Dabei wäre es beinahe ganz anders gekommen. Denn vor fast 100 Jahren gab es im Land Baden Ansätze für eine Kommunalreform. Es sollten größere Verwaltungseinheiten gebildet werden. Besonders dachten die Behörden damals an Kommunen mit bis dato weniger als 500 Einwohnern.
Anno 1931 machen die Behörden Druck
Blättert man im zweiten Band von Erhard Richters „Beiträge zur Geschichte von Grenzach-Wyhlen und Umgebung“, findet man dazu Genaueres. Richter zitiert aus einem Erlass des badischen Innenministeriums, den das Bezirksamt Lörrach am 6. Oktober 1931 der Gemeinde Wyhlen mitgeteilt hatte. Die übergeordnete Behörde wünschte, dass eine Vereinigung von Wyhlen und Herten „in den Bereich der Erörterung“ zu ziehen sei.
Zwar waren die beiden ins Auge gefassten Orte gar nicht so winzig, die Behörde berief sich bei ihrem Vereinigungsvorschlag Richters Ausführungen zufolge aber darauf, dass auch im Falle von finanzieller Not oder räumlicher Lage eine Vereinigung empfehlenswert erscheinen könnte. Entsprechende Maßnahmen seien „ungesäumt einzuleiten“, zitiert Richter in seinem Beitrag. „Dafür müsse man aber nicht die Zustimmung der Bevölkerung der betreffenden Orte oder gar die in ihrer Existenz bedrohten Organe der aufzuhebenden Gemeinden einholen“, schreibt der Grenzacher Heimatforscher in seinem 2011 erschienenen Buch.
Wyhlen und Herten drohte somit eine „von oben“ angeordnete Zwangsheirat. Natürlich, so heißt es weiter, wäre es wünschenswert, Gemeindefusionen via gegenseitiger Vereinbarung zustandebringen zu können. Man behalte sich aber eine „Notverordnung“ vor, um Gemeindezusammenlegungen gegebenenfalls zu erzwingen.
Bezirksamt Lörrach setzt Wyhlen eine kurze Frist
Das Bezirksamt Lörrach setzte dabei eine erstaunlich kurze Frist. Hatte die Behörde sich erst am 6. Oktober 1931 in dieser Sache an die Gemeindeverwaltung von Wyhlen gewandt, wurde gefordert, dass der Gemeinderat den Vorschlag einer Fusion mit Herten so rasch wie möglich eingehend beraten soll und das Beratungsergebnis bis spätestens 5. November dem Bezirksamt vorgelegt werden müsse. Also war nur ein knapper Monat Zeit, um darüber zu befinden, ob Herten und Wyhlen in den kommunalen Ehehafen einfahren sollen.
Wyhlen und Herten sehen keinen Grund
In Wyhlen gab man sich zunächst folgsam, denn der Gemeinderat setzte den Wunsch des Bezirksamts Lörrach am 22. Oktober 1931 auf seine Tagesordnung. Erhard Richter zitiert wörtlich aus der anschließend folgenden Mitteilung des Bürgermeisteramts Wyhlen an die Lörracher Behörde (sic): „Der Gemeinderat ... ist der Meinung, dass aus der fraglichen Zusammenlegung von Wyhlen und Herten nichts zweckmässiges erreicht werden kann. Wyhlen hat rund 2600 und Herten 1500 Einwohner und sind die beiden Gemeinden beinahe eine Stunde Wegstrecke voneinander entfernt. Es sprechen auch sonst keinerlei Punkte für eine Vereinigung und hat auch jedenfalls keine dieser Gemeinden den Wunsch in eine nähere Behandlung dieser Sache einzutreten. Auch vermag der Gemeinderat nicht zu erkennen in welcher Weise Ersparnisse aus einer Vereinigung von Wyhlen und Herten erzielt werden können.“
Beziehungen sind heute sehr eng und gut
Mit dieser Aussage war das Lörracher Bezirksamt offenbar zufrieden, denn das Thema Zwangsehe war damit vom Tisch.
Während Herten später am 1. Oktober 1973 in die Stadt Rheinfelden eingegliedert wurde, taten sich Grenzach und Wyhlen am 1. Januar 1975 zu einer Doppelgemeinde zusammen. Die Beziehungen zwischen Grenzach-Wyhlen und der Stadt Rheinfelden sind seither auf vielerlei Ebenen sehr gut und eng. Beim Markhof zum Beispiel hat die Gemeinde Grenzach-Wyhlen die Planungshoheit für die auf beiden Gemarkungen aktuell geplanten baulichen Maßnahmen des Str. Josefshauses in die Hände der Stadt Rheinfelden gelegt, um das Verfahren nicht unnötig zu verkomplizieren. Gymnasialschüler aus Herten besuchen bis heute im Regelfall das Lise-Meitner-Gymnasium in Wyhlen und nicht dessen Rheinfelder Pendant. Auch der Hertener Recyclinghof liegt auf halbem Wege nach Wyhlen – unmittelbar an der Gemarkungsgrenze.
„Im Großfeld“ wird zum „Maiackerweg“
Und um das Thema „Navigationsgeräte-Verwirrung“ noch einmal aufzugreifen: Weil sich viel zu oft fehlgeleitete Lastwagen auf den Rührberg verirrten, sich in den engen Kurven beim „Rührberger Hof“ verkeilten oder gar des Nachts verzweifelt am Waldrand standen, hat die Stadt Rheinfelden die Straße „Im Großfeld“ Ende des Jahres 2015 in „Maiackerweg“ umbenannt. Zu nah war für das Verständnis mancher Navigationsgeräte offenbar der Vergleich mit der „Großfeldstraße“ im Gewerbegebiet Schildgasse.
Was das mit dem Rührberg zu tun hat? Ganz einfach: Die kleine, jüngst vom SAK erworbene Feriensiedlung auf dem Rührberg liegt an ebendiesem Maiackerweg, der bis dato „Im Großfeld“ hieß. Die Siedlung gehört – politisch, aber nicht „optisch“ – zu Herten und somit zur Stadt Rheinfelden, das Dorf Rührberg selbst aber schon immer zu Wyhlen. Die von der Adressähnlichkeit fehlgeleiteten Lastwagen wollten also „von Rheinfelden nach Rheinfelden-Herten“. Und blieben dabei auf dem Wyhlener Rührberg stecken.
Der Selbsttest bei Google Maps“ fällt dabei ernüchternd aus. Dieser Kartendienst kennt den „Maiackerweg, Rheinfelden“ also bis heute noch nicht. Aber „Im Großfeld, Rheinfelden“ wird immer noch auf dem Rührberg verortet. Bleibt somit nur zu hoffen, dass kein Lastwagenfahrer „Google Maps“ als Navigationsgerät-Ersatz benutzt.