Kandertal Kirchliche Jugendarbeit sucht in Zeiten des Wandels neue Formate und Wege

Markus Adler
Frieder Rühle hat eine spannende Aufgabe in der Jugendarbeit der evangelischen Kirche übernommen. Foto: /Linus Posselt

Der 26-jährige Frieder Rühle hat die Aufgabe übernommen, jungen Christen von heute zwischen Weil und Kandern ein Angebot zu bieten in Zeiten, in denen sich feste Strukturen auflösen und die Verankerung des Religiösen im Alltag immer lockerer wird.

„Eine feste Burg ist unser Gott“, ist ein Kirchenlied, dessen Text Martin Luther vor 1529 geschrieben haben soll und den jeder Christenmensch kennt. Seine Burg ist räumlich das altehrwürdige Pfarrhaus in Eimeldingen, in das er im Obergeschoss eingezogen ist. Der Kooperationsraum ist die evangelische Variante der katholischen Großpfarreien, der die Zukunft der bisherigen auf das Dorf und die Gemeinden bezogenen Strukturen der Kirchengemeinden widerspiegelt.

Rühle selbst stammt aus dem südlichen Landkreis Karlsruhe und kennt die kirchliche Jugendarbeit aus seinen Zeiten beim Christlichen Verein junger Menschen (CVJM). Das heißt, er kennt Jugendfreizeiten, Geländespiele, Gruppenstunden, Zeltlager und Angebote für Jugendliche aus eigener Erfahrung. Er steht aber vor der Herausforderung, dass seine Zielgruppe zwischen 13 und 18 Jahren diese Formate zwar theoretisch noch kennt und annimmt, aber dass diese Strukturen an viele Orten so gut wie nicht mehr existieren. „Früher gab es noch sehr viele aktive Jugendarbeit in den einzelnen Kirchengemeinden, aber oft sind die Ehrenamtlichen aus diesen Strukturen herausgewachsen, und irgendwann ist von unten nichts mehr nachgekommen“, erzählt Rühle.

Jugendliche sollen gezielt angesprochen werden

„In vielen Gemeinden beschränkt sich das Angebot inzwischen auf den Kindergottesdienst und den Konfirmandenunterricht“, sagt der Diakon. „Die Arbeit in den Gemeinden hängt oft an wenigen Ehrenamtlichen, die sich sehr stark engagieren“, beschreibt er die Situation aus eigener Beobachtung.

„Jugendliche brauchen aber gezielte Angebote, die sich an ihre Bedürfnisse richtet und wollen auch eher etwas unter sich sein“, hat er festgestellt. Zum offenen Angebot eines Discogottesdiensts in Schallbach kamen im März rund 50 Jugendliche aus Weil oder bis aus Schliengen, die dafür Anreisen von bis zu 25 Kilometern in Kauf nahmen.

25 Kilometer Anreisen für einen Discogottesdienst

„Ein solches Angebot gab es vorher hier nicht, also waren sie neugierig und wollten sich das mal anschauen“, berichtet er. „Beim zweiten Termin im November kamen dann nur Jugendliche aus der Nähe, die mich aus der Arbeit vor Ort kannten“, sagt Rühle. Das bedeutet, dass eine nachhaltige Arbeit mit Jugendlichen nur mit der Hilfe bestehender Strukturen und Gruppen auf Dauer gelingen kann.

Solche Gruppen gibt es noch in Binzen, Eimeldingen, Haltingen und Weil, erläutert Rühle, der inzwischen auch weiß, wie schwierig es ist, Jugendliche auf Dauer zu erreichen, mit denen er nicht regelmäßig im festen Kontakt steht. „Ich kann nur Angebote machen, aber die Reichweite eines persönlichen Gesprächs bleibt begrenzt. Ein Plakat aufzuhängen, hilft nicht viel. Die Jugendlichen müssen das Gefühl haben, dass sie sich dort gut aufhoben fühlen und dass sie sich ungezwungen treffen können“, sagt er aus seinen Erfahrungen.

Workshop, neue Orte oder ein Chill-Angebot

Wie erleben Jugendliche diese unsicheren Zeiten mit Kriegen, Krisen und wenig guten Nachrichten? „Ich habe schon den Eindruck, dass Jugendliche etwas davon mitbekommen und sich damit beschäftigen. Wenn ich das mit mir vergleiche, sind die jungen Menschen um einiges politischer, als ich in diesem Alter gewesen bin“, erzählt Rühle.

Seine Herausforderung ist es, neben einem menschlichen Kontakt auch einen theologischen Kontext herzustellen, denn in den flüchtigen kurzen Formaten wie ein Discogottesdienst ist das nicht in der Tiefe möglich.

Daher sucht er auch nach neuen Ansatzpunkten, um mit Jugendlichen über ihren Glauben zu sprechen. Ab Februar wird er zum Beispiel in Weil an der Realschule einsteigen. Außerdem brütet er in der stilleren Zeit um Weihnachten und den Jahreswechsel über Ideen, welche Angebote und Formate erfolgversprechend sein könnten. Von der Arbeit mit Holz in einer Art Workshop, über einen Gottesdienst an einem Alltagsort wie einer Werkstatt oder einem Keller bis hin zu einem offenen Chill-Angebot im Pfarrhauskeller ist alles dabei. Eine große Hilfe ist, dass er sich auf ein Netzwerk stützen kann. „Ich bin inzwischen gut angekommen und gut aufgenommen worden“, freut sich Rühle, der sich in seiner Pfarrhaus-Burg häuslich eingerichtet hat.

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