Kleines Wiesental Rückblick auf bewegende Geschichte

Heiner Fabry
Martin Halm, Geschäftsführer des Kraftwerks Köhlgartenwiese, erinnert an die Umstände, die vor 100 Jahren dazu geführt haben, dass im Kleinen Wiesental ein Kraftwerk zur Stromerzeugung gebaut wurde. Foto: Heiner Fabry

Jubiläum: Kraftwerk Köhlgartenwiese feierte 100-jähriges Bestehen mit Festakt.

Kleines Wiesental-Tegernau - In einer eindrücklichen Jubiläumsfeier im Zirkuszelt feierte das Kraftwerk Köhlgartenwiese sein hundertjähriges Bestehen. Viele der Festredner erinnerten angesichts der bewegten Geschichte des Kraftwerks an dessen Gründer, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit zukunftsweisendem Weitblick dieses Projekt – gegründet auf Solidarität und Bürgerengagement – ins Leben gerufen hatten.

In seinem historischen Rückblick ging Martin Halm, Geschäftsführer des Kraftwerks, auf die schwierigen Zeiten bei der Gründung ein. Schon damals zeigten sich Schwierigkeiten, die den Menschen auch heute nicht fremd sind. Die Bürger des Kleinen Wiesentals, der Gemeinde Malsburg-Marzell und Endenburg verlangten nach elektrischer Energie, die in den städtischen Bereichen längst selbstverständlich war.

Anfragen bei dem Stromversorger der Region wurden jedoch wegen zu hoher Kosten abgelehnt. Da schlossen sich die Gemeinden zu einem Bezirksverband zusammen und entschieden, ein eigenes Kraftwerk zu gründen.

Mit der Unterstützung eines Privatunternehmers gründeten die Gemeinden 1919 einen Bezirksverband, der den Kraftwerksbau sofort in Angriff nahm und schon im Dezember 1920 die angeschlossenen Gemeinden – trotz vielfältiger Hindernisse – mit Strom beliefern konnte. Der verlorene Erste Weltkrieg, und die sich anschließende Geldentwertung schufen permanente „Herausforderungen“, die nur in Solidarität und mit großer Unterstützung der Bürger bewältigt werden konnten. Das Kraftwerk blieb durch die Bezirksverbands-Struktur mehrheitlich im Eigentum der Bürger.

Das Kraftwerk überstand die schwierigen Anfangsjahre und den Zweiten Weltkrieg. Halm erinnerte an das Engagement des damaligen Bürgermeisters von Wies, Weber, der durch sein beherztes Eintreten die von den Nazis gegen Kriegsende angeordnete Zerstörung des Kraftwerks verhindert habe.

Michael Sladek kritisiert Regulierungswahn

Erst ab dem Jahr 2000 machte die politische Entwicklung das Überleben kleiner Energieversorger praktisch unmöglich. Überbordende Bürokratie und mit der Liberalisierung des Strommarktes „verbundener Regulierungswahn“ (Michael Sladek) konfrontierten das Kraftwerk mit Aufgaben, die es alleine nicht stemmen konnte. Auf seiner Suche nach einem strategischen Partner wandte sich der Vorsitzende des Bezirksverbands, Gerd Schönbett, als andere mögliche Partner eine Partnerschaft abgelehnt hatten, an die EWS. In einer Bürgerversammlung sprach sich die Mehrheit der über 150 Teilnehmer dafür aus, das Kraftwerk und sein Netz in Kooperation mit einem Partner zu behalten und den Betrieb nicht zu verpachten. 2014 wurde dann die Kraftwerke Köhlgartenwiese GmbH gegründet, die zum 1. Januar 2015 ihren Betrieb aufnahm. Die von den Gründern beabsichtigte Sicherung der Mehrheitsverhältnisse der Bürger im Kraftwerk wurde beibehalten. Der Bezirksverband hält auch in der GmbH 70 Prozent der Anteile. Durch die neue Partnerschaft konnte ein Jahr nach der Gründung der GmbH das erste Nahwärmenetz im Kleinen Wiesental in Tegernau realisiert werden. Martin Halm schloss seinen historischen Überblick mit dem Zitat des Festredners zum 50-jährigen Bestehen des Kraftwerks: „Mögen in dem Talgrund der Köhlgartenwiese noch recht lange die Maschinen ihr rastloses Brummen ertönen lassen und Zeugnis ablegen – von dem Wagemut und Ausbauwillen ihrer Gründer in Zeiten schwerer wirtschaftlicher Not.“

Landrätin Marion Dammann nannte die Gründung des Kraftwerks eine „weitsichtige Pionierleistung“. Der Bau des Kraftwerks in Zeiten der Inflation sei exemplarisch gelöst worden. Die Einbeziehung der Wasserkraft in die Stromversorgung sei auch heute ein „gesellschaftliches Top-Thema“, so Dammann.

Gerade auch wegen der klimatischen Entwicklung sei es heute erforderlich, alle Möglichkeiten der erneuerbaren Energien - Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft - zu nutzen. Für den verantwortlichen Umgang in der Stromerzeugung gratulierte die Landrätin dem Geschäftsführer und wünschte weiterhin viel Erfolg in der Arbeit.

Klaus Mintrup, Bundestagsabgeordneter der CDU, erläuterte seine Beziehungen zu Schönau. Als Gründungsmitglied einer eigenen Energiegenossenschaft in Berlin unterhalte er enge Beziehungen nach Schönau und sei selbst Mitglied in der EWS-Genossenschaft. Er setze auf das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ und komme immer wieder gerne nach Schönau, um zu erleben, wie sich der Ansatz der früheren Stromrebellen weiter entwickle. (Über die weiteren Statements im Festakt berichten wir noch).

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