Kleines Wiesental Tanz-Lust

Jürgen Scharf
Um neue Hüllen geht es beim Ensemble „Vis à Vie“. Foto: Jürgen Scharf

Rosenhof: Internationales Festival im Weideschuppen im Kleinen Wiesental: vier Tanztage

Kleines Wiesental -  „Wenn Sie sich fragen, warum ich bei einem Tanzfestival auftrete – fragen Sie Pilar!“. Mit diesem Ausspruch landete die Schauspielerin und Chansonette Judith Bach schon mal einen Lacher. Sie war tatsächlich die einzige Nicht-Tänzerin an diesen vier Tanztagen, aber das stimmt auch wieder nicht ganz. Bach hat extra einen urkomischen Breakdance einstudiert – in der Hoffnung, dass Pilar genau hinschaut.

Und natürlich schaute sie zu. Der Name Pilar war in aller Munde, die Festivalmacherin Pilar Buira Ferre der Dreh- und Angelpunkt bei dieser Neuausgabe des internationalen Tanzfestivals „Tanz - Kultur - Distanz im Dialog“, das dieses Mal nicht im Rosenhof und im Freien, sondern erstmals im Weideschuppen in Wies über die Bühne ging.

Alles war stimmig

Pilar hier, Pilar dort. Pilar, die das Programm ansagt, sich beim Publikum fürs Kommen in diesen Zeiten bedankt und den Künstlern Rosen überreicht. Pilar, die Choreografien mit zwei eigenen Ensembles erarbeitet und sich mit ihrer Enkelin Anna Vogel Buira tanzend an einen „Lost Place“ begeben hat.

Es war bewundernswert, was die katalanische Choreografin und Tanzpädagogin unter Corona-Bedingungen auf die Beine gestellt hat. Man kann das mit drei Worten beschreiben: sensationell, außergewöhnlich, eindrucksvoll. Alles war stimmig, die Auftritte, die Künstler, der Ort, die Atmosphäre, die urige Halle. Und man spürte die große Dankbarkeit des Publikums, das sich in diesen kulturarmen Zeiten nach Kunst sehnt.

Großes Aufatmen: Endlich macht mal wieder jemand etwas! Danke, danke, Pilar, dass du den Mut hast, trotz allem. Das schwirrte durch die Köpfe der Besucher, die von Donnerstag bis Sonntag fantastische Stücke präsentiert bekamen. Von Tänzern, die seit März nicht mehr auftreten konnten. Um noch mal Judith Bach zu zitieren: „Sie sind mein allererstes Publikum seit vier Monaten.“

Die Mischung macht es. Dieses Mal war sie besonders geglückt: ein vielfältiges Programmangebot, interessant, zwischen Solo- und Duo-Performances bis hin zu kleineren Ensembles. Es war eine gleiche Linie in diesem Programm mit vielen Verbindungs- und Unterlinien zwischen diesen sehr speziellen Tanztheater- und Modern Dance-Stücken.

Wo steht der Mensch?

Eine kleine Sensation war die Compagnie Linga aus der Schweiz. Das Trio kommt in Fechterkostümen auf die Bühne mit einbeinigen Schemeln wie beim Kühemelken. Mit diesem vertrauten bäuerlichen Gegenstand, der zum Sportgerät von Athleten wird, erkunden die Tänzer das Thema Gleichgewicht: Wo steht der Mensch? Wie wackelig ist alles, das Gefühl, der Körper, die Welt? Irgendwann lassen sie die Schutzgitter hinter ihrem Kopf fallen und der Ein-Bein-Stuhl wird zur Säule, an die man sich stützen kann.

Es war eines jener sehr beweglichen, dynamischen, körperlichen Stücke, zudem passend zum heimlichen Motto des Festivals „Distanz“. Das Thema soziale Distanz hinterfragen auch die Choreografien von Pilar Buira Ferre selber, wo es um diese aktuelle Situation ging.

Besonders eindrücklich zu sehen bei den drei Frauen der „Vis à Vie“-Gruppe, die in durchsichtige Plastikfolien-Mäntel gekleidet sind, in die Geschichten eingeschrieben wurden. Ines Berlanda, Gabriele Bösch und Susanne Schaub tauchen ein in die Isolation, schlüpfen in eine neue Haut, legen diese dann wieder ab. Surreale Szenen der Hüllenträgerinnen, komplex, aber auch spielerisch und humorvoll. Die Schöpferin der Kostümobjekte, die Lörracher Künstlerin Astrid J. Eichin, war am Sonntag von der Qualität der Performance sichtlich begeistert.

Überhaupt haben sich die hauseigenen Gruppen von Aufführung zu Aufführung gesteigert. Das war professionell auf hohem tänzerischem Niveau, was die Körperbeherrschung und die nicht immer gebräuchlichen Bewegungsformen betrifft. Auch die neue „In-Zeit-Sprung“–Ausgabe, eine Reflexion über männliche Rituale, besetzt mit sechs Männern, war eindrücklich und mit ganzer Kraft gespielt.

Das konnte sich im Umfeld der Profitänzer sehen lassen und war ebenso fortschrittlich und kreativ wie der Spinnentanz der Pariser Tänzerin Maria Yannaros, eine Frau, die sich in eine Spinne verwandelt, oder die Soloperformance von Helga Carafi von der renommierten Compagnie Increpación Danza aus Barcelona, die eine Fusion von Tanztheater, Flamenco und Modern Dance mixt und eine alternde Diva mit blonder Perücke mimt.

In diesen Moment passte auch ein ganz anderer Stil, das freche Chansonkabarett der Judith Bach, die als berlinernde Göre Claire mit weißer Bluse und roter Krawatte das Publikum mit Geschichten über ihre Oma und erfrischendem Mutterwitz amüsiert – und damit zum Rundumerfolg des Festivals beiträgt.

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