Kandern Geschichten von Flucht und Vertreibung

(ib)
Voll wie selten war die Stadtbücherei beim ersten Kulturabend. Foto: Ines Bode

Kulturabend: Nachdenkliches von Flüchtlingen und Helfern. Publikumsinteresse groß.

Kandern - „Voll wie selten“ war die Stadtbücherei anlässlich des ersten Kulturabends. Darüber freute sich Ursel Uhl für die Organisatoren von der Flüchtlingshilfe und der Bürgerstiftung. Ein Ziel der Erzählrunde sei die Begegnung mit dem Fremden, erklärte Norbert Hagemann als Vertreter der erkrankten Integrationsbeauftragten Angela Schellhorn und wies auf ein Paradoxon hin: Reisen wir nicht in die Ferne, um andere Sitten kennenzulernen? Übernehmen wir nicht seit Jahrtausenden Erkenntnisse ferner Kulturen, teils wissenschaftlicher Art? Übernehmen wir nicht gar fremde Essgewohnheiten? Die Bemühungen der Flüchtlingshilfe indes begleite „viel Negatives“. Angst vor dem Fremden und vor den Kosten sowie Missgunst und Zweifel am Erfolg der Integrationsarbeit.

Beim Kulturabend kamen Geschichten über Vertreibung, Flucht und Neuanfang, aber auch ein Stück weit über Verlust zu Gehör.

Davon, dass Ankommen in Deutschland zunächst für Ungewissheit stehe, sprach eingangs Moderator Herbert Uhl. Passend dazu berichtete Gerlinde Kern von der Integration eines Afrikaners, der wertvoll für ein Wirtshaus geworden war. Seine Abschiebung sei ein harter Schlag für die alteingesessene Familie gewesen, die seit jeher Fremde beherbergte und sich „für Deutschland schämte“. „Aber kurz vor Weihnachten musste die Abschiebequote erfüllt werden.“

„Hört auf, unsere Heimat kaputt zu machen!“

Eine Spur Trauer umgab die Erlebnisse der Syrerin Bayan, „unsere Träume zerfielen“, sagte sie, um zu fordern: „Hört auf, unsere Heimat kaputt zu machen!“ In lyrischer Versform gab sie ihre zweigeteilten Gedanken preis. „Ihr seid eine Generation, die nur in Shisha-Bars herumsitzt. Wir sind eine Generation, die zur Beerdigung ihrer Freunde geht.“

Landsfrau Sara – 15 Jahre alt, ein Jahr in Deutschland – steuerte in ihrer Sprache ein Gedicht des Poeten Nizar Qabbani bei. Lächelnde Mienen rief dies bei den Anwesenden gleicher Herkunft hervor. Ihr Bruder Abduallah kam schon vor drei Jahren, und erklärte, man werde Deutschland zurückgeben, was das Land den Ankommenden gegeben habe.

Barbara Gediehn trug das Gedicht „Taggedanken“ von Friedrich Ani vor. Ein jeder sei ein Ankömmling, im Schoß der Mutter, damit gehe es los, überall auf der Welt, so schrieb es Ani, 60-jähriger Autor aus Bayern, Sohn eines Syrers und einer Schlesierin.

Seinen Roman „Der Syrer meiner Mutter“ nahm Ursel Uhl zum Anlass, um für eine heitere Töne zu sorgen. Denn Ani spickte seine Biografie mit Ironie. Nach 1945 zogen Karawanen entwurzelter Menschen durch Europa, schreibt er, und weiter: 1958 tauchte ein Syrer in Oberbayern auf, wurde Landarzt, war stets zur Stelle, blieb jedoch Ausländer. Zwei Fremde hatten in der Fremde einen Einheimischen mit Dialekt und Lederhose gezeugt, so das süffisante Fazit.

Musikalisch begeisterten Anna Gehlhaar aus Müllheim mit der Gitarre sowie Samano Altahir aus Aleppo mit der Balkanlaute „Saz“. Seine sensiblen Klänge trafen den Nerv, ihr seltenes Esperanto erzeugte Respekt.

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