Kandern Von der Faszination entlegener Orte

Weiler Zeitung

Interview: Heide und Erich Wilts haben die Nordwestpassage bezwungen / Morgen Bildervortrag im Kino

Heide und Erich Wilts haben in fast 50 gemeinsamen Segeljahren viel erlebt: eine Antarktis-Umsegelung, eine Überwinterung in der Antarktis, Feuer an Bord, mehr als ein Dutzend Umrundungen von Kap Hoorn, sogar den Verlust ihres Bootes beim Tsunami in Japan. Eine große Herausforderung stand jedoch lange aus: die Bezwingung der Nordwestpassage.

Kandern. Morgen, Mittwoch, ist das Ehepaar zu Gast in Kandern und wird von diesem großen Abenteuer berichten. Alexandra Günzschel sprach mit Erich Wilts über die ungebrochene Segelleidenschaft der beiden.

Frage: Herr Wilts, woher kommt Ihre Sehnsucht nach Abenteuern und Herausforderungen?

Das ist eine schwierige Frage, die man nur oberflächlich beantworten kann. Was einen wirklich treibt, bleibt im Verborgenen. Das müssen Psychologen beantworten.

Entlegene Plätze üben jedenfalls eine wahnsinnige Faszination auf uns aus. Oft haben wir auf unbewohnten Inseln eine Wildnis und Ursprünglichkeit vorgefunden, die man eigentlich gar nicht mehr kennt.

Frage: Sie sind häufig in sehr kalten Gegenden unterwegs. Wie bereiten Sie sich vor auf das extreme Wetter?

Uns reizen extreme Gegenden, das schlechte Wetter dagegen nicht. Wir lieben keine Stürme, nehmen sie aber in Kauf.

Die Ausrüstung ist heutzutage eigentlich überhaupt kein Problem mehr. Das war vor 50 Jahren schon anders. Als ich 1964 nach Island segeln wollte, gab es nur Ostfriesennerze und sonst gar nichts. In amerikanischen Läden konnte man immerhin noch Latzhosen mit Papiereinlagen erwerben.

Frage: Haben Sie auch diese Reise schon mit Ihrer Frau gemacht?

Nein, wir haben uns erst fünf Jahre später auf Norderney kennengelernt. Seither sind wir gemeinsam über alle Ozeane gesegelt, mal alleine, manchmal mit anderen.

Auch bei der Nordwestpassage mit unserem dritten Segelboot „Freydis“ waren noch weitere Crewmitglieder dabei. Zwei von ihnen haben uns auf halber Strecke im kanadischen Cambridge Bay verlassen, weil sie für den ganzen sechswöchigen Segeltörn keine Zeit hatten. Dafür kamen zwei neue dazu.

Frage: Wird es da nicht sehr eng auf einem gerade mal 16 Meter langen Boot?

Meine Frau sagt immer, jeder Gefängnisinsasse hat mehr Quadratmeter zur Verfügung als wir, zumindest dann, wenn es draußen kalt ist und sich alles unter Deck abspielt. Da muss man auf engstem Raum miteinander auskommen. Für Privatsphäre bleiben nur die Koje und die Toilette.

Frage: Gab es kritische Momente auf dieser Reise?

Ja, es gab eine sehr kritische Phase, nachdem wir Cambridge Bay wieder verlassen hatten. Das Eis war dort so massiv, dass wir zunächst nicht weitersegeln konnten.

Packeis kann furchtbar gefährlich sein und ganze Schiffe zerquetschen. Wir hatten am Ende Glück. Im vergangenen Jahr wollten 20 Yachten die Nordwestpassage bezwingen. Jedoch waren die Eisverhältnisse so schlecht, dass nur zwei durchgekommen sind. Die meisten kehrten um, eine Mannschaft musste gerettet werden.

Eine solche Reise stellt immer noch ein hohes Risiko dar. Und trotz aller Vorhersagen weiß man vorher nicht, was auf einen zukommt.

Frage: Womit genau hatten Sie zu kämpfen?

An einer Engstelle waren wir von Eis eingeschlossen und mussten warten. Bei so etwas muss man psychisch sehr stark sein. Das ist aber auch eine Frage der Erfahrung.

Auf der „Feydis“ haben sich in dieser Situation jedenfalls kleine menschliche Dramen abgespielt, über die ich morgen berichten werde.

Frage: Welche schönen Erlebnisse gab es auf dieser Reise?

Das Beglückende war das Erfolgserlebnis, es geschafft zu haben, die Mannschaftsleistung.

Ansonsten war die Nordwestpassage kein wirkliches Vergnügen, sondern sehr hart. Die Landschaft ist wüstenähnlich, Wohlfühl-Atmosphäre kommt da nicht auf.

Frage: Dass Sie die Nordwestpassage überhaupt passieren konnten, ist ja letztlich eine Folge des Klimawandels. Können Sie auch dazu ein paar Worte sagen?

Wir erleben das hautnah mit auf den Weltmeeren und haben in dieser Hinsicht ganz schreckliche Erfahrungen gemacht. Gerade in der Arktis geht es um ganz andere Größenordnungen als in wärmeren Gegenden. Für diese Region wird bereits von einer Erwärmung um fünf Grad gesprochen.

Bedrückend ist, dass das bisschen Tierwelt, was es dort gibt, auch noch gnadenlos gejagt wird. Wir haben wochenlang keine Tiere gesehen.

Frage: Verfolgen Sie die Expedition der „Polarstern“, die derzeit zu Forschungszwecken festgefroren durch die Arktis driftet?

Ja, ein bisschen. Bei früheren Reisen hatten wir auch schon monatelang über Funk Kontakt zu dem Forschungsschiff. Einmal hatten wir den Kapitän und den Funker bei uns zu Gast.

Frage: Und wo werden Sie als nächstes hinsegeln?

Wir brauchen nicht ständig gigantische Herausforderungen. Derzeit wird unser Schiff auf Norderney überholt. Dann geht es über die Biskaya und Lissabon auf die Kanaren. Wir werden segeln, solange es uns Spaß macht.

  Hinweis: Heide Wilts hat 14 Bücher über die vielen Segelabenteuer geschrieben, unter anderem „Eskapade – Von Japan durch die Nordwestpassage“, 400 Seiten mit Fotos und Landkarten, erschienen beim Parimare Verlag, ISBN 978-3947244-07-2, Preis: 24,80 Euro.

Der Bildervortrag findet morgen, Mittwoch, 20. November, ab 19.30 Uhr im Kino Kandern statt. Karten können vorab bei der Stadtbücherei reserviert werden, Tel. 07626/973 400; kontakt@ stadtbuecherei-kandern.de.

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