Kleines Wiesental „Wir haben früher anders gelebt“

Markgräfler Tagblatt
Albert Röther dichtet auch mit 101 Jahren noch regelmäig. Unser Bild zeigt Röther mit seiner Ehefrau Helene.                                                                                                                                                                        Foto: Gudrun Gehr Foto: Markgräfler Tagblatt

Personalie: Gedicht des 101-jährigen Albert Röther zum Coronavirus

Albert Röther, der am Montag, 30 März, 101 Jahre alt geworden ist,  schreibt immer noch gerne Gedichte. Nun hat er eines über das Coronavirus geschrieben. Gudrun Gehr hat Albert Röther und seine Frau Helene, die seit über 60 Jahren treue Leser des Markgräfler Tagblatts sind, besucht.

Kleines Wiesental-Raich (ger). Der in Maulburg im Jahr 1919 geborene Albert Röther aus dem „Hinterhag“ bei Hohenegg, hat sich Gedanken über das Coronavirus gemacht und diese in einem Gedicht verarbeitet. Seit mehr als 40 Jahren schreibt der Senior, der mit einer robusten geistigen und körperlichen Konstitution ausgestattet  ist, alemannische Gedichte über seine Alltagswahrnehmungen, die Heimat und seine Schlüsse zum Weltgeschehen.

Insbesondere sind  seine augenzwinkernden Sprüche beliebt, und er meldet sich regelmäßig im Mitteilungsblatt der Gemeinde Kleines Wiesental mit einem Gedicht zu Wort. Hier wechselt er sich mit seinen Versen ab mit Elsa Wittum aus Holl, die als „Nachtigall des Kleinen Wiesentals“ bekannt wurde.  Einige  Gedichthefte hat Röther im Laufe der Jahre geschrieben, er ist ein gern gesehener Gast bei Dichterlesungen, zuletzt im Januar im Museumsgasthaus „Krone“ in Tegernau. 

Auch hat er seine Lebensgeschichte mit  schwierigen Familienverhältnissen und  einer armen und entbehrungsreichen Kindheit niedergeschrieben. Es folgten karge Zeiten in der Jugend und eine traumatische Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Als Kriegsgefangener kehrte er 1948 aus Russland zurück. Er wog noch 51 Kilogramm. 

Trotz der Armut schmunzelt Röther über eine von ihm als erfüllend empfundene Kindheit als Mitglied der „Städlibuben“, einer Gruppe von Lausbuben, die im  Entegast in Schopfheim ihre Streiche trieben. Im Alter von zwölf Jahren musste er die Familie seiner Mutter verlassen und zur neuen Pflegestelle nach Hohenegg umziehen. Dort erwartete ihn viel Mitarbeit in der Landwirtschaft. Jetzt noch erinnert er sich in Dankbarkeit an das erste Geburtstagsgeschenk seiner neuen Familie, die ihn gut behandelte:   Es waren „Eiere-Anke“, in Butter gebratene Spiegeleier. 

Im Vorwort seiner Lebensgeschichte heißt es unter anderem: „In der späteren Zeit kann sich ja niemand mehr in unsere Vergangenheit zurückversetzten, weil man es nicht erlebt hat und sich nicht hineindenken kann.“  

Und daher sprudelt es wegen der aktuellen Virus-Epidemie aus dem Senior heraus: „Wir haben früher anders gelebt, hatten einen anderen Lebensstandard. Gerade die Umstellungen der letzten 50 Jahre mussten zwangsläufig  zu einer Änderung führen.“ Sorgen machen ihm die Auswüchse der Wegwerfgesellschaft mit den haushohen Stapeln gelber Säcke und die noch intakten, aber als Müll deklarierten Gegenstände, die auf der Deponie landen. Der lebenserfahrene Senior stellt fest: „Die Menschheit macht die Menschheit kaputt. Irgendwann musste mal der Knall kommen, wir haben keine guten Zustände mehr.“ Auch macht er sich Gedanken um die Luftverschmutzung:  „Der Sauerstoffmantel der Erde muss soviel Dreck aufnehmen, er erträgt nicht mehr alles.“ Und weiter: „Alle haben nun mehr Freiheit, aber alles ist übertrieben und überspannt. Alle Leute wollen immer mehr.“ Auch bedauert er: „Unser Nachwuchs hat auch keine schöne Kindheit mehr, wir hatten damals  trotz unserer Armut eine viel schönere Kindheit.“

Röther weiß, dass in seiner Jugend nicht über die „Spanische Grippe“ gesprochen wurde, eine Grippe-Epidemie in den Jahren 1918 und 1919. Er meint: „Damals gab es für uns noch keine Zeitungen oder andere Informationen.“ Davon hatte er erst nach vielen Jahren erfahren. Allerdings weiß er von Erzählungen der  Großmutter seiner Ehefrau Helene. Diese  wohnte in Neuenweg und berichtete von einem Krankheitsausbruch der Ruhr um das Jahr 1900. In Neuenweg seien einige Menschen an dieser Krankheit gestorben. 

Der bescheiden gebliebene Hohenegger meint zum Geheimnis seines robusten Alters: „Schaffe - und den Ärzten dankbar sein.“

Im Laufe der Jahre sind aber doch einige gesundheitliche Beeinträchtigungen zusammengekommen, die ärztlicherseits gut behandelt wurden.  Auch Röthers Ehefrau Helene, geborene Tschira,  kann zwischenzeitlich auf ein gesegnetes Alter von 95 Jahren zurückblicken.  Das Paar heiratete im Jahr 1952 und übernahm später den elterlichen Bauernhof der Ehefrau. Aus der Ehe gingen die  beiden Kinder , zwei Enkel und drei Urenkel hervor. 

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading