Kreis Lörrach Akzeptanz und Geduld sind wichtig

Die Oberbadische

Telefonseelsorge: Regine Weiß spricht über die Helfersuche und die Bedeutung aktueller Ereignisse

Für Menschen in Not ist die Telefonseelsorge Lörrach-Waldshut eine erste Anlaufstelle. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sind darin geschult, für jeden Anrufer ein offenes Ohr zu haben. Demnächst beginnt eine neue Ausbildung zum Telefonseelsorger.

Kreis Lörrach. Welche Voraussetzungen Interessierte mitbringen sollten und ob Ereignisse wie jüngst der mutmaßliche Selbstmord des früheren Talentshow-Teilnehmers Daniel Küblböck bei den Anrufen ein Thema sind, darüber hat sich Adrian Steineck mit Regine Weiß, die für die Organisation der Ausbildung zuständig ist, unterhalten.

Frage: Frau Weiß, welche Eigenschaften braucht jemand, der für die Telefonseelsorge tätig sein will?

Er sollte sich ganz generell für Menschen interessieren und über Empathie und Geduld verfügen. Auch sollte derjenige psychisch stabil sein und gut zuhören können. Zudem ist Akzeptanz wichtig, denn wir haben für jeden Anrufer ein offenes Ohr und sollten einem Menschen, der nicht in unser Wertesystem passt, auch zuhören können.

Frage: Inwiefern kann so etwas der Fall sein?

Bei uns rufen manchmal auch Menschen mit rechtsgerichteter Ideologie an, die ihren Frust über die Politik in Deutschland abladen wollen.

Frage: Was sind daneben Themen, die bei der Telefonseelsorge eine Rolle spielen?

Häufige Themen sind familiäre Probleme, Krankheit, Sucht, Mobbing, Finanzielles und die Trauer um einen geliebten Menschen. Generell geht es um Lebenskrisen, ob das die Krise eines Heranwachsenden in der Pubertät ist oder eine Krise, wie sie in der Mitte des Lebens auftreten kann. Auch das Kranksein spielt eine große Rolle, viele unserer Anrufer haben ein körperliches oder psychisches Leiden. Manchmal sind wir so etwas wie der Faden zum Leben für manche Menschen, etwa wenn sie Suizidgedanken haben.

Frage: Sie sprechen den Suizid an. Spielen da auch Ereignisse wie jüngst der mutmaßliche Suizid des früheren Talentshow-Teilnehmers Daniel Küblböck eine Rolle?

Ja, das hören wir bei prominenten Todesfällen immer wieder. Menschen rufen bei uns an und sagen, dass sie durch die Berichterstattung über solche tragischen Ereignisse zu der Überzeugung gekommen sind, dass sie selbst auch Hilfe brauchen. Solche Ereignisse können so etwas wie ein Weckruf für andere Menschen sein, sich Hilfe zu suchen. Wobei ich mit dem Wort „Hilfe“ sehr vorsichtig umgehen würde.

Frage: Inwiefern?

Was wir anbieten, ist Hilfe zur Selbsthilfe. Wir haben ein offenes Ohr und können helfen, die Wartezeit bis zu einem Termin bei einem Psychologen oder anderen Facharzt zu überbrücken. Aber unsere Mitarbeiter sind angehalten, sich mit Ratschlägen zurückzuhalten. Ein einfaches Beispiel: Wenn ein älterer Herr anruft, der sich einsam fühlt, und der Mitarbeiter rät ihm, doch einfach einmal in den Skat-Club zu gehen, kann es passieren, dass dieser Mann brüllt: Ich hasse Skat. Das wäre also eher kontraproduktiv.

Frage: Sie haben bereits häufige Themen erwähnt. Gibt es da auch Veränderungen? Spielt etwa Cyber-Mobbing heute eine größere Rolle als noch vor vier oder fünf Jahren?

Ja, das hat definitiv zugenommen, vor allem bei unseren jugendlichen Anrufern und den jungen Erwachsenen. Da werden etwa Filmchen ins Netz gestellt, die jemanden in einer peinlichen Situation zeigen.

Frage: Wie bereitet die Ausbildung Ihre Mitarbeiter auf so etwas vor?

Es werden im Rahmen der Ausbildung verschiedene Gesprächsführungstechniken vermittelt. Daneben gibt es Rollenspiele, bei denen sich das Erlernte praktisch erproben lässt. Auch die Transaktionsanalyse und die Selbsterfahrung sind wichtige Bestandteile. Es kann etwa vorkommen, dass ein depressiver Mensch bei uns anruft, und wenn wir dann selbst depressive Persönlichkeitsanteile haben, kann derjenige unbewusst quasi „rote Knöpfe“ bei uns drücken und etwas auslösen. Wir lernen in der Ausbildung, wie wir mit so etwas umgehen. Die Ausbildung umfasst 160 Stunden, die über ein Jahr verteilt werden. Geleitet wird die Ausbildung von zwei Psychologinnen.

Frage: Und wie sieht es mit dem zeitlichen Aufwand aus?

Das können sich unsere Mitarbeiter frei einteilen. In der Regel ist es so, dass es sich um drei Dienste von jeweils drei Stunden Dauer im Monat handelt. Zudem erhalten unsere Mitarbeiter zwei Stunden im Monat eine Supervision, also eine Beratung. Wir haben Helfer aus allen möglichen Berufen vom Richter bis zur Hausfrau. Wichtig zu wissen ist für die Interessierten auch, dass die Arbeit bei der Telefonseelsorge Lörrach-Waldshut komplett ehrenamtlich, also ohne Bezahlung, erfolgt. Unsere Mitarbeiter erhalten aber die Fahrtkosten erstattet.

Weitere Informationen: Die Telefonseelsorge Lörrach-Waldshut ist unter Tel. 0800 / 111 0 111 oder 0800 / 111 0 222 rund um die Uhr erreichbar. Der Anruf ist kostenlos. Alle Kontaktaufnahmen erfolgen anonym und vertraulich. Der nächste Ausbildungskurs für ehrenamtliche Mitarbeiter beginnt im kommenden Frühjahr. Nähere Informationen gibt es bei Regine Weiß unter Tel. 07672 / 904 31.

ist beim Trägerverein der Telefonseelsorge Lörrach-Waldshut für die Organisation der einjährigen Ausbildung zuständig. Daneben gibt sie Kurse zu den Themen Kontemplation, also dem inneren Sammeln und sich versenken, und Zen.

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