Kreis Lörrach Das Telefon steht nicht mehr still

Die Oberbadische
Viele Unternehmen leiden unter den unterbrochenen Lieferketten und infolge unter Produktionsengpässen. Foto: Die Oberbadische

Interview: Regionale Unternehmen sind in großer Notlage / Pandemie-Eindämmung hat oberste Priorität

Handel, Dienstleistung, Industrie: Nahezu alle Unternehmen bekommen die Folgen der Corona-Pandemie zu spüren. Unser Redakteur Michael Werndorff hat mit Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee (IHK), über die wirtschaftliche Dimension der Virus-Krise in unserer Region gesprochen.

Wie macht sich die Coronakrise bei den Unternehmen im Bezirk der IHK Hochrhein-Bodensee derzeit bemerkbar?

Die Lage bei vielen Unternehmen kann man ohne Übertreibung als dramatisch beschreiben. Mit den verfügten Beschränkungen der Mobilität ist das wirtschaftliche Leben in Deutschland in weiten Teilen zum Erliegen gekommen. Bestellungen und Reservierungen werden storniert, Neuaufträge und -kunden bleiben komplett aus. Vielen Betrieben brechen bis zu 100 Prozent der Einnahmen weg.

Für die betroffenen Firmen bedeutet dieser Stillstand einen nicht mehr aufholbaren Verlust, bei nicht wenigen geht es sogar um die Existenz.

Wie lässt sich diese Krise erfolgreich überwinden?

Der Erfolg in der Überwindung dieser Krise verlangt drei Dinge: Erstens die Ertüchtigung und Stabilisierung des Gesundheitssystems, zweitens die Disziplin und Verantwortung jedes einzelnen Bürgers bei der Einhaltung der bekannten Präventionsmaßnahmen und drittens schnelle und unbürokratische Hilfe des Staates, um die Wirtschaft zu stützen und eine Insolvenzwelle abzuwenden.

Dass Bundes- und Landesregierung nun umfangreiche Hilfspakete schnüren und die Haushalte dafür öffnen, ist deshalb richtig. Es nicht zu tun, führte auf lange Sicht zu weit höheren Belastungen des Staatshaushaltes.

Die IHK-Organisation setzt sich auf allen politischen Ebenen dafür ein, dass jedem betroffenen Unternehmen, vom Einmannbetrieb bis zum Konzern, die Unterstützung zukommt, die es braucht, um die Krise zu überstehen.

Langfristig wird es freilich mehr als nur Geld brauchen, damit die Wirtschaft sich erholen kann.

Wie viele Anfragen erreichen Sie derzeit?

Wir zählen schon lange nicht mehr. Das Telefon klingelt beim Auflegen. Viele Mitgliedsunternehmen fürchten um ihre Existenz und brauchen Beratung zu Themen wie Kurzarbeitergeld, Soforthilfen, Stundungen oder steuerliche und andere fiskalische Erleichterungen.

Wir werden alle Anfragen beantworten, bitten aber aufgrund der enormen Anzahl um Verständnis, wenn es zu Wartezeiten kommt. Auf unserer Homepage https://www.konstanz.ihk.de können viele Antworten abgerufen und ein Newsletter abonniert werden.

Welche Branchen sind von der Coronakrise besonders betroffen?

Alle Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf dem unmittelbaren Kontakt zum Kunden aufbaut, stehen, soweit sie nicht ohnehin behördlich geschlossen wurden, vor einer faktischen Kompletteinstellung jeder Geschäftstätigkeit. Andere leiden unter gestörten oder unterbrochenen Lieferketten in der Produktion oder sind als Zulieferer von der Produktionsunterbrechung der Erstausrüster betroffen.

Wie reagieren Unternehmen, die nun unverschuldet in Probleme geraten?

An erster Stelle steht die Gesundheit der Mitarbeiter. Die Unternehmen tun alles, um ein Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Da, wo es möglich ist, werden die Mitarbeiter in die Heimarbeit geschickt. Produktionsbetriebe teilen vorsorglich ihre Belegschaft auf oder arbeiten in abwechselnden Schichten, um das Risiko zu halbieren.

Wie bleiben die Firmen liquide, wenn die Ausgaben weiterlaufen, die Einnahmen aber wegbrechen?

Dafür nutzen sie das Kurzarbeitergeld, staatliche Hilfsprogramme oder Stundungen und verhandeln erweiterte Kreditlinien aus. Die öffentliche Hand stellt sich sukzessive darauf ein, dass diese außergewöhnliche Situation auch außergewöhnliche Antworten verlangt.

So heißt es in einer Kommunikation der Finanzbehörden zu Stundungen wörtlich: „Diese Anträge sind nicht deshalb abzulehnen, weil die Steuerpflichtigen die Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können und bei der Nachprüfung der Voraussetzungen für Stundungen sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann in der Regel verzichtet werden.“

Mit welcher Dauer rechnen die Firmen? Ist schon absehbar, ab wann wieder eine wirtschaftliche Normalisierung eintreten wird? Lässt sich sagen, wie viele Betriebe in der Region die Krise wohl nicht überstehen werden?

Aktuell lässt sich nicht seriös sagen, wie lange die Krise dauern wird – und auch nicht, wie hoch der Schaden am Ende ausfällt. Die Normalisierung der wirtschaftlichen Prozesse läuft der medizinischen Bewältigung nach.

Wenn sich die ergriffenen Maßnahmen in der Infektionsstatistik und damit in der Belastung des Gesundheitssystems positiv niedergeschlagen haben werden, dann ergibt es einen Sinn, über eine Lockerung der Beschränkung der Mobilität der Menschen auch nur nachzudenken. Daraufhin kann der wirtschaftliche Alltag ein Stück weit zurückkehren.

Weil das Infektionsgeschehen aber aus der Zeit noch umfangreicherer Mobilität und wirtschaftlicher wie privater Aktivität nachläuft, ist damit in nächster Zukunft nicht zu rechnen.

Dafür, dass auf dem Weg bis dahin keine Insolvenzwelle die Lage verschärft, sorgen nicht nur das erweiterte Kurzarbeitergeld und die Hilfsprogramme, sondern auch punktuelle Gesetzesänderungen zum Schutz von Mietkündigungen oder vor dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung.

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