Kreis Lörrach Beziehungsstreit endet in einem Blutbad

Werner Müller
Vor der Großen Strafkammer geht es denn auch in erster Linie um die Frage, ob der Angeklagte für seine Tat in vollem Umfang schuldfähig ist oder nicht. Foto: Werner Müller

Ein 48-jähriger Mann muss sich vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen wegen Totschlags an seiner 58-jährigen Zufallsbekanntschaft verantworten.

Eine schreckliche Entdeckung machte die Polizei im September des vergangenen Jahres in einer Wohnung in Todtnau. Weil deren Mieterin seit zwei Tagen nicht mehr bei der Arbeit erschienen war, auch auf das Klingeln des Schornsteinfegers nicht reagiert hatte und in der Tür ein abgebrochener Schlüssel steckte, verschafften sich die Beamten Zugang zu der Wohnung – und stießen auf ein blutiges Verbrechen.

Die 58-Jährige Wohnungsinhaberin lag tot auf dem Boden. Sie hatte Würgemale am Hals und ihr Körper war übersät mit Stichwunden. Erst wenige Tage zuvor hatte sie bei der Polizei angerufen und mitgeteilt, sie wolle nach einem Streit ihren Partner aus der Wohnung werfe, doch der weigere sich zu gehen. Sie erklärte dem Polizisten am Telefon, er brauche keine Streife zu schicken, falls dies doch notwendig sei, werde sie sich wieder melden. Doch das geschah nie.

Streit eskaliert

Statt dessen muss sich der Mann, von dem in dem Telefongespräch die Rede war, jetzt vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, die 58-jährige Frau, die er zwei Monate zuvor zufällig in Todtnau kennengelernt hatte und bei der er erst eine Woche zuvor eingezogen war, im Verlauf des weiter eskalierenden Streits zu Boden geworfen und sie „in Tötungsabsicht massiv mit beiden Händen am Hals gewürgt“ zu haben. Weil die Verletzungen nicht tödlich waren, habe er mit einer zerbrochenen Schnapsflasche und mit einem Jagdmesser auf sein Opfer eingestochen und mit 25 Stichen in Gesicht, Oberkörper, Rücken sowie ins Herz und in die Halsschlagader getötet.

Eine Sonderkommission der Polizei hatte nach Entdeckung des Verbrechens fieberhaft nach dem Tatverdächtigen gesucht, ehe er ihr einen Tag später eher zufällig ins Netz ging. Stellte er doch das Auto seines Opfers, mit dem er zuvor eine Woche lang in der Gegend herumgefahren war, in Schopfheim direkt vor dem Haus eines Polizisten ab, der selbst Mitglied der Soko war. Der Tatverdächtige machte sich zunächst noch zu Fuß aus dem Staub, stellte sich am späten Abend jedoch freiwillig.

Seit der Festnahme befindet sich der Mann in Untersuchungshaft und ist in einem Zentrum für Psychiatrie untergebracht.

Angeklagter räumt die Tat ein

Der 48-Jährige räumte vor Gericht die Tat ein. In einer Einlassung, die er von seiner Verteidigerin vortragen ließ, gab er an, er und seine Bekannte hätten schon am Vorabend des besagten Streits viel getrunken und auch Kokain konsumiert. Am folgenden Tag sei der Streit nach dem Anruf bei der Polizei weiter eskaliert. Er habe wahllos auf sein Opfer eingestochen und sei danach schockiert gewesen. Er habe nicht mehr gewusst, was er machen solle und habe weiter getrunken. „Der Streit ist komplett entglitten“, erklärt die Verteidigern, ihr Mandant habe keine Tötungsabsicht gehabt, die Tat sei so nicht geplant gewesen.

Vor der Großen Strafkammer des Landgerichts geht es denn auch in erster Linie um die Frage, ob der Angeklagte für seine Tat in vollem Umfang schuldfähig ist oder nicht - und ob dafür ins Gefängnis muss oder dauerhaft in die Psychiatrie. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls von einer „paranoiden Schizophrenie“ die Rede, derzufolge die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seiner Tat einzusehen, eingeschränkt gewesen sei. Hinzu komme der Konsum von verschiedenen psychotropen Substanzen wie Alkohol, Opiate, Kokain oder Cannabis, psychosoziale Desintegration und dissoziale Entwicklung.

Explosion von Gewalt

Warum der verhängnisvolle Streit dermaßen aus dem Ruder lief und in einer „Explosion von Gewalt“ endete, wie der Vorsitzende Richter Martin Hauser es ausdrückte, blieb an den ersten drei Verhandlungstagen im Dunkeln. Der Angeklagte selbst äußerte sich dazu jedenfalls nicht, machte über sein Anwältin lediglich dunkle Andeutungen, dass ihm jemand einen Strick drehen wolle.

Die Schwester der getöteten Frau erklärte im Zeugenstand, sie habe den Angeklagten gleich bei der ersten Begegnung als „komischen Typ“ betrachtet und habe ihrer jüngeren Schwester mehrfach geraten, die Finger von dem 48-Jährigen zu lassen. Der sei immer so „zappelig gewesen und habe ständig „rote Augen“ gehabt. Sie sei sich deshalb sicher gewesen: „Der nimmt was“. Aber ihre Schwester habe auf solche Warnungen nicht hören wollen. Auch nicht, als der Angeklagte sie nur wenige Tage vor dem tödlichen Streit bei einem Streit schon einmal die Treppe hinter geschubst habe. „Da hat sie Angst gekriegt. Und trotzdem ist sie am Tag danach mit ihm wieder zum Einkaufen nach Basel gefahren“, erinnerte sich die Zeugin. Ihre Schwester habe sich durchaus zu wehren gewusst, sei auch schon mal laut geworden und keinem Streit aus dem Weg gegangen.

Videoaufnahmen werden ausgewertet

Diese Einschätzung teilten auch zwei andere Zeugen – ein guter Bekannter der getöteten Frau sowie ihr Ex-Mann. Letzterer gab zu Protokoll, beim Streiten sei es manchmal „ganz laut“ zugegangen. Dass ihn seine Ex zweimal mit dem Messer bedroht habe, wie er gegenüber der Polizei angegeben hatte, wollte er vor Gericht indes nicht bestätigen.

Der gute Bekannte bezeichnete die getötete Frau als „kleine Bestie“, die ganz schön laut werden konnte. Er habe sie noch kurz vor dem tödlichen Streit beim Einkaufen getroffen, sagte er – und sorgte mit seiner Zeitangabe (zwischen 16 und 17 Uhr) für Verblüffung und Verwirrung bei der Kammer und der Staatsanwaltschaft. Denn nach Angaben des Gerichtsmediziners soll die 58-Jährige an jenem verhängnisvollen Tag schon gegen 14 Uhr eines gewaltsamen Todes gestorben sein. Um den Sachverhalt zu klären, will das Gericht jetzt alle verfügbaren Aufnahmen von Videokameras in Todtnau auswerten lassen.

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