Kreis Lörrach Das 412-Millionen-Projekt wächst

Maja Tolsdorf
Dieses Gebäude des Lörracher Zentralklinikums gehört allen, stellte Ricarda Braun bei der Baustellenführung fest. Foto:  

Der Neubau des Lörrach Zentralklinikums wächst schnell, die Arbeiten schreiten voran und verändern die Laufwege im Rohbau und auf dem Gelände fast täglich. Unsere Zeitung hat bei einer Führung hinter die Kulissen geblickt.

Rückhalt ist es, was die Kreiskliniken GmbH nun am dringendsten braucht. Denn mit dem Bau des neuen Zentralklinikums hat sie eine Aufgabe vor der Brust, die sich nur dann auszahlt, wenn das neue Klinikum wirtschaftlich betrieben werden kann. Denn derzeit ist der Betrieb eher selbst der Kranke: Sinkende Patientenzahlen, teure Leiharbeitskräfte und unzureichende Finanzierung der Kliniklandschaft. Die Lage der Kreiskliniken ist prekär.

Zudem ist der Ruf der verbliebenen Kreiskrankenhäuser aus Bürger- und Patientensicht nicht gut. Irgendwer kennt immer jemanden, der schlechte Erfahrungen gemacht hat, sei es mit dem Pflegepersonal auf Station oder mit den Wartezeiten in der Notaufnahme. Da mutet es irgendwie seltsam an, als Ricarda Braun bei der Führung über die Baustelle des Zentralklinikums im Hauinger Entenbad sagt: „Das Gebäude hinter uns zahlen wir alle.“

Um Vermittlung bemüht

Auch die Schließung des Standorts Rheinfelden kam bei den Bürgern nicht gut an. Trotzdem glaubt Klinikensprecherin Sabine Graf daran, dass mit dem neuen Zentralklinikum (ZKL) alles besser wird. Sie kennt die Kritikpunkte, die den Kreiskliniken entgegengebracht werden und geht bei der Führung über die Baustelle darauf ein, liefert Erklärungen und ist um eine Vermittlung bemüht.

Zugegeben, man ist fast geneigt, daran zu glauben, dass der Wandel gelingen kann. Vielleicht, weil man sich für den Moment der Baustellenführung einfach nur faszinieren und begeistern lassen will. Das Gebäude ist gigantisch, seine Bruttogeschossfläche ist mit 89 600 Quadratmetern in etwa so groß wie zwölf Fußballfelder. Der Bruttorauminhalt entspricht mit 405 100 Kubikmetern etwa dem der SAP-Arena in Mannheim. „Ich kann mich nicht erinnern, dass in Lörrach in den vergangenen 50 Jahren ein Bauprojekt dieser Dimension umgesetzt wurde“, sagt Wirtschaftsförderin Marion Ziegler-Jung, die als Vorstandsmitglied von Pro Lörrach die Baustellenführung für Mitglieder organisiert hat.

100 Millionen mehr

Gigantisch erscheinen auch die Kosten für den Neubau, die noch 2019 mit 314 Millionen Euro veranschlagt wurden, sich nun aber um rund 100 Millionen auf 412 Millionen erhöht haben. Stahl sei seit dem Ukraine-Krieg teurer geworden, erklärt Braun. Zudem sei der gestiegene Baupreisindex für die Mehrkosten verantwortlich. „Wir hoffen, dass es noch weniger wird“, sagt sie und meint, dass man nicht allzu bang sein solle, denn rund 200 Millionen würden vom Land gefördert.

Die 19 Teilnehmer scheinen zwischen ehrlichem Staunen und Misstrauen hin- und hergerissen. Sie stellen an einigen Stationen auch kritische und tiefer gehende Fragen. Spürbar wird das zwiegespaltene Verhältnis zum Kreisklinikum auch an witzelnden Sprüchen und Kommentaren, die beim Gang über die Baustelle immer wieder geäußert werden, wie beim Betreten des Gebäudes durch den Haupteingang.

Erleichterung herrscht beim Eintreten, denn im Innern ist es deutlich kühler als draußen. „Jetzt gehen wir da noch gern rein, aber wenn wir mal krank sind ... naja“, sagt ein Teilnehmer zum andern und überlässt die Vollendung des Satzes der Fantasie.

Kritik ist bekannt

Sabine Graf und Ricarda Braun wissen von der Kritik, die der Kreiskliniken GmbH entgegen gebracht wird. Die greifen sie auch auf, als sie an der Anmeldung der Notaufnahme Halt machen. Noch liegen dort Rohre unter einer Plastikplane, doch schon bald soll dort ein Tresen stehen. Braun deutet auf den recht kleinen Raum, der einmal als Wartezimmer dienen soll. „Wir sind uns sicher, wir schaffen das“, sagt sie und spielt damit auf die Kritik an den bisher teils stundenlangen Wartezeiten in der Notaufnahme an. Im neuen ZKL soll das anders werden. Weitere Optimierungen soll es mit Hilfe der Technik geben. So könnten künftig die Aufzüge dabei helfen, Besucherströme zu lenken, um lange Wartezeiten am Lift zu vermeiden. Zur optimalen Auslastung der insgesamt 677 Betten könnte „clustern“ künftig eine Lösung sein, wie Braun erklärt. Das bedeutet, dass es keine „Hoheitsgebiete“ mehr geben wird, wie eine Station nur für die Chirurgie und eine für die Innere Medizin. Damit soll vermieden werden, dass in einer nicht alle Betten belegt sind, während die andere „aus allen Nähten platzt“.

Eine Teilnehmerin fragt, ob das nicht zu lange Laufwege fürs Pflegepersonal bedeute und die Mitarbeiter am Ende stockwerkübergreifend Patienten versorgen müssten. Zudem zweifelt die Teilnehmerin daran, dass es im neuen ZKL genügend Personal gebe. Braun und Graf antworten, dass dies über die Dienstplanung geregelt werden könne. Zudem verfügten die Kreiskliniken über 2300 Mitarbeiter und jeder dürfte ins neue Klinikum mit umziehen.

Operationsbereich mit zwölf Sälen

Für weitere Diskussionen bleibt keine Zeit, sonst wäre die Führung nicht in rund zwei Stunden zu machen. Beim Gang durch den Rohbau sind die Teilnehmer mit dem Schauen und Staunen beschäftigt, da werden keine Fragen mehr gestellt, sondern untereinander im Gespräch erörtert. Dieses geht aber teils im Lärm von Fräse und Bohrer unter, ebenso wie Teile des Vortrags von Braun im Empfangsbereich. Die Handwerker unterbrechen ihre Arbeit wegen der Besuchergruppe nicht, weshalb eine kurze Pause entsteht, die zum Rundumblick genutzt wird. Der verweilt für einen Moment am Holzklotz, der einmal der Empfangstresen sein soll.

Der Gedanke „Aha, so wird es hier also einmal aussehen“, formt sich zum Bild vor dem geistigen Auge. Ebenso im Operationsbereich mit seinen zwölf Sälen. Dort verhilft die Fantasie zu einer lebendigen Szenerie: von Chirurgen und Personal, das den Gang entlang eilt sowie von Patienten, die in den OP geschoben werden.

Der Countdown läuft

475 Tage wird es noch dauern, bis das neue Zentralklinikum im Hauinger Entenbad in Betrieb geht. Der erste Patient soll Ende des ersten Quartals 2026 aufgenommen werden. Und auch wenn es nicht sehr wahrscheinlich ist, Ricarda Braun wünscht sich dafür eine werdende Mutter, die dort ihr Kind zur Welt bringt.

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