Kandern Stimme und Mimik sind erste Sahne

Weiler Zeitung
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Theater im Hof: Unverwechselbares A-cappella-Ensemble „Muttis Kinder“

Von Jürgen Scharf

Kandern-Riedlingen. Theater im Hof live: Bei der Eröffnungspremiere der 27. Spielzeit am Freitag musste Hausherr Dieter Bitterli beim einsetzenden Gewitter mit Starkregen als Wetterregisseur antreten und das Publikum von der Kastanie in Richtung Schopf umdirigieren.

Die famose Vokalgruppe „Muttis Kinder“ machte das Beste aus den Wetterkapriolen. Als das Donnergrollen immer nähern kommt, bauen die wunderbaren Singschauspieler die Launen Petrus’ mit flehendem Blick oder drohendem Finger nach oben spontan ins Programm ein.

Noch bevor es in die Pause aufs Blätterdach und das kleine aufgespannte Segel prasselt, umarmt Christopher Nell rechtzeitig die Kastanie und stemmt seine ungeheuer komische Soloperformance „Bohemien Rhapsody“ – ein musiktheatralisches Kabinettstück, bei dem er sich in Freddie Mercury-Pose wirft, den Leadsänger von Queen imitiert, und mit seiner Vokalakrobatik das Publikum zum Ausflippen bringt.

verändern, verfremden und verballhornen

Bei Muttis Kindern ist alles anders. Allein schon der Titel „Unsere Greates Hitst“ ist eine witzige Buchstabenspielerei um diesen Begriff. Das Best-of-Album dieses unverwechselbaren A-cappella-Ensembles sind Songs, die die drei Sänger, die von der Schauspielerei herkommen, verändern, verfremden, verballhornen. Da wird herrlich übertrieben, was die kleinen und vielsagenden Gesten betrifft. Da kann dieses subversive Trio sein Schauspieltalent voll ausspielen.

Christopher Nell, Tenor, echter Hochsinger mit Counterqualitäten; Claudia Graue, Schauspielerin mit praller Mimik und schönen Mezzofarben; Markus Melzwig, Muttis Liebling, mit baritonalen Qualitäten: Drei individuelle Stimmen, die Coverversionen mit Eigenem mischen, Theater mit Gesang, ohne Instrumente – stimmtechnisch erste Sahne.

Kleine Slapstickeinlagen wie das Herumreichen der gemeinsam benutzten Wasserflasche werden zum Running Gag. Ein komisch-kesses Gitte Haenning-Medley ist das genaue Gegenteil von Marktplatz-Entertainment aller Schlager-Gittes dieser Welt.

Wie Muttis Kinder die Popularmusik mit hintergründigen Arrangements poetisch-ironisch-clownhaft parodieren und als Ulk mit Tiefsinn auf die Bühne bringen, muss man gesehen haben. Total entwaffnend ihr irrwitzigen Cover „I Pommes myself“, persiflierend der schmachtende Melzwig in „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“.

Mit einer fetzigen Disconummer gehen die frechen „Kinder“ in die Pause, und der Himmel öffnet seine Schleusen, Regenponchos werden ausgepackt, das große Stühlerücken beginnt.

Als Scheunentheater machen die drei Topkünstler weiter mit ihrer perfekten Bühnenshow. Mit dem vielfältigem Vokalspektrum der menschlichen Stimme und experimentellen Gesangsmitteln erzeugen sie Beat, Groove und Soundeffekte wie Drumsounds, Beatboxing und Körperpercussion. Bleiben trotz Blitz und Donner cool, ja, singen noch den allercoolsten Song von Queen.

Das war mehr als ein komödiantisches musikalisches Kammerspiel, das war ein Abend auf zwei Bühnen, gleich zwei Veranstaltungen in einer und mit vier Akteuren. Denn Muttis Kinder haben das Wetter als viertes Bandmitglied angenommen.

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