Kandern Karriere auf steinigen Pfaden

Weiler Zeitung
Heinz-Uwe Hobohm bei seiner Lesung in der Stadtbücherei                                    Foto: Walter Bronner Foto: Weiler Zeitung

Lesung: Erinnerungen des Tannenkircher Tänzers Jean Berth

Kandern (bn). Wenn ich durch das Dorf gehe, laufe ich Spießruten“, notierte Jean Berth in seinen tagebuchähnlichen Aufzeichnungen. Das war zu Beginn der 1950er-Jahre, als der 21-jährige Tannenkircher Träumer noch Herbert Meier hieß und von der Dorfgemeinschaft als Außenseiter gehandelt wurde.

In der nach hergebrachten Prinzipien geprägten Alltagswelt des Markgräfler Bauerndorfs konnte einer, der zum Theater, ja gar als Ballett-Tänzer reüssieren wollte, von niemandem Verständnis erwarten. Zumal er schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war wegen Verstoßes gegen den umstrittenen Paragrafen 175, der erst 1994 endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde.

„Jean Berth, der Tänzer“ heißt das fast 500 Seiten starke Buch, das Herausgeber Heinz-Uwe Hobohm als zweiten Band der nachgelassenen Aufzeichnungen des 2003 verstorbenen „Außenseiters“ jüngst herausgegeben hat und jetzt in einer abendlichen Lesung in der Stadtbücherei Kandern vorstellte. Die Neuerscheinung berührt ebenso wie der Vorgängerband „Jean Berth, der Träumer“, in dem Herbert Meiers Kindheit und Jugendzeit bis zur Volljährigkeit und das Lokalkolorit seines dörflichen Umfelds, einschließlich der Nazi- und Kriegszeit sehr anschaulich dargestellt sind.

Im Gegensatz zu den Schilderungen einer Jugend unter manchen bedrückenden und demütigenden Situationen im ersten Band, beschreibt der zweite die erstaunliche, mitunter recht abenteuerliche Künstlerkarriere, die das spätere Leben dem beharrlichen Träumer dann doch noch bescherte. Deren Anfang war ungemein schwierig, die Ausbildung hart und entbehrungsreich, die frühe Bühnenlaufbahn wiederholt von Rückschlägen und finanziellen Sorgen begleitet. Doch dann kam allmählich Schwung in die Karriere und schließlich der große Durchbruch mit einem Gastspiel in Kairo.

Hobohms Lesung war mit herrlichen Anekdoten gespickt, etwa von amtlichen Hürdenläufen um ein polizeiliches Führungszeugnis und die Anerkennung des Künstlernamens. Alsdann von unbekannten Sitten und Speisen im Orient, von peinlichen Situationen im türkischen Bad und an Portugals Atlantikstrand oder von bürokratischen Blockaden in orientalischen Amtsstuben, die ein kleines Bakschisch wie von Zauberhand beseitigte.

Dass Ballettmeister Berth in seiner Tänzerinnen-Truppe auch bei etlichen Zickenkriegen schlichtend eingreifen musste und die Compagnie in Jordanien nur mit knapper Not revolutionären Umtrieben entkam, in Bari im letzten Moment einer Pfänderspiel-Orgie entfliehen konnte und in Spanien krabbelndes Meeresgetier als Delikatesse vorgesetzt bekam, waren weitere vergnügliche Passagen der vorwiegend amüsanten, mitunter auch betroffen machenden Lesung.

Die Aufzeichnungen enden 1970. Mit ihnen auch die Tourneekarriere Jean Berths, der danach in Tannenkirch erfolgreich ein Ballettstudio betrieb. Das wurde dann in der ausgedehnten Diskussion nach der Lesung thematisiert, zumal die meisten Besucher des Abends Berth noch persönlich kannten.

Das Buch „Jean Berth, der Tänzer“, 474 Seiten, sechs Abbildungen, Paperback-Großformat, ist auf Vorbestellung in der Buchhandlung Berger in Kandern erhältlich.

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