Konflikt im ESW Ex-Leiter meldet sich mit scharfer Kritik

Anja Bertsch
Lange Jahre Motor und Gesicht des Evangelischen Sozialwerks, sieht sich Martin Mybes nun zu einer ausnehmend kritischen Stellungnahme gegenüber der ESW-Leitung veranlasst. Foto: Gerald Nill

Es rumort weiter gewaltig im Evangelischen Sozialwerk Wiesental (ESW), dem Träger von Georg-Reinhardt- und Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Nun meldet sich der ehemaligen Geschäftsführer Martin Mybes zu Wort und erhebt Vorwürfe gegen die ESW-Führungsspitze.

Der menschliche Umgang ist in der ausführlichen Stellungnahme ebenso Thema wie die aktuelle wirtschaftliche und konzeptionelle Betriebsführung.

Zur Erinnerung: Vergangene Woche waren der (seit Oktober) neue hauptamtliche Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer Matthias Lang und der Verwaltungsratsvorsitzende Jürgen Multner in die kommunikative Offensive gegangen: Die beiden traten Vorwürfen bezüglich Mietwucher im „Service-Wohnen“ im Dietrich-Bonhoeffer-Haus ebenso entgegen wie Gerüchte über eine allgemein schlechte Stimmung unter Bewohnern und Mitarbeitern der verschiedenen Senioren-Einrichtungen unterm Dach des EWS. Letztere waren unter anderem in einem anonymen Schreiben geäußert worden.

Offen eingeräumt wurde in dem Pressegespräch indes, dass der Pflegedienst „Curare“ tiefrote Zahlen schreibt und dass es mit Blick auf die wirtschaftliche Lage auch in den übrigen Betriebszweigen des ESW Bedarf und Potenzial für Optimierungen gebe.

Unterschwellig schwangen in den Äußerungen Vorbehalte gegenüber dem langjährigen Geschäftsführer Martin Mybes mit, der im vergangenen Jahr in den Ruhestand gegangen war.

„Irreführung durch die Verantwortlichen“

In Reaktion darauf meldet sich dieser nun selbst in einer ausführlichen Stellungnahme zu Wort und spricht von „unzutreffenden Darstellungen, Behauptungen und irreführenden Schlussfolgerungen der aktuell Verantwortlichen des ESW.“

Mybes war knapp 18 Jahre lang für das Georg-Reinhardt-Haus (GRH), später ESW tätig. 2007 rettete er das GRH, damals noch als selbständiger Berater, aus akut prekärer Lage vor dem Zusammenbruch. Später war er entscheidend an Neubau und konzeptioneller Neuausrichtung des Pflegeheims in Richtung stationärer Haus- und Lebensgemeinschaft beteiligt, ebenso an der Erweiterung des ESW-Portfolios: Das Dietrich-Bonhoeffer-Haus wurde gebaut, die Curare gGmbH gegründet, eine Tagespflege und Service-Wohnungen in Betrieb genommen.

„Belastung über alle Kräfte hinaus“

„Der ambulante Zweig des ESW, die Curare gGmbH, hatte und hat unbestreitbar etliche und vielfältige Sorgen“, schreibt Mybes. Die Gründe seien vielfältig. Unter anderem aber hingen sie damit zusammen, dass er diesen Bereich nach dem Ausscheiden der Geschäftsführerin seit Mitte 2022 quasi „nebenbei“ miterledigen musste. Die Belastung in jener Zeit „ging letztlich über alle Kräfte hinaus“, schreibt Mybes. Und weiter: „Unterstützung, gleich welcher Art, durch die Gremien des Vereins gab es nicht. Die Curare gGmbH sackte schleichend immer weiter ab.“

Vorbereitungen auf mögliche Insolvenz

Indes: „Alle Mitglieder des Vorstands und des Verwaltungsrats waren zu jeder Zeit vollumfänglich zur je aktuellen wirtschaftlichen, personellen und konzeptionellen Situation informiert“, betont Mybes. Insoweit sei der Status „natürlich keine Überraschung“ gewesen, wie nun suggeriert werde.

Im Herbst 2024 habe er den Vorstand darüber informiert, dass er aufgrund der Entwicklung der Curare gGmbH eine Insolvenz nicht mehr ausschließen könne und sich als verantwortlicher Geschäftsführer für die notwendigen Maßnahmen prophylaktisch bereithalte.

