Kandern Mal der Pazifist, mal der Ritter

Weiler Zeitung

Führungen: Wigand Neumann schlüpft in verschiedene Rollen / Fakten und Emotionen verknüpfen

Wenn der Maler August Macke durch Kandern flaniert oder Markgraf Wilhelm von Hachberg-Sausenberg zur Sausenburg oberhalb von Sitzenkirch einlädt, dann verkörpert beide Rollen der Schauspieler Wigand Neumann. Auch im November sollen beide Führungen wieder angeboten werden, wenngleich auch hier die Corona-Pandemie den Takt vorgibt.

Von Adrian Steineck

Kandern. Er ist unsicher, ob alle Führungen wie geplant stattfinden können, sagt Neumann im Gespräch mit unserer Zeitung. „Vergangene Woche hatte ich eine schöne Gruppe beieinander, aber man merkt schon, dass es nicht so wie in vergangenen Jahren ist“, schildert der Schauspieler seine Erfahrungen. So sei die Nachfrage gerade bei privaten Führungen deutlich zurückgegangen. Auch auf die Maskenpflicht weist Neumann die Teilnehmer an seinen Führungen hin, wenngleich dies für ihn bedeutet, die Mimik seiner Zuhörer nicht zu sehen.

Die Zwangspause von Mitte März bis Anfang Juli ist für den passionierten Schauspieler insofern keine ganz neue Erfahrung, als er im vergangenen Jahr bereits aufgrund einer Verletzung pausieren musste. Gleichwohl haben ihm die Führungen gefehlt, da er beide Rollen mit großer Freude verkörpert, wie er sagt: „Ich finde es spannend, anhand der Fakten Emotionalität aufzubauen.“

Maler und Pazifist

Im Fall des Malers August Macke, der von 1887 bis 1914 lebte und zu den bekanntesten Vertretern des Expressionismus gehört, ist Neumann besonders von der familiären Geborgenheit fasziniert, von der der Künstler zeitlebens zehren konnte. Des Malers im Jahr 1909 geschlossene Ehe mit Elisabeth Gerhardt bezeichnet Neumann als das „Idealbild einer Beziehung“: Die beiden haben sich früh kennengelernt und sind durch alle Widrigkeiten hindurch zusammengeblieben. In künstlerischer Hinsicht will der Schauspieler in seiner Rolle des August Macke aufzeigen, wie stark die Natur dessen Bilder prägte.

Über die Recherchen zu den von ihm verkörperten Charakteren hat Neumann auch seine eigene Einstellung zu manchen Dingen überdacht. „Durch August Macke habe ich meine pazifistische Position gefestigt“, sagt der 47-Jährige. Macke, der 1914 im Alter von 27 Jahren als Offizierstellvertreter an der Westfront bei Perthes-lès-Hurlus in der Champagne gefallen ist, hat aus dem Feldlager heraus Briefe geschrieben, die unter dem Eindruck der Schrecken und der Grausamkeit des Ersten Weltkriegs stehen. „Ich halte seine Geschichte gerade in der heutigen Zeit für wertvoll“, sagt Neumann mit Blick auf aktuelle politische Entwicklungen in Deutschland und anderen Ländern.

Ritter und Kämpfer

Aus gänzlich anderem Holz geschnitzt ist da Markgraf Wilhelm von Hachberg-Sausenberg. Aber die Zeiten waren auch andere, lebte der Markgraf doch von 1406 bis 1482 und spielte als Diplomat unter anderem beim Konzil von Basel eine bedeutende Rolle. „Für ihn als Ritter war das Leben ein ständiger Kampf“, legt Neumann dar und attestiert Wilhelm, ein „schlauer Fuchs“ gewesen zu sein: „Er ist 76 Jahre alt geworden, was in der damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit war.“ Die Einstellung des Markgrafen sei die gewesen, dass das Leben nicht lebenswert ist, wenn einem alles in den Schoss fällt.

Neumann, der von 1994 bis 1998 in Freiburg Schauspiel studiert hat und nach Stationen an verschiedenen Theatern seit 2011 als freischaffender Künstler in der Region tätig ist, betont, dass allein schon das Tragen einer Ritterrüstung Spaß mache. „Schon als ich zum ersten Mal die Sausenburg erkundet habe, sagte ich mir, dass ich hier einmal ein Ritterspiel inszenieren will“, erinnert sich der Familienvater. Spannend findet er an der Geschichte des Markgrafen Wilhelm von Hachberg-Sausenberg auch das konfliktträchtige Verhältnis zum Vater, der gestorben ist, als Wilhelm 22 Jahre alt war. Damit könne er sich aufgrund seiner eigenen Familiengeschichte durchaus identifizieren, bekennt Neumann.

Wissen und Unterhaltung

Auch wenn bei den Führungen in Kandern und Umgebung die Wissensvermittlung einen wesentlichen Bestandteil bildet und Neumann nicht mit geschichtlichen Daten geizt, soll das Ganze doch ohne didaktischen Zeigefinger und mit einem gewissen Unterhaltungswert daherkommen. Dabei nimmt Neumann sich auch Freiheiten. „Ich lege etwa August Macke teilweise Sätze in den Mund, die von mir kommen und die er der Überlieferung nach nicht gesagt hat“, legt Neumann dar. Da freue es ihn umso mehr, dass seine Zuhörer, unter denen auch immer wieder Kunstkenner und Macke-Experten sind, dies vorbehaltlos akzeptieren.

Neben den beiden Kanderner Führungen ist Neumann auch in Basel unterwegs: einmal als Nachtwächter, das andere Mal als Erasmus von Rotterdam. „Meine Nachtwächterrolle habe ich von einem Schauspielkollegen übernommen, der auch Kabarettist ist, daher steht dort eher der reine Spaß im Vordergrund“, sagt Neumann. Die Rundgänge als Erasmus von Rotterdam, zu denen er selbst die Idee hatte, wolle er in Zukunft fest etablieren. „Jede Rolle ist verschieden, und jede hat hoffentlich für die Führungsteilnehmer ihren Reiz“, sagt Neumann.

Weitere Informationen: Die Führung zur Sausenburg findet samstags am 7. / 14. / 21. und 28. November jeweils ab 14 Uhr statt. Treffpunkt: Parkplatz Lindenbückle in Vogelbach (Malsburg-Marzell). Sie dauert etwa 120 Minuten und kostet 20 Euro pro Person, Kinder ab 13 Jahren zahlen zehn Euro. Die Führung auf dem August-Macke-Rundweg findet sonntags am 1. / 8. / 15. / 22. und 29. November statt. Treffpunkt ist um 14 Uhr bei der Tourist-Information Kandern, Hauptstraße 18. Sie dauert etwa 90 Minuten und kostet für Erwachsene 15 Euro, für Rentner 13 Euro und für Kinder ab 13 Jahren zehn Euro. Eine Anmeldung bei der Tourist-Information Kandern, Tel. 07626 / 972 356, E-Mail an verkehrsamt@kandern.de, ist jeweils erforderlich.

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