KI-kuratierte Ausstellung „Grenzen“ „KI bestimmt unseren Alltag längst mit“

Beatrice Ehrlich
Tonio Passlick blickt voraus auf eine spannende Debatte. Foto: Beatrice Ehrlich

Ein Podiumsgespräch zum Verhältnis zwischen Künstlicher Intelligenz und menschlicher Kreativität ist Teil einer viel beachteten Ausstellung im Weiler Stapflehus. Moderator Tonio Passlick erwartet eine rege Debatte.

Der langjährige Kulturamtsleiter Tonio Passlick hat sich in seiner Amtszeit bereits mit digitalen Entwicklungen auseinandergesetzt. Bei der Podiumsdiskussion im Haus der Volksbildung, die er am 16. Januar, moderieren wird, erwartet er eine rege Debatte.

Wo man hinschaut: KI. Ist das ein Trend-Thema?

Die Frage nach den Chancen und Gefahren des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz begegnet uns in letzter Zeit häufig. Den Menschen wird immer mehr bewusst, wie sehr wir im Alltag schon von KI unterstützt oder teilweise manipuliert werden. Aber wie der Basler Publizist Matthias Zehnder in seinem Vortrag zur Ausstellung im Stapflehus angemerkt hat: der Begriff „KI“ stimmt eigentlich so nicht. Was wir darunter verstehen, ist die Fähigkeit von Maschinen, menschliche Intelligenz nachzubilden, indem programmierte Algorithmen aus Erfahrungen lernen , indem sie Muster erkennen und dadurch flexibel auf neue Situationen reagieren. Die KI wirkt damit autonom, ist aber nur so gut wie die Menge der Informationen, die sie aus dem Internet fischen kann oder mit der sie gefüttert wird. Eine KI kann als Avatar visualisiert und damit personifiziert programmiert werden – wie die Kuratorin in der Ausstellung, mit der man scheinbar interagieren kann. Aber sie hat keine autarken Gefühle und trifft ihre Entscheidungen nicht autonom. Sie kann nicht aus sich heraus tätig werden.

Was hat die KI mit Kunst zu tun?

Die Kunst wird spätestens seit Beuys immer auch in ihrem politischen Kontext verstanden. Sie ist per se hochpolitisch. Sie befeuert die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Wir dürfen uns nichts vormachen: Kuratoren treffen immer subjektive Entscheidungen bei der Auswahl von Künstlern für eine Ausstellung. Bei der „Regionale“ – einem seit 25 Jahren wachsenden trinationalen Ausstellungsprojekt – ging es in diesem Jahr darum, unter 900 Bewerbern Positionen auszuwählen, um ihre Werke in einer von 18 Galerien auszustellen. Ich kenne das selber: Als Ausstellungsmacher trifft man aus der Vielfalt des Materials eine intuitive Auswahl und versucht, daraus thematisch einen roten Faden zu entwickeln. Die KI kann das viel schneller. Sie kann die Bewerbungen systematisch scannen, bündeln und so ein Thema herausfinden, das besonders viele Künstler bewegt oder zur Region passt, hier eben das Thema „Grenzen“. Patrick Luetzelschwab hat als verantwortlicher Galerist die vorgeschlagenen Künstler dann besucht. Viele von ihnen fanden sich von der KI gut beschrieben, wenn auch nicht in ihrer innersten Inspirationsquelle erfasst. Das kann ein Mensch bislang besser. Was dabei herausgekommen ist, finde ich erstaunlich. Für mich ist es eine der besten Ausstellungen, die wir im Stapflehus bisher „erleben“ konnten.

Warum haben Sie die Rolle des Moderators übernommen?

Weil ich von der VHS angefragt wurde. Für die Weiler Volkshochschule hatte ich über Jahre die kontrovers angelegte Diskussionsreihe „Am Puls der Zeit“ mitentwickelt und moderiert. Zweitens kenne ich die „Regionale“ seit ihrer Entstehung, da mir der damalige Leiter der Kunsthalle Basel angeboten hatte, uns mit dem Stapflehus zu beteiligen. Viele Ausstellungen hatte ich damals selber kuratiert. Drittens interessieren mich die Chancen und Gefahren technologischer und digitaler Entwicklungen seit Jugendzeiten. Dazu haben wir auch Kunstprojekte initiiert. Etwa, als wir 2016 im Stapflehus mit Florian Mehnert das BIG DATA-Projekt „Freiheit 2.0“ als künstlerisch umgesetzten Selbstreflexions-Prozess mit dem vom Kunstverein realisierten Tracking. Oder beim Kunstprojekt „Spuren“ mit dem polnischen Künstler Wojtek Radtke beim Kieswerk Open Air 2013. Die GPS-Spuren der freiwillig getrackten Leute sind noch heute als Kunstwerk in der Naturarena verewigt.

