Kreis Lörrach Auf der Suche nach Identität

Jürgen Scharf
„Unser Platz am Rhy“: Alemannische Liebeslieder und Rocksongs brachten bei der Mundartliteratur-Werkstatt der Sänger und Texter Martin Lutz und der Gitarrist Karl David. Foto: Jürgen Scharf

Heimat: Mundart-Literaturwerkstatt überzeugt mit Qualität und einer großen Bandbreite.

Regio - Das war ein Novum bei der Mundart-Literaturwerkstatt: eine Slammerin. Bisher gab es in diesem Zirkel der Dialekt-Autoren keine Slam-Poetry, kein Spoken Word. Daniela Dill, studierte Literaturwissenschaftlerin und Co-Leiterin des Jungen Schreibhauses in Basel, machte aber keine Wortperformance, wie man hätte vermuten können. Die junge Liestaler Slam-Poetin rezitierte ihre hintergründig witzigen Gedanken zur Schweizer Wohnsituation („Modern Wohnen“) nicht als Bühnendichtung, sondern las sie ganz klassisch vor.

Gefallen konnten ihre Geschichten wie die zum Thema Tier, etwa das urkomische Liebesdrama im Hühnerstall. Die junge Mundart-Künstlerin war eine Bereicherung der Literaturwerkstatt, die sich um das Thema „Heimatland – Fluch oder Segen“ drehte.

Die Begriffe „Heimat“ und „Heimatland“ sind ja lange Zeit ideologisiert, verkitscht, verhöhnt und überfrachtet worden; das Wort Heimatland scheint noch immer auf dem Sprachindex zu stehen, wenn man die Vorrede von Moderator Volker Habermaier auf Schwäbisch richtig verstanden hat.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sei Heimat nicht mehr Heimatland gewesen, sondern mehr und mehr Europa, aber wo stehe man heute, in Zeiten von Brexit? Im Gegensatz zum verpönten „Heimatland“ findet Habermaier „Heimat“ als etwas Schönes, wenn man eine habe. Seit einigen Jahren feiert der Begriff ja wieder fröhliche Urständ.

Heimat ist wieder „in“. Da sind solche Lesungen wie die der Internationalen Mundart-Werkstatt in Weil am Rhein (Stapflehus) und Schopfheim (St. Agathe) geeignet, auf der Suche nach Identitäten und neuem Heimatgefühl nachzuhaken: Wo ist Heimat zu verorten, was macht sie aus? Wie es heute mit Heimaterfahrungen aussieht, dazu haben die Autoren aus Österreich, der Schweiz und Deutschland literarisch zu ihrer Kulturheimat beigetragen.

Das ist also beste Heimatkunde, wenn man von dem Esslinger Werbetexter und Journalisten Olaf Nägele einiges über schwäbische Mentalitäten erfährt. Der mit schwäbischen Krimis um dem unkonventioneller Pfarrer Goettle bekannt gewordene Nägele schreibt humorvolle Geschichten aus dem schwäbischen Alltag mit skurrilen Dialogen. Bei seinem Versuch, das Schwaben-Klischee aufzubrechen, ist er missionarisch unterwegs auf badischem Boden.

Dass man die Schwaben als „mundfaul“ bezeichnet, würde er positiv als Sprachverknappung betrachten, mit dem Ideal ganz kurzer Sätze wie „De Opa isch weg“ statt des langatmigen „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand...“

Die Organisatoren der Mundartwerkstatt sind immer auf der Suche nach jungen Talenten, was nicht leicht ist, aber man findet sie doch. Und das nicht nur im Basler Slam-Bereich. Martin Lukas Blum aus Vorarlberg – wie Johann Peter Hebel Theologe, Pädagoge und Autor – ist noch ganz am Anfang seines literarischen Schreibens. Am zweiten Abend hatte er sich mit seinen Gedichten und Geschichten frei geredet, wenn man sich auch erst an den Sprachklang des Dialekts gewöhnen musste.

Keine Eingewöhnungsschwierigkeiten hat man bei dem alemannischen Liedermacher Martin Lutz und seinem Duopartner Karl David, zwei ehemaligen Mitgliedern der alemannischen Rockband „Hurlibue“, die mit alemannischen Rocksongs („Unser Platz am Rhy“) gut unterhielten.

Lokalmatador Markus Manfred Jung erinnerte sich in einigen Glossen aus seiner Anfangszeit 1990 an Nachbarschaft, seine Jugend, und in Gedichten an seine Mutter. Worte, die seine Eltern in Zell einmal gesprochen haben, hat er gesammelt, so eine Art Spoken Words in Mundart, und sie in einem Lautgedicht rhythmisiert aufgezählt.

Das war ja schon fast ein geslammter alemannischer Rap!

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