Kreis Lörrach Der gewöhnliche Aufenthalt entscheidet im Erbfall

Die Oberbadische
Klaus Krebs Foto: zVg Foto: Die Oberbadische

Europäische Erbrechtsverordnung tritt in Kraft / Auslegungsfrage wegen fehlender Definition

Von Rechtsanwalt Dr. Klaus Krebs

Kreis Lörrach. Nach der ab dem 17. August 2015 in Kraft tretenden Europäischen Erbrechtsverordnung wird sich die Erbfolge in den Mitgliedsstaaten der EU grundsätzlich nach dem Recht des Staates richten, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte, unabhängig davon, wo sich auf der Welt dessen Vermögen befindet und welche Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß. In der Verordnung sucht man allerdings vergeblich nach einer Definition des gewöhnlichen Aufenthalts, so dass die Verordnung insoweit auszulegen ist.

Bei der Auslegung gilt nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichsthofs (EuGH) der Grundsatz der Autonomie, das heißt die Verordnung ist aus sich selbst heraus auszulegen ohne Rückgriff zum Beispiel auf nationale Rechtsordnungen. Immerhin gibt es Entscheidungen des EuGH zu der Frage des Aufenthalts, zum Beispiel zum Kindesaufenthalt, die hilfreich sein können.

So hat der EuGH im Jahr 2009 ausgeführt, dass darunter der Ort zu verstehen sei, „der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist.” Dabei sollen insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat Berücksichtigung finden. Lässt man die für den Kindesaufenthalt spezifischen Faktoren außen vor, zeigt sich ein Konzept des gewöhnlichen Aufenthalts, das den Daseinsmittelpunkt als Schwerpunkt der familiären und sozialen Beziehungen in den Vordergrund stellt.

Vor diesem Hintergrund werden zukünftig auch die in der Fachliteratur heftig diskutierten Zweifelsfälle zu beurteilen sein, wie insbesondere bei Grenzgängern, zeitlich begrenzten Auslandsaufenthalten aus beruflichen Gründen (Expats), Auslandsstudium oder Internatsaufenthalt im Ausland, Diplomaten mit alle Jahre wechselndem Einsatzort, zwischen Frankfurt und London pendelnden Bankiers oder den „Mallorca-Rentnern”. Gegebenenfalls wird man im Einzelfall bei mehreren infrage kommenden gewöhnlichen Aufenthaltsorten Strichlisten anzufertigen haben, um am Ende dem nationalen Recht den Vorzug zu geben, das die meisten Striche auf sich vereint.

Dabei darf vor dem Hintergrund der oben genannten Rechtsprechung des EuGH und auch der Erwägungsgründe der Erbrechtsverordnung aber nicht außer Acht gelassen werden, dass familiäre und soziale Gründe schwerer wiegen als berufliche. Im Ergebnis dürfte sich damit selbst bei den Grenzfällen der gewöhnliche Aufenthalt fast immer mit hinreichender Sicherheit bestimmen lassen. Die Frage ist allein, dieses Ergebnis dann auch im Sinne des verstorbenen Erblasser ist, weshalb sich die nach der Verordnung mögliche Rechtswahl in jedem Falle als sicherere Option anbietet, sofern sie im Einzelfall zulässig ist und wirksam ausgeübt wird.

u Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht sowie für Bau- und Architektenrecht in der Kanzlei Seidler & Kollegen in Weil am Rhein.

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