Kleines Wiesental Viele Gründe sprechen gegen Bogensport-Parcours

Markgräfler Tagblatt

BETRIFFT: Einrichtung eines Bogensportparcours im Kleinen Wiesental

BETRIFFT: Einrichtung eines Bogensportparcours im Kleinen Wiesental

Passt es wirklich, sich einen Bogensportparcours mit kiloweise Schaumstoffwild ins Kleine Wiesental zu holen? Dies angesichts der Umweltkatastrophe mit unverrottbarem Mikroplastik. Diese sogenannten 3D-Ziele bestehen aus Polyurethan-, Polyethylen- oder anderen Plastikschaumstoffen und sind oft mit schwermetallhaltigen Farben bemalt. 3D-Wild zerbröselt quasi permanent, da die Plastikmasse, damit sie in die entsprechende Form gebracht werden kann, mit einem Weichmacher vermengt werden muss. Dieser entweicht dann nach und nach als Gas in die Umwelt, unter anderem sind krebserregende Stoffe darin enthalten. Das Plastiktier wird durch den Einfluss von Licht und Temperatur immer spröder, verursacht bei Treffern mehr und feinere Brösel. Die enden dann als unverrottbare Mikroplastikteilchen und landen dann zum Beispiel in unseren Nahrungsmitteln oder im Bauch eines Vogels, der dann jämmerlich daran zugrunde geht. Rewe bietet inzwischen keine Einkaufstüten aus Plastik mehr an. So eine Tüte wiegt zirka 20 Gramm, ein mittelgroßes Schaumstofftier wiegt zirka neun Kilogramm; neun Kilogramm Plastik würden für 450 Plastiktüten reichen! So sollte das Aufstellen von kiloweise Schaumstoffwild in einem Naturpark ein Unding sein. Zumal sich Bogenschützen immer gerne als echte Naturburschen inszenieren, sollten gerade sie sich um Alternativen, die hinlänglich bekannt sind, sorgen. Hinzu kommen dann noch Splitter von zerbrochenen Carbonfaser-Pfeilen, die sich üblicherweise im Boden von Bogensport-Parcours finden und blutende Schnittwunden verursachen. Was Hils und Stifter natürlich nicht erwähnen, ist die Tatsache, dass viele Bogenparcours vollständig umzäunt sind und es so zu gar keinem Kontakt mit Wanderern kommen kann. Wer glaubt, einen mit 120-220 Kilometer pro Stunde heransausenden Pfeil mit Hinweisschildern abwehren zu können, ist auf dem Holzweg. Ich würde jedem raten, mindestens 200 Meter Sicherheitsabstand zu einem Bogenparcours einzuhalten. Gesetzlich heißt es: „Es muss sicher gestellt sein, dass der Pfeil niemanden verletzen kann.“ Klingt relativ schwammig, bedeutet aber, wenn was passiert ist der Schütze beziehungsweise der für das Grundstück Verantwortliche dran. Nach entsprechenden Vorfällen wurde der Deutsche Schützenbund dann etwas genauer: „Nach der Schießordnung des Deutschen Schützenbundes muss der Schießplatz mindestens 15 Meter neben der Zielscheibe frei sein, außerdem muss, von der Schießlinie aus betrachtet, eine freie Fläche von 150 Meter Tiefe vorhanden sein.“ Eine auf 150 Meter Tiefe frei einsehbare Fläche gibt es im Kleinen Wiesental so gut wie nicht. Oder muss da schon wieder mal abgeholzt und begradigt werden? Auch ein Pfeilstopp in Form eines Pfeilfangnetzes gilt nicht mehr als ausreichender Schutz, wieder der Schützenbund: „Pfeilfangnetze werden nicht mehr als sicherer Schutz angesehen. Es gibt kein Pfeilfangnetz, das einen Pfeil sicher aufhält. Auch ein doppeltes Netz bietet nur bedingt Schutz. Eine Kombination aus einem Pfeilfangnetz (pfeilschonend) und einer Holzwand (hält den Pfeil sicher auf), wird von den Bogensportverbänden heute empfohlen.“

Das sieht stark nach einem nach Außen fast komplett abgeriegeltem Gebiet aus. Auf einer Länge von vier Kilometern sind das wieder einige Hektar Kleines Wiesental, die der Öffentlichkeit vorenthalten bleiben. Falsch ist die Behauptung, der Bogensport würde boomen. Der große Boom ab 1995 fand bereits 2015 sein Ende, seitdem stagnieren die Mitgliederzahlen in den Bogenvereinen. Und angesichts von mindestens zehn Bogenparcours im Umkreis von nur 20 Kilometern, die alle mehr oder weniger weiter unten Richtung Rheintal liegen, ist kaum zu erwarten, dass in den wettermäßig schlechteren Jahreszeiten mal kurz ins Kleine Wiesental gefahren wird. Von den Gemeinderäten nach Problemen mit Wanderern angesprochen, antworteten Hils und Stifter, dass ihnen da nichts bekannt sei. Das ist, mit Verlaub gesagt, schlicht die Unwahrheit, wissen die beiden doch ganz genau, daß der Bogenparcours an der Kälbelescheuer im April 2018 vom Landratsamt dicht gemacht wurde und der Betreiber Heribert Wiesler, die noch intakten Bogenparcours-Utensilien den Minselnern überlassen hat. Grund für die Schließung dieses Parcours ist, laut Landratsamt, die hochexplosive Gemengelage zwischen den verschiedenen Interessen: Bogenschützen, Wanderern, Jägern, Bauern und Naturschutz. In Bayern und im Harz wurden 2018 zwei Parcours-Vorhaben nicht genehmigt, weil die Forstrevierleiter das „ständige Galama“ mit den Bogenschützen, dass ihnen Kollegen berichtet hatten, vermeiden wollten. Und diese hochexplosive Gemengelage soll nur zwei bis acht Kilometer (Luftlinie und je nach Standort) weiter südlich plötzlich eine Andere sein?

Ich selbst habe vor zwei Jahren die Anlage eines Bogenparcours in Neuenweg im Ortschaftsrat angeregt. Mein Plan war einen „nachhaltigen Parcours“ mit Zielen aus Stroh beziehungsweise aus anderen umweltfreundlichen Materialien und nur für wirklich traditionelle Schützen (Holzbogen, Holzpfeile) einzurichten, doch aufgrund der oben erwähnten Konflikte ließ ich schnell von dem Vorhaben ab. Warum wird nicht in viel naheliegendere Projekte und unter Beteiligung der Bewohner des Kleinen Wiesental investiert? Als da wären ein Brauchtums-Museum mit Vorführungen beziehungsweise Workshops zu altem Handwerk, von Kennern des Tales geführte Exkursionen, nachhaltige und naturkundliche Angebote für Alt und Jung. Grundsätzlich ist zu bedenken, das mit jedem auswärtigen Investor, der ins Tal geholt wird, auch immer ein Stück Heimat zu Grabe getragen wird.

Michael Bittl

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