Kandern Überlebenskampf in Bildern

Weiler Zeitung
Foto: Walter Bronner Foto: Weiler Zeitung

Theater im Hof: Margret Greiner las aus ihrer Biografie über die Künstlerin Charlotte Salomon

Von Walter Bronner

Kandern-Riedlingen. „Papa, was ist ein Judenbengel?“, wollte die elfjährige Charlotte von ihrem Vater Albert Salomon wissen. Statt einer Antwort kam die Gegenfrage: „Wo hast du das denn aufgeschnappt?“ Ob sich diese Szene anno 1928 im Haus des jüdischen Berliner Chirurgen tatsächlich so abgespielt hat, ist nicht belegt.

Der von Margret Greiner verfassten Biografie zum 100. Geburtstag der 1943 in Auschwitz ermordeten Künstlerin dient diese Schilderung gleichwohl als überzeugender Einstieg.

„Charlotte Salomon – es ist mein ganzes Leben“ heißt das Buch, aus dem die Autorin am Samstagabend im Riedlinger Theater im Hof vorlas und danach mit ihrem Auditorium anregenden Gedankenaustausch darüber führte.

Mit fesselnder Sprachkraft und plastischer Lebendigkeit

Stilistisch geradezu nüchtern, zugleich aber mit fesselnder Sprachkraft und plastischer Lebendigkeit beschreibt die Autorin das Schicksal dieser kreativ ebenso hochbegabten wie produktiven jungen Frau. Diese wurde als Halbwaise (der Suizid der Mutter wird als Grippetod kaschiert) von Kindermädchen aufgezogen, verließ als Schülerin antisemitischer Anfeindungen wegen das Gymnasium (gegen väterlichen Rat und Willen), durfte dennoch als Tochter eines Erste-Weltkrieg-Frontkämpfers Kunst studieren, dann aber als Wettbewerbs-Siegerin den zuerkannten Preis nicht annehmen. Sie emigrierte schließlich zu ihren Großeltern nach Frankreich, verarbeitete dort traumatische Erlebnisse (vorübergehende Internierung in Gurs, Freitod mehrerer naher Angehöriger) zeichnend und malend. Charlotte Salomon wurde kurz nach der Heirat mit einem österreichischen Emigranten durch Verrat den Nazi-Schergen ausgeliefert und ins Todeslager deportiert.

Es ist vor allem dieser in Bildern umgesetzte Überlebenskampf der ebenso unbändig schaffenden wie eigenwilligen Künstlerin, der das Interesse der Nachwelt auf sich zieht. Dies aktuell besonders stark in Holland, wo Charlotte Salomons opulenter Bildnachlass im Jüdischen Museum in Amsterdam verwahrt wird.

Die Autorin arbeitet viel Quellenmaterial in die Biografie ein

Das alles beschreibt die einige Jahre als Lehrerin an einem palästinensischen College in Jerusalem tätige Autorin sehr plastisch und detailliert. Dabei konnte sie sich auf ergiebiges Quellematerial wie Tagebuchnotizen, Schriftverkehr, Zeitzeugen-Schilderungen und vor allem auf die über 1300 erhaltenen und zu einem Großteil beschrifteten Gouachen der Künstlerin stützen, so dass wohl nur wenige biografische „Leerstellen“ mit mutmaßlichen schriftstellerischen Freiheiten ausgefüllt werden mussten.

Nachweise zur Faktensicherheit ihrer Recherchen lieferte Margret Greiner auch im Gespräch mit dem Publikum. Dabei interessierte vor allem die spekulative Frage, was aus Charlotte Salomon wohl geworden wäre, wenn sie hätte länger leben dürfen. Vermutlich eine international bedeutende Künstlerin, glaubt Margret Greiner, ergänzt durch den Hinweis, dass für ihren Nachruhm hautsächlich in Holland schon viel getan wurde und weiterhin getan wird.

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