als heute. Wir erinnern uns an Vieh- und Pferdemärkte, vielleicht auch noch an Kornmärkte. Bis in die heutige Zeit bleiben die vielerorts stattfindenden Wochenmärkte und Jahrmärkte im Gedächtnis. Wein-, Keramik- und Antiquitätenmärkte liegen gegenwärtig ebenfalls im Trend und ergänzen mit ganz speziellen Offerten solche Veranstaltungen.

Zu diesem vielfältigen Marktgeschehen gehört seit mehreren hundert Jahren auch Kandern. Das ehemalige Marktrecht war sehr begehrt, denn nicht jeder Ort hatte in früherer Zeit seinen Kaufladen, in welchem man Gegenstände und Dinge des täglichen Lebens erwerben konnte. Es ist überliefert, dass ab 1696 zumindest ein Wochenmarkt in Kandern bestand.

Spätjahrmarkt vermutlich seit dem 16. Jahrhundert

Als ein Mittelpunkt des Markgräflerlands deckte Kandern in seiner Funktion als Marktort auch den Bedarf der Bevölkerung aus der weiteren Umgebung ab. Vor allem fanden gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse mannigfach Abnehmer von überall her. Die zentrale Lage des Ortes zwischen der Vorbergzone des südlichen Schwarzwaldes und dem Rebland westlich der Stadt begünstigten den Besuch des Marktes.

Der Ursprung des Kanderner Jahrmarkts im Spätjahr ist allerdings nicht genau bekannt.

Die Anfänge gehen offensichtlich bis in das 16. Jahrhundert zurück. In dem Berain – ein Verzeichnis über Besitzrechte einer Grundherrschaft – der Burgvogtei Rötteln aus dem Jahr 1572 ist zu erfahren, dass der damalige Regent, Markgraf Karl III. (1529 bis 1577), „rechter einiger Herr und Inhaber des Marktes Kandern“ war. Spätestens ab diesem Zeitpunkt, also vor 450 Jahren, muss es den Spätjahrmarkt in Kandern schon gegeben haben.

Er fand ursprünglich am Tag der Heiligen Katharina, dem 25. November, statt. Fiel der Tag auf einen Samstag, so wurde der Markt am darauffolgenden Dienstag abgehalten. Bis heute wird am Dienstag vor oder nach dem Katharinentag diese traditionelle Veranstaltung durchgeführt.

Markgraf bewilligt 1756 einen Frühjahrsmarkt

Der spätere Großherzog, Markgraf Karl Friedrich von Baden (1728 bis 1811), der Kandern auch das Stadtrecht verlieh, bewilligte zur großen Freude der Kanderner 1756 einen weiteren Jahrmarkt im Frühjahr.

Der Zeitpunkt für diesen Markt war ebenfalls von Anfang an geregelt. Er findet alljährlich am Dienstag nach „Laetare“ beziehungsweise am Dienstag vor „Judica“ statt. In der Liturgie der katholischen und evangelischen Kirche wird der vierte Fasten- oder Passionssonntag im Frühjahr Laetare genannt und an dem darauffolgenden Sonntag Judica wurden bei den Protestanten die Konfirmandinnen und Konfirmanden eingesegnet. Christliche Feiertage spielten sehr häufig bei der Festlegung von Veranstaltungen für die Allgemeinheit eine wesentliche Rolle.

Welche Bedeutung die Jahrmärkte in den vergangenen Jahrhunderten in Kandern hatten, lässt sich aus verschiedenen alten Unterlagen herleiten. Als 1840 der hiesige „Kronen“-Wirt Johannes Giß (1796 bis 1863) um Genehmigung nachsuchte, seinen neuen Gasthof an der heutigen Stelle (Ecke Bahnhofstraße/Hauptstraße) errichten zu dürfen, wies er darauf hin, dass an Markttagen die Fuhrwerke kaum mehr durch die Hauptstraße fahren konnten, weil von der Lippisbachbrücke bis fast zum „Ochsen“ rechts und links der Straße zahlreiche Stände aufgestellt waren. Darüber hinaus erschwerte die Menschenmenge, die sich an solchen Tagen in der Hauptstraße drängte, ein ungehindertes Durchkommen der Wagen und Gespanne.

Weit über 130 Verkaufsbuden stellten die Händler damals entlang der Hauptstraße und auf dem Marktplatz auf. Den Blumenplatz gab es zu dieser Zeit noch nicht. An dieser Stelle erstreckte sich bis zum Bachufer der Kander lediglich eine Grasfläche, die sich zum Aufbau von Marktständen nicht eignete.

Markttag glich in Kandern einem Festtag

Die Wirte besorgten sich für den Markttag Tanzgenehmigungen, um am Abend in den örtlichen Lokalen den Markt auf fröhliche Weise ausklingen zu lassen. Ohne Frage glich der Markttag in Kandern einem Festtag.

Dessen ungeachtet ist jedoch überliefert, dass es nicht immer ganz so friedlich und frohgemut zuging. In einem Eintrag im Kirchenbuch steht 1716 geschrieben: „Christian Kohler von Weyl aus dem Thurgau ist von Johann Sämer, einem Spieler auf dem hiesigen Jahrmarkt, leichtfertigerweise verwundet worden, wovon er innert 36 Stunden das Leben geendet und allhier begraben worden ist am 27. November.“

Sogar in der Literatur fanden die attraktiven Kanderner Jahrmärkte Eingang. Aus dem relativ unbekannten Gedicht „Die Feldhüter“ von Johann Peter Hebel erfahren wir, dass nicht nur Naturalien und Gebrauchsgegenstände erworben werden konnten, sondern auch diverse Lektüren und allerlei Lesestoff feilgeboten wurde.

Spätjahrmarkt hatte es auch Hebel angetan

In dieser Episode beschreibt Hebel eine Unterhaltung zwischen zwei Freunden, wobei der Heiner dem Frieder mit Freude erzählt, woher er die verschiedenen Büchlein und Schriften habe: „… ich ha si neu am Chanderer Märt g’chauft.“

Schlussendlich verdankt der ansehnliche Blumenplatz, die imposante klassizistische Platzanlage im Zentrum des Städtchens, seine Entstehung auch den Märkten.

1837 entschied der Gemeinderat, die notwendigen Vorbereitungen in Angriff zu nehmen, um „einen schönen geregelten, für die hiesige Stadt der starken Vieh- und Jahrmärkte wegen sehr benötigten Platz zu schaffen“. Mehrere bauliche Veränderungen waren dazu notwendig und dauerten einige Jahre. 1845 wurde abschließend mit den letzten Arbeiten dieser weise Beschluss der ehemaligen Stadtväter erfolgreich umgesetzt und das eindrucksvolle Areal mit den an der Peripherie neu erbauten Häuserzeilen in Kandern vollendet.

Wenn auch heute die Vieh- und Pferdemärkte dort nicht mehr abgehalten werden, so steht doch allen Beschickern der Jahrmärkte für ihre Stände weiterhin eine großzügige Fläche zur Verfügung, um ihr reichhaltiges Warensortiment auf einem ansprechenden Platz wirksam anbieten zu können.

Weitere Informationen: Der Spätjahrmarkt findet am Dienstag, 22. November, von 9 bis 17 Uhr in Kandern statt. Es gibt ein vielfältiges Waren- und Essensangebot an den Marktständen auf dem Blumenplatz und rund um das Notariat.

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