Fern jeder Konvention
Hier hätte Ingo Ganter seinen Einsatz gehabt, und wie man hörte, haben die Proben des Stücks den Beteiligten viel Freude gemacht. Nun erklang es in Duo-Besetzung, aber das war auch interessant, denn es ist Musik fern jeder Konvention, ebenso wie die folgenden vier Lieder aus den „Songs of Travel“ des britischen Sinfonikers und Erneuerers des englischen Liedes, Ralph Vaughan Williams, auf Gedichte von Robert Louis Stevenson.
Die englische Perspektive
Darin geht es um eine Lebensreise, um Aufbruch und Erinnerung, um innere Reisebilder der Seele. Die Vertonungen sind die englische Perspektive auf das Wanderermotiv, den Reisenden, wie man ihn aus der Schubertschen „Winterreise“ kennt. Vor allem das erste Lied des neunteiligen Zyklus („The Vagabond“) über einen Menschen, der kein Zuhause hat und viel unterwegs ist, erinnert an Gustav Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“.
Das letzte der vier vom Duo vorgetragenen Klangbeispiele, „Let Beauty Awake“, spricht für sich selber und gab das Konzertmotto vor: „Lass Schönheit erwachen“. Die Liedreise machte auch Halt bei der deutschen Romantik, dem Liederzyklus „Dichterliebe“ von Robert Schumann, im Hochzeitsjahr mit Clara geschrieben. Sechs Stücke daraus trug Susanne Wessel verinnerlicht mit zartem Sopranton und berührender Stimme vor: ein schön gewundener Schumann-Kranz, von „Im wunderschönen Monat Mai“ bis „Ich grolle nicht“.
Seelengemälde
Man vermisste hier keine virile Baritonstimme oder einen strahlenden Tenor bei diesen Heine-Vertonungen mit einigem Leidensüberschuss über Tränen und Seelentiefe. Auch ein lyrischer Sopran kann die Herz-Schmerz-Situation darstellen und Susanne Wessel machte keine dramatischen, sondern geschmackvolle Seelengemälde daraus, denen man allenfalls noch mehr Farbe und Nuancen hätte abgewinnen können.
Monika Zauter war der Sängerin bei diesem Rezital eine aufmerksame Mitgestalterin am Klavier.
Im Herbst geht es weiter
Zwei Mal erklang auch Johann Sebastian Bach, in einem Präludium aus der ersten Partita als Klaviersolo, dann als Zugabe des Duos der Choral „Jesu bleibet meine Freude“. Das war die letzte Konzertperle in dieser Saison, zumindest für dieses Frühjahr; im Herbst wird die Reihe fortgesetzt. Im Sommer geht wieder das Festival-Open Air mit Konzerten am Pool im Freibad Steinen über die Bühne.
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