Verwenden Sie selbst KI?

Bislang nur aus technischer Neugier. Wir werden keinen technischen Fortschritt aufhalten. Wichtig ist vor allem seit den Zeiten des Internets, sich nicht manipulieren lassen zu wollen und deshalb technische Zusammenhänge zumindest in Ansätzen zu verstehen. Und sie als Werkzeug zu nutzen, dann können sie auch viel Segen bringen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie im Einsatz von KI?

Wie bei vielen rechnerischen Entwicklungen lässt sie sich in vielen Bereichen einsetzen. Sie bestimmt unseren Alltag längst mit, ein Beispiel ist die personalisierte Werbung, die wir aufs Handy bekommen. Damit geht immer die Frage einher: Wie stark lässt Du Dich beeinflussen? Oder abstrakt: Wie sehr dient der Einsatz von KI einem sozialen, demokratisch gesteuerten und gerechten Fortschritt und wie stark beflügelt er nur die Interessen weniger Profiteure oder politischer Interessen zur Beeinflussung von Wahl- oder Konsumverhalten.

Müssen wir sie auch fürchten?

Einige Dystopien, also Horror-Szenarien, oder frühe Science-Fiction-Romane beschreiben Ängste vor kalten Maschinen, die eines Tages eine Art autonome Steuerung über die menschlichen Geschicke zu übernehmen scheinen. Letztlich ist es immer der Mensch, der die Nutzung steuert und durch entsprechende Programmierung Super-Data-Zentren erschaffen kann. Weit gediehen ist die Anwendung von KI beispielsweise bei Drohnen, die im Krieg eingesetzt werden. Da kommt ein hochdifferenziertes Interaktionsmodell zum Zuge.

Welche Positionen sind unter den Podiumsteilnehmern vertreten?

Das werden wir dann bei der Diskussion sehen (lacht). Die Kunsthistorikerin Isabel Balzer vom Kunstverein ist sowohl kuratorisch als Galeristin als auch künstlerisch aktiv. Ich bin gespannt auf ihre Sicht. Der promovierte Publizist Matthias Zehnder aus Basel beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit der Digitalisierung und ihren Folgen. Er versachlicht das Thema, wie wir schon bei seinem Vortrag hören konnten. Die Künstlerin Ana Vujic gehört zu den immerhin 300 von 900 Bewerbern für die „Regionale“, die nicht von einer KI ausgewählt werden wollten. Auch auf dem Podium sitzen wird der promovierte DATA-Scientist Timo Kropp, der das Programm für die Kuratorinnen-KI entwickelt hat und dies anschaulich in seinem Vortrag am kommenden Sonntag im Stapflehus darlegen wird. Mit Katharina Rüll ist auch eine der in der Ausstellung vertretenen Künstlerinnen dabei. Ausstellungsleiter Patrick Luetzelschwab wird sicher seine Erfahrungen mit der „Kuratorin“ schildern.

Worauf freuen Sie sich?

Ich bin gespannt, welche Punkte zu Kontroversen führen und wo es Übereinstimmung geben wird. Auf jeden Fall sind das gesamte Projekt, aber besonders die Podiumsdiskussion, ein wichtiger Beitrag, um das Thema besser verstehen und einordnen zu können.

Mehr Information

Die Podiumsdiskussion
Ausstellung „Grenzen“; Podiumsgespräch KI und menschliche Kreativität: Ein Spannungsverhältnis?“; Donnerstag, 16. Januar, 19 bis 21 Uhr, Haus der Volksbildung Weil am Rhein

Zur Person
Tonio Passlick, geboren 1955, ist freier Journalist, Musiker, Moderator und Rezitator. Er war 34 Jahre lang Kulturamtsleiter der Stadt Weil am Rhein, sechs Jahre Redakteur bei einer Tageszeitung und tritt regelmäßig mit verschiedenen professionellen Ensembles zwischen Barockmusik und Jazz-Rock auf. Er wohnt mit seiner Familie in Weil am Rhein.

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