Kleines Wiesental Ein unüberwindbares Hindernis

Markgräfler Tagblatt

Der Laie braucht jede Menge Vorstellungsvermögen, der Fachmann indes nur einen

Der Laie braucht jede Menge Vorstellungsvermögen, der Fachmann indes nur einen kurzen Blick, um die Erhebungen, Wellen und Linien im Boden richtig einzuordnen. So wurde unlängst die flächenmäßig bislang größte Linearschanze in der Region gefunden. Diese ist einzigartig, weiß der Heimathistoriker und Schanzenexperte Werner Störk.

Von Michael Werndorff

Kleines Wiesental-Neuenweg. Schnee bedeckt die Hänge im Kleinen Wiesental, der Blick von Störk streift über die Neuenweger Sternschanze samt Kommunikationsgräben, deren Konturen sich aufgrund der Schneedecke besonders gut abzeichnen. Die historische Pass-Sicherung am Hau ist gut erforscht, dennoch birgt das sich südlich anschließende Gelände in Richtung des Gewanns Holderköpfle auch für den Historiker noch Überraschungen, die sich nun erstmals wie Puzzleteile in ein großes Ganzes einfügen.

Der Aufstieg zur Holder-Linearschanze führt entlang eines Grenzsteins, der den Übergang vom katholisch-habsburgisch-vorderösterreichischen Reichsgebiet im Osten zum evangelisch-baden-durlachischen Markgräflerland im Westen bildete, und weiter an terrassenförmigen Geländespuren vorbei. Diese Vorposten ermöglichten den Blick hinein in den darunterliegenden Rehgraben. Durch diesen und den Steinenhofbach wäre das Umgehen des gut gesicherten Hau-Passes für französische Soldaten, die in Hüningen stationiert waren, durchaus möglich gewesen, wie Störk darlegt. Daher sei die Holder-Linearschanze genauso wichtig gewesen, wie die Pass-Sicherung auf dem Hau selbst. „Ein Angriff hangaufwärts wäre für Feinde ein aussichtsloses Unterfangen gewesen, denn oben hätte sie eine gut gesicherte Verteidigungslinie, 2,50 Meter tief und vier Meter breit, mit zugespitzten Palisaden erwartet. Hinter diesen standen geschützt die Infanteristen, die mit Flinten und Musketen den kompletten Hang unter Kreuzfeuer nehmen konnten“, erklärt der Lehrer im Ruhestand, während er mit seinem Wanderstock die Schussbahnen in den Schnee zeichnet: Tote Winkel und somit mögliche Lücken für ein Durchkommen gab es nicht. „Jeder Baum und jeder Strauch, der für den Angreifer eine gewisse Deckung bieten konnte, wurde umgehauen, und auch schwere Feldgeschütze hätten aufgrund der Topografie und ballistischen Flugbahn nichts ausrichten können“, betont Störk den präventiven Abschreckungscharakter der Schanze.

Platz für 100 Zelte

Es sei ein idealer und multifunktionaler Standort gewesen, der alle Angriffsszenarien effektiv abdecken konnte. Nach oben hin, wo sich heute der Wald befindet, schließt sich eine Wallgrabenanlage an, die als Kernstück die gesamte Anlage sicherte – mit einer komplexen, sich über drei Ebenen erstreckenden Innenstruktur. Der Schopfheimer Schanzenspezialist geht davon aus, dass sich dort neben einem Signalturm auch ein Biwak mit Blockhäusern und Raum für 100 Zelte befand. Die boten wiederum Platz für rund 200 Soldaten, wohingegen während des Winters nur eine Wachmannschaft Stellung hielt. „In der kalten Jahreszeit fanden kaum Kampfhandlungen statt. Der Aufwand, unter anderem Futter für die Tiere zu organisieren, wäre zu groß gewesen“, erklärt der Heimathistoriker. Zudem kam es zeitgleich mit Errichtung der Linie zu einer Verschiebung der europäischen Machtpolitik, welche die militärischen Interessen auf andere Regionen richten ließ. Für die hier stationierten Reichstruppen, vorwiegend Soldaten aus Kursachsen, muss es ein entbehrungsreiches Leben gewesen sein: Man schlief in kleinen Zelten auf Stroh und steckte sich zum Schutz vor der Kälte wärmendes Heu in die Stiefel. Das Trinkwasser wurde mit Essig haltbar gemacht, gleichzeitig sollte es für einen besseren Geschmack sorgen, wie Störk schildert.

Ein Leben voller Entbehrungen

Ein Leben voller Entbehrungen Nicht minder entbehrungsreich war das Leben derer, welche die Schanzen bauen mussten. Es waren nämlich zunächst nicht die Soldaten, die zu Hacke und Spaten griffen, sondern die Bauern, welche als „Schanzbauern“ Frondienst leisten mussten und in dieser Zeit ihre Höfe nicht bewirtschaften konnten. Diese Holder-Linearschanze, deren ursprüngliche Entstehungszeit laut Störk mit hoher Wahrscheinlichkeit schon vor 1693 lag, ist bislang weder in schriftlichen Quellen noch in aktuellen Forschungsberichten erwähnt. „Sie war tatsächlich unbekannt, ist einzigartig und vor allem auch archäologisch noch relativ gut erhalten“, betont er die Bedeutung der Entdeckung. Diese hat übrigens Erwin Eiche gemacht. Den Neuenweger Weidewart führt es immer wieder in die Natur. Er kennt die Holder-Anlage schon länger und hat die eigenartigen Linien im Gelände intuitiv als „nicht natürlich“ klassifiziert und seine Beobachtungen Störk präsentiert. Für diesen eröffne die Entdeckung nicht nur ein neues Kapitel der hiesigen Schanzenforschung, sondern sie schlage damit eine ganz neue Seite in der Regionalgeschichte auf, bilanziert er. „Im Vergleich zu den 120 bekannten Anlagen im Südschwarzwald besitzt diese ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal.“ Das ließe sich auch touristisch vermarkten, ist Störk überzeugt und denkt an ein Schanzenpfad und Führungen.

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