Seine Absicht, das Unternehmen mit Zieldatum 2024 zu verlassen, habe er frühzeitig, schon Anfang 2023, kommuniziert, schreibt Mybes weiter. Grund seien „abweichende Vorstellungen und Werte zu einer gemeinsamen Verantwortung für das Unternehmen“ gewesen. Um die Nachfolge und Fragen der künftigen Betriebsführung rechtzeitig zu klären, habe er im Auftrag des Verwaltungsrats unter anderem eine Klausurtagung mit ausgewiesenen externen Experten vorbereitet. Diese allerdings sei vom Vorstandsvorsitzenden einen Tag vor dem vereinbaren Termin abgesagt worden, so Mybes.

Er reagiert damit auf Aussagen des Verwaltungsratsvorsitzenden Multner, der angedeutet hatte, dass sich Mybes explizit aus der Nachfolgersuche herausgehalten habe – den letztlich von Verwaltungsrat und EWS-Vorstand ausgewählten Matthias Lang dann aber nicht akzeptiert habe.

Leerstelle im Qualifikationsprofil

Eine Beteiligung am Entscheidungsprozess über einen Nachfolger „schien mir nicht nicht professionell und ist im Sozialmanagement auch völlig unüblich“, schreibt Mybes dazu – wird zugleich allerdings durchaus deutlich mit Blick auf die Leerstelle, die er im Qualifikationsprofil seines Nachfolgers wie auch des übrigen Vorstands und der Hauptverwaltung ausmacht: „dass niemand mehr mit originärem, einschlägigem Wissen und Erfahrungen aus dem Sozialmanagement vertreten (ist)“. Der neue Geschäftsführer Lang war bekanntlich über 30 Jahre lang bei der VR-Bank; auch weitere Mitarbeiter in der Hauptverwaltung und nicht zuletzt der Vorstandsvorsitzende Bernhard Schlageter kommen aus der Bankenbranche. Mybes spricht in diesem Zusammenhang von der „vermessenen, irrigen Vorstellung, eine völlig branchenfremde Person könnte innerhalb weniger Wochen in ein derart komplexes Fachgebiet ordentlich eingearbeitet werden“.

„Geradezu krasse Fehlentscheidungen“

Den Vorsitzenden wirft Mybes für die zweite Jahreshälfte 2024 „wiederholt geradezu krasse Fehlentscheidungen“ vor – „durchweg zu meinen Lasten, aber auch zu Lasten einer geordneten Übergabe der Geschäfte.“ Neben den inhaltlichen Darstellungen schwingt in Mybes’ Schreiben spätestens ab dieser Stelle die tiefe persönliche Verletzung mit Blick auf den menschlichen Umgang mit. Er spricht unter anderem von einem „absoluten Höhepunkt einer gewiss nicht zufälligen Demütigung“, bezogen auf Einbehaltung seines letzten Gehalts „mit der Begründung einer angeblichen Überzahlung“. Dies im übrigen, nachdem ihm noch Anfang 2024 „eine hohe fünfstellige Bonuszahlung“ angeboten worden sei, die er selbstverständlich abgelehnt habe – zum einen aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, zum andern, „weil derartige Sonderzahlungen im Bereich von Diakonie und Caritas aus gutem Grund völlig unüblich sind.“

Ihm sei bewusst, dass die vorgelegte Stellungnahme ein Grenzgang sei, schreibt Mybes. Diese Klarstellung aber sei unumgänglich, angesichts von Gerüchte wie einer angeblichen Unterschlagung seiner und angesichts eines „äußerst fragwürdigen und würdelosen Umgangs und einer Verächtlichmachung“ mit seiner Person. Dies nach jahrelangem persönlichem Engagement seiner selbst wie auch seiner Frau, das letztlich nicht einnmal einen würdigen offiziellen Abschluss gefunden habe.

„Den Schuldigen Mybes vorsorglich ins Feld führen“

Insgesamt sei offensichtlich, worum es auch geht, schließt Mybes: „Die sorgfältige Vorbereitung eines Narrativs, welches von eigener Verantwortung ablenkt und im Falle eines teilweisen oder völligen Zusammenbruchs des ESW den hierfür „Schuldigen Mybes“ antizipativ ins Feld führt.“

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