Von Marie-José Rosenwald
Pastoralreferent Kassian Burster hält Gottesdienste in Leichter Sprache / Dritter Teil unserer Serie
Von Marie-José Rosenwald
Kreis Lörrach. Sich eigenständig Informationen zu beschaffen, gehört zu einem selbstbestimmten Leben unbedingt dazu. Menschen mit Lernschwierigkeiten und den rund sieben Millionen Erwachsenen in Deutschland, die nur eingeschränkt lesen und schreiben können, kann dabei Leichte Sprache helfen. Das Bewusstsein dafür ist im Landkreis Lörrach in Ansätzen vorhanden, muss aber bei Behörden und Institutionen weiter geschärft werden.
Kassian Burster bezeichnet sich als „eigener Handwerker“, wenn es um Leichte Sprache geht, er hat keine Schulung absolviert und es gibt wenig Material, auf welches er für seine Gottesdienste zurückgreifen kann. Auf der Website des Katholischen Bibelwerkes gibt es immerhin die Sonntagsevangelien in Leichter Sprache, so der Pastoralreferent des St. Josefshauses in Herten, die er nutzt. Texte und Gebete für die Gottesdienste formuliert er selbst und achtet dabei auf kurze Sätze, auf einen immer gleichen Satzaufbau, auf Wortwiederholungen und das Vermeiden von Fremdwörtern, um Kriterien der Leichten Sprache zu erfüllen.
Der Zuspruch für seine Gottesdienste ist groß, Burster ist immer wieder überrascht, an wie viele Einzelheiten aus vergangenen Feiern sich die Bewohner des St. Josefshauses erinnern. Auch wenn er in seinen Gottesdiensten die Menschen mit Behinderung besonders im Blick hat, ist er überzeugt, dass Leichte Sprache auch „Normalglaubenden“ hilft. „Die kirchliche Fachsprache hat sich von der Alltagssprache der Menschen entfernt, Begriffe wie Gnade, Erbarmen oder Schöpfung werden nicht mehr unbedingt verstanden“, so der Pastoralreferent. Er hat die Erfahrung gemacht, dass viele Gebete die Menschen in den Gemeinden nicht mehr ansprechen.
Bei Kolleginnen und Kollegen auf regionaler Ebene stößt sein Einsatz für Leichte Sprache zwar auf Interesse, damit konkreter befassen würde sich aber noch niemand, stellt Burster etwas bedauernd fest.
Zu kompliziert, manchmal missverständlich, ohne Hilfe von Betreuern nicht ohne weiteres zu verstehen – selbstkritisch blättert Tanja Kural in alten Freizeitheften der Lörracher Lebenshilfe. Auch in einer Institution, die täglich mit Menschen mit Behinderung zu tun hat, entwickelte sich erst allmählich ein Bewusstsein für Leichte Sprache. Die Sozialwirtin, zuständig für den Bereich Freizeit und Bildung der Erwachsenen, erhielt auf einer mehrtägigen Fortbildung im St. Josefshaus in Herten das Fachwissen, um das „aktiv-Heft“ in Hinblick auf Leichte Sprache zu verändern.
Bilder, immer gleiche Symbole, Farben, leichtere Texte, Informationen auf das Wichtigste reduziert und die Teilnahmebedingungen gesondert erklärt geben den Nutzern jetzt die Möglichkeit, sich selbstbestimmt die Angebote herauszusuchen und dann gezielt Angehörige oder Betreuer darauf anzusprechen. „Das Nonplusultra ist das aktuelle Heft noch nicht“, so Kural. Es unterliege einem ständigen Prozess, und manches sei kaum umsetzbar. Eine größere Schrift zum Beispiel sei nur bei einem größeren Format zu realisieren und das wiederum mit höheren Kosten verbunden.
Bei den großen Behörden im Landkreis Lörrach setzt sich ein Bewusstsein für Leichte Sprache erst allmählich durch. Komplizierte Bescheide und Mitteilungen sind für viele Adressaten unverständlich, deren Inhalt nur mit Hilfe Anderer zu begreifen.
„Beim Landratsamt Lörrach gibt es zurzeit keine konkreten Projekte zur Einführung der Leichten Sprache“, erklärt Junia Folk, Stabsstellenleitung Öffentlichkeitsarbeit. Präsent ist das Thema dennoch, auch die Tatsache, dass die Forderung nach barrierefreien Informationen in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben ist.
Es habe erste Versuche gegeben, Bescheide entsprechend umzuformulieren. In der Praxis stellte sich das aber als schwierig heraus, weiß Folk, da rechtliche Formulierungen in Leichter Sprache auf Bescheiden ihre Gültigkeit verlieren könnten. Zudem schreibe die Landesregierung formelle Kriterien vor, so dass es häufig wenig Spielraum für eigene Gestaltungen gebe.
Bei der Agentur für Arbeit in Lörrach verweist die Pressesprecherin Melanie Payer auf die Internetseite ihrer Behörde, die es in Leichter Sprache gibt. Auf Nachfrage bestätigt sie, dass die Mitarbeiter der Agentur in Gesprächen mit den Kunden auf eine verständliche Sprache achten, geschult sind sie darin jedoch nicht. Auf einer der nächsten Führungskräftebesprechungen solle das Thema aber auf die Tagesordnung gesetzt werden, um weitere Schritte einzuleiten.
Briefe, Gesetzestexte, aber auch Busfahrpläne, Arbeitsverträge und Handlungsanweisungen sind nicht nur für Menschen mit Lernschwierigkeiten oft unverständlich, auch für diejenigen, für die Deutsch eine Fremdsprache ist und Millionen Erwachsenen in Deutschland, die nur sehr eingeschränkt lesen und schreiben können. Ihnen hilft Leichte Sprache. Sie ist eine Form der mündlichen und schriftlichen Kommunikation, dabei festen Kriterien unterworfen: Kurze Sätze, einfache Wörter, Wiederholungen, klare Schrift, erklärende Bilder.
In einer vierteiligen Serie, verfasst von Marie-José Rosenwald, Projektmitarbeiterin des Netzwerks Inklusion im Landkreis Lörrach, beleuchten wir das Thema Leichte Sprache aus unterschiedlichen Blickwinkeln.