Kreis Lörrach „Beratungsbedarf ist anhaltend hoch“

Nina Lipp
Julia Mörsdorf (links) ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Frauenberatungsstelle zuständig, Julia Geiger ist systemische Beraterin. Ihre Arbeit bleibt enorm wichtig angesichts aktueller steigender Herausforderungen. Foto: Nina Lipp

Weil die Gewalt gegen Frauen auch im Kreis Lörrach zunimmt, ist die Unterstützung durch die Frauenberatungsstelle wichtiger denn je.

Anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichtes 2024 luden Julia Mörsdorf (Öffentlichkeitsarbeit) und Julia Geiger (systemische Beraterin) zum Pressegespräch. Aktuelle Zahlen des Freiburger Polizeipräsidiums zeigten auf, dass die Fälle von Partnerschaftsgewalt im Kreis Lörrach zugenommen habe.

Zahl der Beratungskontakte ist deutlich angestiegen

„Der Beratungsbedarf ist anhaltend hoch“, bilanziert Mörsdorf: 2024 haben sechs Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle 477 Personen (überwiegend Frauen und Mädchen) 2100 mal beraten, wobei eine Beratung eine Stunde dauert. Im Vergleich zum Vorjahr sind das rund 172 mehr Beratungen, im Vergleich zu 2021 543 mehr Beratungen. Die Außenstelle in Schopfheim sei häufiger genutzt worden. Immer mehr Frauen und Mädchen würden die Beratung über einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Wie oft eine Frau zur Beratung kommt, hängt von ihrer Situation ab. Ist die Entscheidung, sich vom Partner zu trennen, gefallen, reicht vielleicht schon eine einmalige Aufklärung über die rechtlichen Rahmenbedingungen. Wird eine Frau vom Partner geschlagen und vergewaltigt, muss gehandelt werden.

Zeitaufwand für Akutfälle ist besonders hoch

Der Zeitaufwand für Akutfälle sei groß und stelle die Mitarbeiterinnen nicht selten vor organisatorische und kapazitäre Herausforderungen. Die Beraterinnen verstehen sich als erste vertrauliche Anlaufstelle, Aufklärung und Unterstützung sind genauso wichtig wie die Weitervermittlung, etwa zu anderen sozialen Diensten, zur Polizei oder zu Ärzten. Ein großes Problem sei der schlechte Zugang zu medizinischer und psychotherapeurischer Versorgung.

Zwei Entwicklungen haben laut Mörsdorf und Geiger die Arbeit im vergangenen Jahr besonders geprägt: Zum einen die Kürzung der Unterstützung durch den Kreis. Dieser hatte seine Förderung 2024 um 25 000 Euro gekürzt. Ein Schock, die Frage: Wie kann das Angebot aufrechterhalten werden, ohne Stellen zu reduzieren, habe alle Mitarbeiterinnen umgetrieben. „Wir haben alles Mögliche in Gang gesetzt“, berichtet Julia Mörsdorf. Erfolgreich wurde um Spenden geworben. Besonders erwähnenswert sei die der Barbara Carl Stiftung.

Erfolgreich wird um Spenden geworben

Zum anderen das Gewalthilfegesetz, das die Ampel auf ihren letzten Metern beschlossen hatte. Es sichert von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern künftig einen kostenlosen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung zu. Die zehn Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle erhofften sich dadurch eine zuverlässigere Finanzierung ihrer Arbeit.

Gewalt kann vielfältige Formen annehmen

Im Fachbereich „Häusliche Gewalt wurden vergangenes Jahr 1270 Beratungen durchgeführt, 566 zu „Sexualisierter Gewalt“, 99 davon zu akuter sexualisierter Gewalt, 467 zu den Folgen sexualisierter Gewalt. Die unscharfe Aufteilung in „Häusliche“ und „Sexualisierte Gewalt“ habe mit den unterschiedlichen Finanzierungstöpfen zu tun.

Ebenfalls in 2024 wurden 584 von psychischer Gewalt betroffene Frauen beraten, 463 davon zu akuter psychischer Gewalt, 148 zu den Folgen psychischer Gewalt. Oft würden die betroffenen Frauen das Erlebte nicht als Gewalt klassifizieren, so Geiger. Aber: Beleidigen, Herabwürdigen, das Instrumentalisieren der Kinder, Isolation, Druck, Kontrolle: Das alles seien Formen psychischer Gewalt. Diese sei „gängiger“ und hinterlasse weniger sichtbare Spuren als physische Gewalt, sei aber nicht minder schwerwiegend.

Frauen erfahren massivenegative Wahrnehmung

Die betroffenen Frauen würden massiv fremdbestimmt in ihrer Wahrnehmung und ihrem Verhalten. Oft sei es dann ein langer Weg, den Selbstwert und die Widerstandsfähigkeit der Betroffenen zu stärken, ihnen einen Bezug zu den eigenen Bedürfnissen und Wünschen zu vermitteln, weiß Geiger, die auch von „Stabilisierungsarbeit“ spricht.Leider gebe es auch im Kreis Lörrach Eltern, die Präventionsarbeit in Schulen ablehnten, weil sie eine „Frühsexualisierung“ ihrer Kinder fürchteten. Julia Mörsdorf aber betont: „Prävention schützt Kinder und Jugendliche in ihrem Alltag vor sexualisierter Gewalt.“ Ein Schwerpunkt der Präventionsarbeit liege auf dem Projekt „Mut tut gut“ für Grundschulen und Einrichtungen der Behindertenhilfe. Für dieses Projekt wurde die Frauenberatungsstelle 2024 von der Behandlungsinitiative Opferschutz (BIOS-BW) ausgezeichent.

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