Kreis Lörrach Ein Patentrezept gibt es nicht

Die Oberbadische
Unternehmen aus der Region spenden Lebensmittel für die Tafelläden im heimischen Kreis. Foto: Kristoff Meller Foto: Die Oberbadische

Bedürftigkeit: Entscheidung der Essener Tafel stößt im Kreis auf Kritik / Immer mehr Senioren betroffen

In Deutschland bieten insgesamt 934 Tafeln vielen hilfebedürftigen Bürgern frisches Obst, Gemüse, Backwaren und sonstige Dinge des täglichen Bedarfs an. Die Essener Tafel nimmt wegen des stark gestiegenen Andrangs von Migranten nur noch Neukunden mit deutschem Pass auf. Reinhard Ihl, Vorsitzender der Dreiländereck-Tafel Lörrach/Weil am Rhein, sieht das Vorgehen kritisch.

Von Michael Werndorff

Kreis Lörrach. Die Entscheidung, nur noch deutsche Neukunden zu akzeptieren, bis wieder ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen herrscht, sorgt bundesweit für ein großes Medienecho. Für die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl handelt es sich um ein diskriminierendes Vorgehen, wie dieser Tage in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung zu lesen war. Zum Hintergrund: Der Anteil von ausländischen Kunden ist laut Essener Tafel in den vergangenen beiden Jahren von 35 auf mittlerweile 75 Prozent angestiegen, zudem hätten sich hilfebedürftige Senioren und Mütter von den Migranten abgeschreckt gefühlt.

Die Entscheidung der Essener Tafel hält Ihl für falsch, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung sagt: „Das Vorgehen war unüberlegt. Es gibt andere Möglichkeiten, die Probleme, die es im Kreis Lörrach übrigens so nicht gibt, zu regeln“, verweist er auf den Einsatz von Sicherheitspersonal oder besondere Vorgehensweisen beim Einlass, wie dem Ziehen von Tickets. Allerdings: Ein Patentrezept, um die Problematik zu entschärfen, gebe es nicht, ergänzt er.

872 Haushalte haben Berechtigungsausweise

Eine Möglichkeit sei auch ein genereller Annahmestopp, den in der Vergangenheit bereits die Schopfheimer Tafel für mehrere Monate verhängen musste, erinnert Ladenleiter Bernt Hasler. „Die große Zahl an Kunden konnten wir während des Höhepunkts der Flüchtlingskrise nicht mehr bewältigen.“ Was das Konkurrenzverhalten angeht, habe man bei den Neuankömmlingen allerdings gute Integrationsarbeit geleistet.

Bei der Dreiländereck-Tafel, die einen Laden in Lörrach-Brombach betreibt, haben die Verantwortlichen beschlossen, die ersten dreißig Minuten der Öffnungszeit Gehbehinderten zu reservieren, wie Ihl erklärt. Erst danach stehe der Tafelladen allen anderen Kunden offen. Insgesamt zählt die Dreiländereck-Tafel 872 Haushalte mit Berechtigungsausweisen, konkret sind das 1944 Personen. Generell dürfen alle Personen, deren monatliches Gesamt-Einkommen unter 1033 Euro liegt, im Tafelladen einkaufen.

Während in Essen Migranten 75 Prozent aller Kunden ausmachen, sind es hier etwa 60 Prozent. Deutlich zugenommen hat der Anteil an Asylsuchenden seit Ende des Jahres 2015.

Kunden des Tafelladens sind diszipliniert

Dass ältere Menschen sich von den Neuankömmlingen eingeschüchtert fühlen und zurückgedrängt werden, kann der Vorsitzende der im Jahr 2003 gegründeten Dreiländereck-Tafel indes nicht beobachten. „Das Problem haben wir nicht, die Kunden der Tafel sind diszipliniert. Allerdings gibt es immer mal wieder Einzelfälle; jene Kunden, die sich nicht an die Regeln halten, werden ermahnt.“ Zeigt das keinen Erfolg, kann der Tafel-Ausweis für ein bis zwei Monate gesperrt werden.

Was Ihl umtreibt ist die deutliche Zunahme an unterstützungsbedürftigen Senioren, deren Rente nicht mehr ausreicht, um über den Monat zu kommen. Diese Gruppe sei neben Asylsuchenden und Langzeitarbeitslosen in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden.

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